Bedingungen evang. Friedensethik

Evangelische Landeskirche in Baden
Forum Friedensethik (FFE) in der Evangelischen Landeskirche in Baden

Bedingungen und Voraussetzungen evangelischer Friedensethik am Anfang des 21. Jahrhunderts
Thesen von Helmut Strack

Was sind die Bedingungen und Voraussetzungen, die für eine dezidiert evangelische Friedensethik zu gelten haben? Für eine Friedensethik am Beginn des 21. Jahrhunderts, wo der sog. „Kalte Krieg“ vorüber ist, wo von mancher Seite ein „Kampf der Kulturen“ prognostiziert und auch provoziert wird. Für eine evangelische Friedensethik in der „evangelisch“ durchaus auch in einem konfessionell-konfessorischen Sinn zu verstehen ist, sofern und weil Frieden als der von Gott gewollte und verheißene Schalom immer auch in einen „processus confessionis“ hinein führt.
Hierzu vier Thesen von KR Helmut Strack, Leiter der Landesstelle für Evangelische Erwachsenenbildung:

I. Evangelische Friedensethik ist biblisch begründet und hermeneutisch reflektiert.
Die vermutbare Trivialität dieser These verliert sich bei der Lektüre von Verlautbarungen aus dem Bereich der EKD zum Thema nahezu von selbst. Allesamt kommen sie ohne hermeneutisch verantwortete biblische Fundierung aus und bedienen sich biblischer Belegstellen - wenn überhaupt – in eklektischer Weise.

Ein Gang durch kirchenamtliche Positionen der EKD
Die Denkschrift der EKD Frieden wahren, fördern und erneuern von 1981 bedarf der biblischen Absicherung nur zu Beginn des Kapitels über die christliche Orientierung in der Friedensaufgabe, in dem es um das „christliche Gebet um den Frieden und die Hoffnung des Glaubens“ geht; allerdings kommt man gänzlich ohne das Alte Testament aus und bezieht sich fast ausschließlich auf das Corpus Paulinum.

Die Erklärung des Reformierten Bundes von 1982 Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche stellt den Erläuterungen ihrer Thesen immerhin ausdrücklich biblische Texte, neben neutestamentlichen auch die im friedensethischen Diskurs gängigen prophetischen, voran, reflektiert aber auch nicht auf die solche Auswahl leitenden hermeneutischen Entscheidungen.

Die Schritte auf dem Weg des Friedens der EKD von 1994 werden konsequenter Weise ganz ohne biblischen Bezug gegangen, und die Schrift Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens von 20026 bedarf ebenso wenig einer biblischen Richtungsweisung.

“’kirchenamtliche’ Erklärungen berauben sich der Strenge theologischer Argumente, wenn sie darauf verzichten, diese an biblischen Maßstäben zu überprüfen und entsprechend abzusichern.“
Zur Friedensethik in der Bewährung äußerte sich die EKD dann noch einmal 2001. Der solitäre biblische Bezug spricht für sich: „Die evangelische Friedensethik orientiert sich grundlegend am Tötungsverbot des Dekalogs und am Gebot der Feindesliebe, wie Jesus es in der Bergpredigt verkündet hat.“Was meinen die Verfasserinnen und Verfasser mit „grundlegend“? Wieso orientiert man sich (nur) am Tötungsverbot des Dekalogs und nicht am Gesamtzusammenhang der Tora? Weshalb wird das Gebot der Feindesliebe durch Jesus in der Bergpredigt dekontextualisiert, anstatt es auf eben diese Tora zurück zu beziehen?

Ein ernüchterndes Fazit
Die Bilanz ist ernüchternd: eine einseitig reduzierte Exegese mit dem fast völligen Verzicht auf die für das Alte und Neue Testament Grund legende Tora sowie eine unreflektierte Hermeneutik sind nicht „state of the art“ evangelischer Friedensethik, bergen die Gefahr, naturrechtlichen Argumentationsschemata – wiederum unreflektiert - zu folgen und, bei Unterbewertung der Tora, neo-marcionitischen (Markion, ca. 85-160, unterschied den jüdischen Schöpfergott vom christlichen Gott der Liebe und lehnte folglich alle „alttestamentlichen“ Schriften und vermeintlich jüdisch beeinflusste Teile des „Neuen Testaments“ ab) und damit zumindest latent antijudaistischen Tendenzen zu erliegen – was an anderer Stelle zu überprüfen wäre. Nun müssen die Ergebnisse solcher Art friedensethischer Reflexion nicht automatisch zu gravierenden Irrtümern führen, zumal selbstverständlich auch in theologisch-systematischer Perspektive Gewinn bringend über friedensethische Fragen gearbeitet werden kann. Aber „kirchenamtliche“ Erklärungen berauben sich der Strenge theologischer Argumente, wenn sie darauf verzichten, diese an biblischen Maßstäben zu überprüfen und entsprechend abzusichern. So manche Widersprüche und Unentschiedenheiten der zitierten Äußerungen mögen sich nicht nur aus der Zusammensetzung der Gremien, sondern auch aus unbiblischer Mutlosigkeit erklären.
Das Gegenbeispiel verdanken wir der Deutschen Bischofskonferenz mit ihrer Verlautbarung Gerechter Friede von 2000.

Ernstnehmen der Bibel ohne Biblizismus
Diese vergewissert sich zunächst der biblischen Botschaft vom Frieden, beginnend mit der biblischen Urgeschichte, über Israel als auserwähltes Volk (als „Ort des wahren Friedens“), Jesu Leben, Tod und Auferstehung hin zum „Weg der Christen zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“. Auf den hermeneutischen Ansatz wird mit der Bemerkung rekurriert: „Die Heiligen Schriften zeigen nicht nur die Endstation, sondern den ganzen Weg. Nur so haben wir eine Hilfe, selbst immer wieder an der Hand Israels den Weg aus unserer eigenen Gewaltverhaftung zu gehen.“

Biblische Formen des Umgangs mit Gewalt und ihrer Überwindung
Frank Crüsemann zeigt, wie eine in der Tora fundierte biblische Ethik des Friedens und der Gewalteindämmung aussehen kann, ausgehend davon, „dass gerade die so genannten Gewalttexte, überhaupt das angeblich so gewalttätige AT entscheidende biblische Formen des Umgangs mit Gewalt und ihrer Überwindung darstellen“ und die „Weisungen und Modelle zur Überwindung von Gewalt zugleich die Wurzeln von Gewalt erkennen lassen.“

Crüsemann beschreibt „Stationen“ der Gewalteindämmung, beginnend mit Rechtsregeln zur Tötung von Mensch und Tier (Gen 9), über den Dekalog und die gesellschaftlichen Bedingungen zur Verhinderung von Gewalt (Ex 20), der Chance des Rechts (Ex 21), der Klage als religiöser und öffentlicher Verarbeitung von Gewalterfahrung bis hin zur Bergpredigt und der Zivilgesellschaft. Allerdings kommt er nicht umhin zu beklagen, dass selbst „kirchenführende Theologen  ... offenbar niemals die einschlägigen biblischen Texte im Zusammenhang gelesen ... und die antijüdische Lesart neutestamentlicher Texte nie wirklich aufgegeben“ hätten.

“Friede unter Verzicht auf Recht und Gerechtigkeit ist fragwürdig“
Das Ernstnehmen der Tora führt direkt in das gegenwärtige friedensethische Gespräch hinein. Zum einen geht es dabei um die Anerkenntnis der für jede Friedenssicherung zentralen Bedeutung des Rechts. „Frieden entsteht aus Recht, Recht und Gerechtigkeit sind dem Frieden vor- und übergeordnet. Friede unter Verzicht auf Recht und Gerechtigkeit ist fragwürdig.“Und: „Gewaltfreiheit setzt Recht voraus, sie ist immer auf ein geltendes Rechtssystem bezogen und hat nur Sinn in diesem Zusammenhang.“

“Solches Reden allein wird Frieden hervorbringen und garantieren, es muss aber mit einem Minimum von Gewalt, und zwar kalkulierter, kontrollierter und überprüfbarer Gewalt erreicht werden“
Daher gilt für christliche Friedensethik: sie „muss sich an dieser Perspektive ausrichten: Die Bezeugung und Praktizierung eines Zustandes von Recht und Gerechtigkeit für alle als Ziel ist die Perspektive, in der auch die Fragen nach der Gewalt ihren Platz finden. Solches Reden allein wird Frieden hervorbringen und garantieren, es muss aber mit einem Minimum von Gewalt, und zwar kalkulierter, kontrollierter und überprüfbarer Gewalt erreicht werden.“

Biblisch fundierte evangelische Friedensethik, die sich bewähren muss
Ansätze eines Kriegsrechts mit den Elementen von Volksautonomie, Bestimmungen zum Ausschluss vom Kriegsdienst, Schonung der Zivilbevölkerung und Schutz der Lebensgrundlagen finden sich bereits in Dtn 20, ergänzt durch Schutzrechte für weibliche Kriegsgefangene in Dtn 21,10ff..
Eine solcher Maßen biblisch fundierte evangelische Friedensethik könnte – so mein Vorschlag - ihr Wahrheitskriterium darin suchen und finden, wie sie den israelisch- palästinensischen Konflikt zu thematisieren versteht.







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