Krieg, Frieden oder ein Dritter Weg?

35. Deutscher Evangelischer Kirchentag in Stuttgart 03.-07.06.2015

Vor 65 Jahren, 1949, wurde der Kirchentag gegründet von Reinold Thadden-Trieglaff, der ein führendes Mitgleid der Bekennenden Kirche war, und Freunden.




Glaubenssachen (NDRkultur)
Sonntag, 21. Dezember 2014, 08.40 Uhr
 

Krieg, Frieden oder ein Dritter Weg?
Die christliche Friedensethik muss sich aus alten Festlegungen befreien
Von Fernando Enns

 
Redaktion: Florian Breitmeier Norddeutscher Rundfunk Religion und Gesellschaft Rudolf-von-Bennigsen-Ufer 22, 30169 Hannover Tel.: 0511/988-2395, www.ndr.de/ndrkultur

- Unkorrigiertes Manuskript - Zur Verfügung gestellt vom NDR
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.

Sprecher:

„Ehre sei Gott und Friede auf Erden!“ – so hören wir „die Menge der himmlischen Heerscharen“ im Lukasevangelium jetzt zu Weihnachten wieder singen. Und können doch nicht recht einstimmen in diesen Lobgesang, weil uns die schrecklichen Bilder nicht aus dem Gedächtnis gehen wollen: ein kniender Mensch in einem orange-farbenen Overall – gleich den Gefangenen in Guantánamo – und sein Henker mit gezücktem Messer neben ihm, der abstruse Hass-Botschaften verkündet. Die Tausenden offensichtlich verängstigten Flüchtlinge, die vor eben diesen, zu allem entschlossenen IS-Kämpfern in ein ausgedorrtes Gebirge geflohen sind, wo sie am Ende womöglich verhungern oder ähnlich bestialisch hingeschlachtet werden.
Andere harren bei klirrender Kälte in notdürftigen Flüchtlings-lagern aus. Die Warnung vor den ersten Wintertoten ist realistisch! – „Ehre sei Gott“ – ja, aber „Friede auf Erden“?

Die Internationale Ökumenische Friedenskonvokation vor drei Jahren hatte diesen Lobgesang als Leitmotto gewählt, nicht, weil die Welt vor drei Jahren weniger gewalt- tätig gewesen wäre – sie war es nicht! – sondern, weil sie sich leiten lassen wollte von dem Bekenntnis, dass Gott eben genau in diese gewaltvolle Welt als Mensch kommt, nicht nur in die fein geschmückten Wohnzimmer und Kaufhäuser bei uns, sondern in die versteckten Folterkammern und offensichtlichen Schlachtfelder. Das ist das Wunder von Weihnachten: Die reale Möglichkeit eines „Gerechten Friedens“ für diese Welt!

Aber wie kann diese Botschaft Eingang finden in die so brutalen Gewalt-Realitäten? Steht die Friedensethik hier vor einem echten ethischen Dilemma? Einerseits gilt das unbedingte Tötungsverbot, auch gegenüber Feinden, andererseits das unbedingte Schutzgebot für den Nächsten, auch den Entferntesten.

Die Reaktion der Politik scheint eindeutig! Wir erleben in Deutschland inzwischen einen ungeschminkten Umbau von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee. Während der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz hörte man den Außenminister, die Verteidigungsministerin und sogar den Bundespräsidenten gleichlautend von „Deutschlands gewachsener Verantwortung in der Welt“ reden. Wo die Aufforderung zu mehr „militärischem Engagement“ mit der Notwendigkeit der Verteidigung der bestehenden Weltordnung oder gar mit dem Wohlstand in Deutschland verbunden wurde, führte dies – nicht nur in einigen Kirchen - zu erheblichen Irritationen. Doch selbst prominente Kirchenrepräsentanten forderten jüngst deutsche Waffenlieferungen in eben jene Krisengebiete. Abgesehen von der Frage, ob sich dies alles eigentlich mit dem Buchstaben und dem Geist unseres Grundgesetzes vereinbaren lässt, sind solche Stimmen aus Sicht des christlichen Glaubens und einer theologisch begründeten Friedensethik kritisch zu hinterfragen.

Die kirchlichen Traditionen haben auf diese ethische Herausforderung bekanntlich immer unterschiedlich reagiert. Die einen haben immer gesagt: Hier besteht kein ethisches Dilemma, denn für Christen ist die Gewaltanwendung als Handlungsoption kategorisch ausgeschlossen. Tödliche Gewalt kann niemals als Mittel zum Zweck gerechtfertigt werden, auch nicht zum Schutz des Lebens. Denn so werde Leben gegen Leben gestellt und man maße sich an, darüber zu richten, welches Leben zu schützen und welches mit Gewalt zu bezwingen, notfalls zu zerstören wäre. Dies ist vor allem die klassische Position der Historischen Friedenskirchen, aber auch die vieler in anderen Traditionen.

Diese Position steht freilich in der Gefahr, die eigene Haltung der absoluten Gewaltfreiheit über den geforderten Schutz der Nächsten zu stellen. Schlimmstenfalls kann das in einem Legalismus enden, weil die Not des Nächsten völlig aus dem Blick gerät zugunsten der eigenen, absoluten Haltung.

Im besten Falle aber hilft diese Position, den Blick tatsächlich auf aktive, gewaltfreie Handlungsoptionen zu lenken. Alle Energie und Kreativität zur Entwicklung von zivilen Möglichkeiten, den Nächsten wie den Feind gewaltfrei zu schützen, wird erst dann wirklich freigesetzt, wenn militärische Gewaltanwendung gar nicht mehr in Betracht kommt, auch nicht als „ultima ratio“. – Oft genug wird dieser Weg unter Inkaufnahme des Risikos gewählt, das eigene Leben dabei zu verlieren. Das darf nicht verkannt werden.

Die anderen haben immer gesagt: Leben ist – aus der Perspektive des christlichen Glaubens – immer zu schützen, zur Not eben auch mit militärischer Gewalt. Schuldig würden wir in jedem Falle. Also sei es geradezu eine „Christenpflicht“, sich auf solche Situationen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorzubereiten. Krieg und militärische Einsätze seien nicht im Sinne Jesu, aber in dieser „unerlösten Welt“ müssten sie als letztes Mittel, als „ultima ratio“ doch weiterhin ein- und ausgeübt werden, nicht nur, um sich selbst zu verteidigen, sondern vor allem, um die verwundbarsten Nächsten, die sich selbst nicht schützen können, vor ungerechter Gewalt zu schützen. Dies ist die Position, die vor allem vormalige Staatskirchen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein offiziell vertraten.

Diese Position steht immer in der Gefahr, den Krieg theologisch doch zu legitimieren. Somit wird aber die Ethik einer „besseren Gerechtigkeit“, wie es die Bergpredigt nennt, praktisch außer Kraft gesetzt. Ja, das Zentrum des eigenen Glaubensbekenntnisses – die Erlösung in Christus selbst – wird in Frage gestellt, wenn die „Unerlöstheit dieser Welt“ als Argument für das unerlöste Handeln der Christen ins Feld geführt wird. Denn darum geht es ja im Glauben an Christus, der die Möglichkeit zur Nachfolge Jesu tatsächlich eröffnet: Die Befreiung mitten in der Gewalt dieser Welt zu bezeugen und entsprechend zu leben. Und eben nicht umgekehrt: im Schatten der Unerlöstheit der Welt selbst im Dunkel der Schuld zu verharren. Wenn das nicht ernst genommen wird, dann wird auch hier das ethische Dilemma eigentlich nicht wirklich gesehen. Krieg und militärische Gewaltanwendung bleiben schlicht legitime Handlungsoptionen für Christen, wenn auch als „ultima ratio“.

Es bleibt allerdings auch festzuhalten, dass diese Position im besten Falle daran erinnert, dass die Verantwortung für das Leben der Nächsten tatsächlich auch in meine Hände gelegt sein kann, dass diese Verantwortung auch für die entferntesten Nächsten gilt und dass gerade die Verwundbarsten, die sich selbst nicht schützen können, ein Recht auf den Schutz durch diejenigen haben, die sie schützen könnten. Eine Verweigerung dieses Schutzes wäre – aus der Perspektive des christlichen Glaubens – nicht zu verantworten.

In der internationalen Ökumene haben sich diese Positionen weit angenähert. Dies gelang, wo immer die gängigen und viel zu einfachen Antworten überwunden wurden, wie „schuldig werden wir ja so oder so“ oder „man kann doch nicht Nichts tun!“ Durch das Stellen der ethischen Herausforderung in den weiten Horizont eines verheißenen „Gerechten Friedens“, den die Kirche in der Welt zu bezeugen hat, ist gemeinsam festzuhalten:

Es geht hier nicht mehr um die Frage, ob Krieg legitim sein kann. Er ist es nicht, weder im theologisch-ethischen Sinne legitimierbar, noch im juristischen Sinne legal. Es geht auch nicht mehr um die Frage, ob militärische Gewalt Frieden oder Gerechtigkeit oder gar Sicherheit herstellen kann. Sie kann es nicht. Gewalt selbst trägt kein Konflikt- lösungspotential in sich. Und es geht auch nicht um die falsche Polarisierung von „Gewalt anwenden“ oder „sich verweigern“. Christen wissen sich verantwortlich für die entfernten Schwächsten, aber eben auch für ihre „Feinde“. Diese Verantwortung erfordert Handeln. Demnach geht es also auch nicht mehr um die Frage, ob eine Intervention – allein zum Schutz der Bedrohten – legitim sei oder nicht. Dieser Verantwortung können sich Christen gar nicht entziehen.

Wenn also all diese Fragen in der Ökumene als geklärt gelten dürfen, dann stellt sich die entscheidende Frage zugespitzt so: wie und mit welchen Mitteln kann und darf in diesen Extremsituationen interveniert werden?

Hier scheint zunächst das politische Konzept der Schutzverantwortung, „Responsibility to Protect“, weiter zu führen. Es beinhaltet: Die Verantwortung zur Gewaltprävention, die Verantwortung zur Intervention, und die Verantwortung zum Wiederaufbau nach einem Konflikt.

Nun scheint das Problem aber zu sein, dass sich hier – wiederum entgegen bester Absichten – doch so eindeutige Parallelen zur „Lehre vom gerechten Krieg“ ergeben: Dass diese Lehre hinfällig wurde, lag ja nicht allein an ihrer unbiblischen Verengung auf die Frage, wann denn ein Krieg doch gerechtfertigt sein könnte und der damit einhergehenden Suggestion, es könnte – aus der Perspektive des christlichen Glaubens – überhaupt so etwas wie einen „gerechten Krieg“ geben. Es zeigte sich auch, dass jene Lehre vom gerechten Krieg entgegen ihrer Absicht Kriege gerade nicht eingedämmt hat, sondern stets Legitimationen – durch Politik und Kirche – Vorschub leistete. Die Lehre vom gerechten Krieg wurde missbraucht. Insofern war sie auch nie realistisch, ging schon immer an den harten politischen Realitäten vorbei.

In der Anwendung des so anspruchsvoll ausgearbeiteten Konzeptes der Schutzverantwortung zeigt sich nun, dass dieses Schicksal auch ihm droht: Wer militärische Gewalt weiterhin als Mittel der Politik ansieht und folgerichtig stets mit ins Kalkül zieht – und sei dies auch aus den besten Absichten – bleibt letztlich in den Gewaltlogiken gefangen, die unsägliche Ungerechtigkeit in Kauf nehmen und neue erzeugen. Das hat so weitreichende Folgen wie die sich daraus notwendig ergebende Legitimierung der Waffenproduktion, der Waffenexporte sogar in Krisengebiete, bis hin zur Entwicklung neuer Tötungs-Technologien wie bewaffneter Drohnen. Diese „ultima ratio“-Argumentation „funktioniert“ in der Praxis ebenso wenig wie es die Lehre vom gerechten Krieg tat.

Immer wieder wird hier das Argument der „rechtserhaltenden Gewalt“ ins Feld geführt. Gerade da regt sich aber in der weltweiten ökumenischen Gemeinschaft größte Skepsis: Welches „Recht“ ist eigentlich gemeint? Auf welcher politisch legitimierten Grundlage wird das entschieden? Und am wichtigsten: Stellen sich jene Mächtigen, die militärisch agieren wollen, ebenso unter dieses Recht, wie sie es von anderen einfordern? Die Sorge ist in jüngster Zeit eher gewachsen, dass es am Ende doch um den Rechtserhalt der Stärkeren und Mächtigen geht – die zugleich und im Verhältnis so wenig für die Gerechtigkeit der Lebenschancen tun. Hieraus erwächst bisher also keine glaubwürdige Praxis. Und eben dies stellt dann auch die gesamte ethische Argumentation für das Konzept der Schutzverantwortung wieder in Frage.

Das so genannte Wächteramt wird nur zu erfüllen sein, wenn die Kirche tatsächlich bereit ist, mutig und kritisch diese politische Wahrheit zu sagen. Verzichtet sie darauf, dann kann ihr Zeugnis nicht glaubwürdig werden. Ja, ihre Stimme wird geradezu irrelevant.

Die Friedenskirche der Mennoniten hat gemeinsam mit den Katholiken in der Auseinandersetzung um dieses Dilemma den Vorschlag des „just policing“, der „gerechten Polizeiführung“, entwickelt und in die ökumenischen Debatten eingebracht. Das Konzept basiert auf einer hilfreichen, ja notwendigen Unterscheidung zwischen militärischer Gewalt einerseits und polizeilichem Zwang andererseits .

Denn: nähme man die besten Argumente einer „absolut gewaltfreien Haltung“ ernst, dann würden viele – im äußersten Falle – doch einen polizeilichen Einsatz zum Schutz der unmittelbar Bedrohten als legitim ansehen, wenn bestimmte Kriterien beachtet blieben. Nähme man die besten Argumente der Vertreter eines militärischen Eingreifens als „ultima ratio“ ernst, dann würde erkennbar, dass es auch ihnen letztlich um nichts anderes als um solchen Schutz gehen kann – eine Polizeifunktion, nicht notwendigerweise um militärische Intervention. Stimmen die jeweiligen Motivationen aber derart überein, dann kann man sich jetzt über die Legitimation und Grenzen eines solchen „polizeilichen Zwanges“ verständigen – und diese von militärischer Gewalt eindeutig unterscheiden. In der politischen Praxis wie in der ethischen Diskussion ist es gerade die Vermischung dieser verschiedenen Dimensionen, die eine sorgfältige Abwägung auch aus christlicher Perspektive immer wieder so schwierig macht und uns voneinander trennt.

Eine internationale (!) Polizeikraft müsste kontrolliert sein durch das internationale Recht der internationalen Gemeinschaft, gebunden an die unbedingte Einhaltung der Menschenrechte und das reklamierte Gewaltmonopol dieser Gemeinschaft. Sie würde nicht den Anspruch erheben, einen Konflikt zu lösen, sondern nur die Verwundbarsten vor unmittelbarer Gewalt zu schützen. Sie dürfte nicht als Partei oder Aggressor eingreifen oder so wahrgenommen werden, sondern allein auf Gewalt-Deeskalierung zielen und daher selbst so wenig Zwang wie möglich ausüben. Sie suchte nicht den Sieg über andere, sondern strebte danach, gerechte „win-win-Lösungen“ zu ermöglichen.

Dies erforderte freilich eine völlig andere Ausstattung und Ausbildung, als die des Militärs. Massenvernichtungswaffen haben hier keinen Raum. Wenn irgend möglich, sollte auf Waffenanwendung ganz verzichtet werden. Schulungen in gewaltfreier Konfliktlösung, Selbstverteidigung ohne zu töten, ein konstruktiver Umgang mit Stresssituationen, der das Vertrauen der zivilgesellschaftlichen Kräfte nicht verspielt und Kultursensibilität sind nur einige erforderliche Qualifikationen. Und: ein solches Eingreifen verfolgte tatsächlich keinerlei andere politische Ziele als allein dieses, Menschen zu schützen und der Aufrichtung von Recht und Gerechtigkeit – eine Chance zu verleihen. All dies wäre nicht zuletzt gemeinsam mit den Betroffenen zu definieren.

Sicherlich ist das Konzept der gerechten Polizeiführung noch nicht die letzte Weisheit auf die gestellte ethische Herausforderung. Aber hier eröffnet sich doch ein möglicher Weg, in dieser so wichtigen Debatte eine Richtung zu wählen, die die gängigen argumentativen Sackgassen hinter sich lässt, nicht nur in der Ökumene, sondern auch und gerade im Dialog mit der Politik.

Entscheidend bleibt, dass diese extremen Ausnahmesituationen tatsächlich vom Zentrum des christlichen Glaubens und Bekennens herkommend ausgelotet werden. Der Weltkirchenrat hat während seiner Vollversammlung im südkoreanischen Busan im vergangenen Jahr die Kirchen und „alle Menschen guten Willens“ zu einem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens eingeladen – und sich selbst zu diesem verpflichtet. Hier ist die Erkenntnis leitend, dass wir Gerechtigkeit und Frieden nicht als zu erreichende Zustände auffassen. Nein, der Weg der Kirchen in dieser gewalt-vollen Welt soll selbst von Gerechtigkeit und Frieden gekennzeichnet sein. Nicht nur unsere Ziele, sondern bereits unsere Wege und Mittel – auch in den Extremsituationen – müssen gerecht und friedlich sein, wenn denn überzeugend und glaubwürdig das Leben und die Würde nicht nur des Nächsten und des zu Schützenden, sondern auch des Feindes im Blick bleiben sollen. Eine christliche Friedensethik kann diesen Anspruch niemals ausblenden.

Das ethische Dilemma besteht – zumal für die Kirchen und Christen – demnach nicht in der scheinbaren Alternativlosigkeit zwischen „nichts tun“ oder „militärisch eingreifen“. Dorothee Sölle hat dies treffend mit dem folgenden Gedicht beschrieben. Es heißt „Der Dritte Weg“:

Zitatorin:
 
Wir sehen immer nur zwei wege
sich ducken oder zurückschlagen
sich kleinkriegen lassen
oder ganz groß herauskommen
getreten werden oder treten

Jesus du bist einen anderen weg gegangen
du hast gekämpft aber nicht mit waffen
du hast gelitten aber nicht das unrecht bestätigt
du warst gegen gewalt aber nicht mit gewalt

Wir sehen immer nur zwei möglichkeiten
selber ohne luft sein oder andern die kehle zuhalten
angst haben oder angst machen
geschlagen werden oder schlagen

Du hast eine andere möglichkeit versucht
und deine Freunde haben sie weiterentwickelt
sie haben sich einsperren lassen
sie haben gehungert
sie haben spielräume des handelns vergrößert

Wir gehen immer die vorgeschriebene bahn
wir übernehmen die methoden dieser welt
verachtet werden und dann verachten
die andern und schließlich uns selber

Lasst uns die neuen wege suchen
wir brauchen mehr phantasie als ein rüstungsspezialist
und mehr gerissenheit als ein waffenhändler
und lasst uns die überraschung benutzen
und die scham die in den menschen versteckt ist

Dorothee Sölle
 
Sprecher:

Wenn wir, die Christen, die Kirchen, uns nicht auf diesen Dritten Weg machen, dann riskieren wir, an der Wahrheit der Weihnachtsbotschaft vorbei zu laufen. „Ehre sei Gott – und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14).

* * *

Zum Autor:
Dr. Fernando Enns ist Professor für (Friedens-) Theologie und Ethik an der Freien Universität Amsterdam und Leiter der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen im Fachbereich Ev. Theologie der Universität Hamburg. Seit 1998 ist er Mitglied des Zentralausschusses des Weltkirchenrates.

Hier als pdf-Datei.