2014: InterConf Sendai: Nachprogramm


International Conference on the East Japan Disaster
March 11-14, 2014    In Sendai,   Japan.

 

Nachprogramm Sendai Conference

 
Nach dem Schlussgottesdienst in der Tohoku Gakuin University verabschiedeten sich die japanischen Teilnehmer. Ein Bus voller ausländischer Gäste brach zusammen mit den Gastgebern auf nach Ishinomaki, eine vom Tsunami besonders schwer getroffene Region. Hier hatten sich die Wassermassen auf sieben Meter, teilweise sogar bis zu zwanzig Meter Höhe aufgetürmt und ungefähr 45% der Stadt überflutet.

Erste Station war die Public Relations-Abteilung des Atomkraftwerks Onagawa. Es liegt zwischen Ishinomaki und Onagawa am Pazifik in einem Gebiet, das für seine hohe seismische Aktivität bekannt ist. Das Epizentrum des großen Seebebens am 11. März 2011 befand sich etwa 75 km vom AKW entfernt. Erdbeben und Tsunami, heißt es jedoch in der Besucherinformation des Betreibers Tohoku Electric Power, fügten der Anlage keinen nennenswerten Schaden zu.

In der kleinen Kirche von Ishinomaki erläuterte anschließend Professor Hironori SHINOHARA (Miyagi Wind) die Situation im AKW Onagawa nach 3/11. Nach seinen Informationen kam es infolge eines Nachbebens zu einer Unterbrechung von vier der insgesamt fünf elektrischen Leitungen, die das AKW mit Strom versorgen. Außerdem schwappte radioaktiv kontaminiertes Wasser aus einem Reaktorbecken.

Dies machte anschaulich, was auf der Konferenz mehrfach Thema gewesen war: wie von den Behörden und Institutionen relevante Informationen manipuliert, Menschen in Gefahr gebracht und dabei in falsche Sicherheit gewiegt werden.

Eine freie Berichterstattung über die radioaktive Verseuchung nach Fukushima Daiichi und ihre Folgen, ja selbst über Opferzahlen wird in Japan immer schwieriger, insbesondere seit die Regierung im Dezember 2013 ein umstrittenes Geheimhaltungsgesetz verabschiedet hat. Damit soll Gefahr für die nationale Sicherheit abgewandt werden, so die offizielle Begründung. Kritiker bemängeln jedoch die Schwammigkeit des Gesetzes, von dem niemand weiß, was genau es verbietet. „Das Gesetz selbst ist das Geheimnis“, mutmaßte ein Teilnehmer in einem Anflug von Galgenhumor. Atomkraftgegner sehen Grund zu der Annahme, dass das Gesetz eigens zu dem Zweck geschaffen wurde, das damalige und aktuelle Katastrophenmanagement der Regierung zu verschleiern.

Die Konferenzteilnehmer besuchten zudem mehrere Gedenkstätten für die Opfer des Tsunami, darunter die Okawa Elementary School, die einige Kilometer landeinwärts liegt. Dass ein Tsunami bis hierher kommen würde, hatte sich niemand vorstellen können. Doch der Platz am Fluss, zu dem die Lehrer nach dem Erdbeben die Kinder führten, wurde direkt von der Riesenwelle getroffen. Es starben 70 von 108 Kindern und zehn der zwölf Lehrer. Weitere vier Kinder werden noch vermisst. Die meisten der überlebenden Kinder waren nach der Tsunami-Warnung von ihren Eltern abgeholt worden und hatten deshalb überlebt. Einige wurden vom Tsunami an feste Orte gespült. Einer der überlebenden Lehrer nahm sich später das Leben.

In der Gemeinde und Stadt Ishinomaki kamen fast 3000 Menschen ums Leben, davon über 1000 Schüler und Lehrer. Noch einmal annähernd 3000 wurden vermisst, etwas weniger als 30 000 Häuser zerstört. Je nach Informationsquelle variieren die Zahlen geringfügig. Doch was sich hier ereignete, ist mit Worten und Zahlen ohnehin nicht zu erfassen.

Am Ende stand noch eine Pressekonferenz von Journalisten der Free Press Association Japan in Tokyo mit der deutschen Medizinerin Dörte Siedentopf, die auf langjährige Erfahrungen in der Behandlung der Opfer von Tschernobyl zurückblickt. Sie unterstrich einmal mehr die Wichtigkeit von Informationen – auch und gerade im Bereich der Früherkennung von Schilddrüsenanomalien bei Kindern. Entsprechende Untersuchungen nur alle zwei Jahre durchzuführen, wie derzeit von den japanischen Behörden vorgesehen, sei zu wenig. Dies müsse in einem Turnus von sechs Monaten geschehen, damit man Veränderungen schnell genug erkenne und darauf reagieren könne. Alles andere sei Kindern und Eltern gegenüber nicht zu verantworten.

Das Gesamtprogramm der Konferenz mit nachfolgender Exkursion umfasste ein weites Spektrum von Themen, die mit der Dreifachkatastrophe und ihren Folgen im Zusammenhang stehen. Was bleibt, ist für alle Teilnehmer ein tiefer Eindruck der Traumata in der betroffenen Bevölkerung. Darüber hinaus gibt es die vorsichtige Hoffnung, dass genügend Menschen den Mut finden, den Schutz von Leben, Gesundheit und Umwelt über herrschende soziale Normen und Autoritäten zu stellen. Dies mag in Japan schwieriger sein als in Deutschland – unmöglich hingegen ist es nicht.