ST2014-Bad Boll: Östl. Naturmystik

Studientagung in Bad Boll
22.- 24. April 2014

"Östliche Naturmystik"
Lutz Drescher


„Wenn wir das Wunder
einer einzigen Blume
klar erkennen könnten,
würde sich unser ganzes Leben ändern“
Stephen Hawkins (?)

Liebe Freundinnen und Freunde,

„transformative Spiritualität“ ist ein Stichwort, das seit der ÖRK Vollversammlung in Porto Allegre 2007 immer wieder einmal durch die Landschaft geistert. „Gott in deiner Gnade verwandle die Welt „transform the world“ war damals Thema.

Was transformative Spiritualität ist und wer wie verwandelt wird, dass wird uns noch beschäftigen. Ich bin bereits sehr gespannt, was uns Almut Bretschneider Felzmann nachher dazu sagen wird. Heute Nachmittag steht zuerst die Frage auf der Tagesordnung, ob und wie Impulse aus Ostasien auf der Suche nach einer solchen transformativen Spiritualität hilfreich sein können. Wir werden dazu keine langen Vorträge hören, sondern „Räume der Erfahrung“ eröffnen.

Vier solcher Räume werden uns offen stehen unter den Überschriften:

Sprechende Bilder
Lebendige Worte
Fließende Klänge
Meditative Versenkung

Ich werde darauf zurückkommen.

Mir kommt nun die Aufgabe zu, in dieses Thema einzuführen – was gar nicht so leicht ist. Groß ist die Gefahr „orientalistischer Verklärung“, von der Gelehrte der vergangenen Jahrhunderte unter ihnen auch Richard Wilhelm, Schopenhauer und Schleiermachen nicht ganz frei waren, als sei alles was aus dem Osten kommt per se besser.

Wir wissen ja aus dem was wir gehört haben, dass auch und gerade in Ostasien die Zerstörung der natürlichen Grundlagen ein erschreckendes Maß erreicht hat. Vermutlich gilt es für uns im West und Ost gleichermaßen, dass es wichtig sein dass wir lernen

• neu über das Geheimnis von Natur und Schöpfung zu staunen
• eine tiefe Liebe zu entwickeln, zu allem was lebt
• die Illusion aufzugeben, wir stünden der Natur und Schöpfung gegenüber
• zu erkennen, dass wir vielmehr Teil derselben sind.

Inwiefern kann uns dabei ein Blick in die ostasiatischen Traditionen helfen:

Ich möchte nach einigen einführenden Bemerkungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, vier solcher „Einblicke“ nennen. Diese korrespondieren auch mit den anschließenden Einladungen und Angeboten zur Vertiefung.

In Korea ist mir aufgefallen, wie oft ein Begriff, den wir hier kaum benutzen in Predigten vorkommt. Es ist der Begriff „Yukshim“ „Gier“ und gepredigt wird dann regelmäßig darüber, dass wir unseren „Yukshim borinda“ unsere „Gier loswerden“ sollen. An dieser Stelle wird deutlich, dass das Koreanische Christentum nicht nur von Konfuzianismus und Schamanismus geprägt ist, sondern auch vom Buddhismus, in dem der Begriff der Gier und sein Gegenbegriff der des Loslassens eine große Rolle spielen. Zuerst einmal klingt „Lass deine Gier“ in unseren Ohren moralisch, aber im Zusammenhang mit dem Thema, dem wir uns hier widmen leuchtet es uns wohl unmittelbar ein, dass eine Kultur, die ganz einseitig auf Konsum, auf Mehr und Mehr, auf ungebremstes Wachstum setzt und dabei permanent die Konsumwünsche der Bevölkerung anstachelt, nicht nachhaltig ist. Gandhi sagt dazu:
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, jedoch nicht für jedermanns Gier.“

Und ins Positive gewendet sagt Laotze:

Ich habe drei Schätze, die ich hüte und hege.
1. Der eine ist die Liebe,
2. der zweite ist die Genügsamkeit,
3. der dritte ist die Demut.

Demut „Humilitas“ in Latein, das Wissen, dass wir von der Erde kommen, aus „humus“ - was Wortstamm von Humilitas ist – geschaffen sind und zu Erde werden, das braucht uns nicht zu deprimieren, sondern kann zutiefst befreiende wirken. Wir rücken uns damit ins rechte Licht, es bewahrt uns vor Selbstüberschätzung, kann uns genügsam machen und was noch viel mehr ist, „dankbar“.

Nochmals Laotse:
Nur der Liebende ist mutig.
Nur der Genügsame ist großzügig.
Nur der Demütige ist fähig, zu herrschen

Demut – Humilitas – Humus –Erde bleiben wir noch einen Moment dabei: In der westlichen Rezeption ostasiatischen Denkens wird oft die Einheit von Himmel und Mensch beschworen, ohne auf die damit verbundenen Hierarchien und die tiefer liegenden Vorstellungen einzugehen. Zwei kritische Einsprüche aus Korea wo man sich ja immer an der chinesischen Vorherrschaft abgearbeitet hat: „Der Mensch ist der Himmel“ (Innaechon) hat man in den Bauernaufständen im 19Jhdt. proklamiert und dagegen protestiert, dass der Mensch einem auf Erden regierenden vermeintlich himmlischen Kaiser untertan sein soll. „Shin To Pul I“ Mensch und Erde sind nicht zwei, ein ebenfalls uraltes Wort, mit dem die Notwendigkeit in der heutigen Ökologiebewegung in Korea unterstrichen wird. lokal oder regional auf heimischem Boden produzierte Lebensmittel „zu sich zu nehmen“. Wir konsumieren keine Lebensmittel, wir nehmen sie zu uns, wir „verleiben sie uns ein“! Wir würden anders einkaufen und essen wenn uns dies immer so klar wäre. Dass Himmel, Erde, Mensch in einer tiefen Beziehung zueinander stehen, auch wenn es dazu romantisierende und verklärende Vorstellungen gibt, wenn wir des realisieren, dann wird auch dies uns transformieren und mit uns die Welt.

Nun zu den Einblicken:

Beginnen möchte ich mit einem Bild, das in meinem Wohnzimmer hängt und das ich sehr liebe:

„San Su Hwa“ heißen solche Bilder auf Koreanisch: „Bilder von Bergen und Wasser“. Was sehen Sie? Schroffe Berggipfel; Die Silhouetten von Bäumen; Nebel; ein Wasserfall, einen Weg, ein Haus mit erleuchteten Fenstern und ganz klein der Mensch! Er dominiert nicht, steht der ihn umgebenden Landschaft nicht gegenüber, sondern ist Teil von ihr, ist Teil des Ganzen. Mich selbst so begreifen, dass ich Teil des Ganzen bin, das wird mich verwandeln und verwandelt die Welt. Dieser kleine Mensch ist übrigens nicht passiv, er hat einen Rechen oder eine Schaufel auf dem Rücken, er kultiviert die Natur…. Kultur und Natur, das muss kein Gegensatz sein.

Noch zwei weitere Assoziationen:
Es ist wohl kein Zufall, dass er direkt über dem fließenden Wasser gezeichnet ist. Fließendes Wasser steht für Wandel, passiv und aktiv und wir als Menschen haben Teil an diesem Wandel, sind in ständiger Veränderung begriffen. Das zulassen, sich nicht verhärten, sich dem öffnen…. Das ist Leben. Mir fällt eine Gedichtzeile von Rilke ein, die ich vor fast vierzig Jahren einmal auswendig gelernt habe:

Wie klein ist es womit wir ringen,
wie groß ist das, was mit uns ringt
Ließen wir uns ähnlicher der Dingen,
so vom großen Sturm bezwingen,
wir würden weit und namenlos.

Wenn wir uns das Bild genau anschauen, so ist da vergleichsweise viel leerer Raum. Kein Bild ohne den leeren Raum. Keine Musik ohne Stille. Keine Fülle ohne das Nichts. Kein Gebet ohne innere Offenheit und ein Hören des Herzens.

Von weitere „Sprechenden Bildern“ können Sie sich nach her ansprechen lassen.

2. Eine ganz schlichte und einfach Vase aus Korea. Leer.

Dazu ein Text aus dem Tao Te King:

Ton knetend formt man Gefäße.
Doch erst ihr Hohlraum, das Nichts, ermöglicht die Füllung.
Aus Mauern, durchbrochen von Türen und Fenstern, baut man ein Haus.
Doch erst sein Leerraum, das Nichts, gibt ihm den Wert.
Das Sichtbare, das Seiende, gibt dem Werk die Form.
Das Unsichtbare, das Nichts, gibt ihm Wesen und Sinn.

Noch eine kleine Geschichte:
Als Bodhidharma, in Japan „Daruma“ genannt, der erste Patriarch des Zen aus Indien in China ankam, ging ihm der Kaiser – so sagt die Legende – bis an die Grenzen seines Reiches entgegen. Der Kaiser berichtete stolz von seinen vielen Gründungen buddhistischer Klöster. Bodhidharma blieb unbeeindruckt. Schließlich fragte ihn der Kaiser: „Was ist Neues und Heiliges an der Lehre die du uns mitbringst. Bodhidharma antwortete ihm: Nicht Heiliges, nur offene Weite“.

Lebendige Texte:
weitere solcher Texte (und Geschichten) können sie hören, lesen, gestalten in der anschließenden Gruppe, die Eva Ursula Krüger moderieren wird.
Eva Ursula eine Einladung dazu:

3. In West und Ost sind wir in der Gefahr, fixiert zu sein auf das, was wir machen,
begreifen können, auf das was wir vorzeigen können und sind damit mit Äußerlichkeiten befasst. Dem setzt vor allem der Daoismus das Konzept des Wu Wei entgegen. Dies asls „Nichtstun“ zu übersetzen, würde den Sinn verfehlen. Es geht um ein „Handeln ohne zu handeln“, was nichts mit Passivität zu tun hat, sondern ein Handeln meint, in dem der Mensch im „Einklang“ ist mit sich selbst mit dem Himmel und der Erde.

„Ein Klang“ damit sind wir bei der Musik und bei den fließenden Klängen.

Ich lade Reinhardt Krüger, der sich in den letzten zehn Jahren seit wir uns kennen, auch intensiv mit Klängen vor allem aus China befasst hat ein, eines seiner Stücke zu spielen.
Reinhardt:

4.Meditative Versenkung,
dies ist die Überschrift unter der sich die vierte Gruppe versammeln wird. Dazu viele Worte zu machen ist, dem um was es geht nicht angemessen. Tobias Eckerter, Vikar aus der badischen Landeskirche hat über die EMS an dem interreligiösen Studienprogramm in Jopan teilgenommen und später ein halbes Jahr in einem der Zen Klöster verbracht.

Tobias:

Meditation ist nur scheinbar eine Abkehr von der Welt, Richtig praktiziert kann sie dazu führen, dass wir uns ganz intensiv verbunden fühlen mit allem was lebt.
Daran erinnert auch das Boddhisattva Gelübde, das am Morgen in den Zen Klöstern rezitiert wird:
Zahllos sind die Lebewesen, ich gelobe, sie alle zu retten.
Grenzenlos sind eitle Verhaftungen, ich gelobe, sie alle zu lassen.
Unzählbar sind die Tore der Weisheit, ich gelobe, sie zu durchschreiten.
Unübertroffen ist der Weg des Erwachens, ich gelobe, ihn zu gehen

Lutz Drescher, Studientagung Bad Boll, April 2014 drescher@ems-online.org




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