Begegnungstagung 2010: Bericht Heinrich Busch

Heinrich Busch

Bericht von der Tagung
"Faszination Buddhismus - Erfahrungen
im christlich-buddhistischen Dialog"

17. bis 19. Februar 2010
Evangelische Akademie Arnoldshain



Vom 17.-19. Februar 2010 fand in der Evangelischen Akademie in Arnoldshain eine Tagung zum Thema "Faszination Buddhismus - Erfahrungen im christlich - buddhistischen Dialog" statt. Das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS), das Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und die EKHN hatten dazu Vertreter beider Religionen eingeladen und moderierten die Tagung (Dr. Martin Repp, Zentrum Ökumene; Pfr. Dr. Hermann Düringer, Evangelische Akademie Arnoldshain; Lutz Drescher, EMS). Im Zentrum stand der japanische Buddhismus und seine Erscheinungsformen.

"Was fasziniert uns im Westen am Buddhismus?" - Mit dieser Frage setzten sich die Teilnehmenden zu Beginn der Tagung auseinander, und es zeigte sich, dass hier viele verschiedene faszinierende Elemente zusammentreffen. Als Spezialist für japanische Religionen fasste Dr. Martin Repp zusammen, wie der Buddhismus in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird: Der Buddhismus kommt deshalb so gut im Westen an, weil man ihm zutraue

  • Ruhe in einer gestressten Alltagswelt zu vermitteln 

  • Seelenfrieden herzustellen, der wiederum Voraussetzung für Weltfrieden wäre

  • Rezepte auf Identitäts- und Lebenskrisen zu geben

Im Gespräch wurden weitere positive Wahrnehmungen evident: Er sei besser mit dem modernen Weltbild vereinbar als das Christentum und strahle große Weisheit und Mitgefühl aus. Besonders positiv wurde gewertet, dass man als Buddhist lerne, sich auf das zu konzentrieren, was gegenwärtig "dran" sei. Doch auch Widerständiges zeigte sich bei den Zuhörern. So äußerten sie Anfragen an das diakonische und soziale Engagement dieser Religion, an den mangelnden Umgang mit Schuld ("Gnadenlosigkeit"), an die Deutung des Lebens als Leiden. Neben den Stärken des Buddhismus kam auch Skepsis gegenüber buddhistischer Praxis auf: Sie eigne sich höchstens ergänzend zum Christentum. Der Buddhismus enthalte nichts, was nicht auch das Christentum bieten könne. Insgesamt - so hielt Dr. Martin Repp fest - weisen die Äußerungen auf Defizite unserer westlichen Gesellschaft (Rastlosigkeit; Verunsicherung der Identität; mangelnde Sinnvermitt­lung u.a.) und der heutigen christlichen Praxis hin (Probleme mit Dogma; mangelnde praxis pietatis; fehlender ganzheitlicher Ansatz, der Geist, Herz und Körper anspricht, u.a.).

Um das westliche Bild desBuddhismus zu verstehen, zeichnete Dr. Martin Repp das "Eintröpfeln" des Buddhismus nach Europa nach. Mit der Jesuitenmission Ostasiens im 16./17. Jahrhundert sind die ersten Berichte über den Buddhismus nach Europa gekommen. Philosophen wie Schopenhauer machten ihn fruchtbar für ihre Philosophie. Somit gilt gerade Schopenhauer als Wegbereiter des Buddhismus im Westen. Er war einer der ersten, der einen Buddha in seinem Wohnzimmer aufstellte. Im dritten Reich wurden die Buddhisten verfolgt, eh sich danach die ersten buddhistischen Gemeinden und der buddhistische Dachverband gründeten. Ab den 70ern entstanden auch verstärkt Migrantengemeinden, denen es besonders auch um die eigene Lebensbegleitung durch den Buddhismus ging. Heute wird der Buddhismus gerne auch für Werbezwecke genutzt. Er repräsentiert eine Art Trendreligion und wächst so stark wie keine andere Religion.

Da Buddhismus besonders einen Weg, eine Praxis darstellt, vermittelte Doris Dörries Film "Erleuchtung garantiert" einen Einblick in die Praxis von Buddhisten. Dass sich Elemente buddhistischer Praxis sozusagen als Frucht interreligiösen Dialogs und als Folge vertiefter christlicher Glaubenserfahrungen auch ins Christentum übertragen lassen, vermittelte Jef Boeckmans, Trapistenmönch, der nicht nur in den Zen-Buddhismus einführte, sondern ihn aufgrund seiner "Gnadenlosigkeit" auch kritisch anfragte und schließlich die Frage stellte, ob der Zen-Buddhismus überhaupt eine Religion oder vielmehr nur eine Technik sei: Bud­dha war schließlich der einzige Religionsgründer, der gesagt hat: "Glaubt nicht! Sondern praktiziert und macht Erfahrung!" Jeden Morgen lud Jef Boeckmans die Anwesenden ein, selbst die Technik des Zen zu praktizieren - freilich als christliche Glaubenspraxis.

Eine weitere Spielart des japanischen Buddhismus beschrieb Sadataka Ichikawa, Priester des Reine-Land-Buddhismus aus Kyoto: Der Reine-Land-Buddhismus sei im Gegensatz zum Zenbuddhismus eine Praxis, die nicht auf die eigene Kraft (jiriki) vertraue, sondern sich ganz auf das Prinzip des tariki, der fremden Kraft, der Kraft Buddhas verlasse. Wer im Rezitieren des Namens Amida Buddhas auf dessen Kraft vertraue, könne nach dem Tod in das Reine Land eingehen - dem idealen Ort zum Praktizieren religiöser Übungen, um schließlich das Nirwana zu erreichen. Tariki hat dabei verblüffende Parallelen zur protestantischen Lehre, allein auf Gottes Gnade zu vertrauen.

Der zweite Teil der Tagung kreiste um Erfahrungen aus dem interreligiösen Dialog aus christlicher wie aus buddhistischer Perspektive. Sadataka Ichikawa führte den Standpunkt des Reine-Land-Buddhismuses zu anderen Religionen aus. Andersgläubige seien wie Laien unzureichend religiös, weswegen sie auf tariki, die andere Kraft, angewiesen seien. Doch folge man logischerweise der Doktrin, der man qua Geburt karmisch nahe sei: Im Westen wäre das karmische Umfeld das Christentum. Wer möglichst schnell ins Reine Land gelangen wolle, solle den Namen Amida Buddhas rezitieren. Als Anfrage an das Christentum formulierte Sadataka Ichikawa, dass Menschen transzendente Dinge nicht wissen könnten und dass deshalb dogmatische Diskussionen im Christentum schwierig seien.

Wie ganz praktisch interreligiöser Dialog aussehen könnte, das erfuhren die Anwesenden, als ehemalige Teilnehmende des Interreligious Studies in Japan Program (ISJP) von ihren sehr persönlichen Erfahrungen mit anderen Religionen und christlichen Gemeinden infolge des Studienprogramms berichteten. Das Programm bietet Studierenden der Theologie, der Religionspädagogik und der Religionswissenschaften die Möglichkeit, in Kyoto über ein Semester lang die Religionen Japans zu studieren und das Gemeindeleben von Christen in einer Minderheitensituation kennenzulernen. Neben den Vorlesungen bei Experten umliegender Universitäten bieten vielfältige Kontakte, Exkursionen und nicht zuletzt Gemeindepraktika dafür eine ideale Voraussetzung.

Beeindruckt hat Shakuhachi-Meister Dr. Jim Franklin, der mit fernöstlichen Klängen aus seinen Bambusflöten die Zuhörer in Bann zog. Diese Flöten wurden früher von japanischen Mönchen gespielt. Das Konzert war nicht nur reine Musik, sondern hatte auch meditativen Charakter.

In einer Podiumsdiskussion bündelten sich am Ende der Tagung die sehr persönlichen Dialogerfahrungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse der anwesenden Experten. Die Wissenschaftler, buddhistischen Priester, Zen-Meister und Pfarrer stellten sich dabei den Fragen aus dem Publikum. Letztlich - so der Praktische Theologe Prof. Dr. Marcel Martin - sei der Grundcode des Dialogs nicht die Frage, ob wahr oder falsch, nicht die Frage nach Moral und auch nicht die Frage nach Ästhetik. Der Grundcode für Interreligiösen Dialog sei die Frage nach Leben und Tod. An dieser Stelle sei der interreligiöse Dialog am steilsten, aber auch am notwendigsten.

Die Tagung "Faszination Buddhismus - Erfahrungen im christlich - buddhistischen Dialog" hat gezeigt, wie fruchtbar und wichtig interreligiöser Dialog sein kann. Denn in der Auseinandersetzung mit anderen Religionen, mit ihren faszinierenden und vielleicht auch bedenkenswerten, ja widerständigen Seiten kann sich der eigene Glaube vertiefen und die eigene Glaubenspraxis erneuern.

Heinrich Busch, Pfr. z.A.