2011: Kaiserswerth -Bericht RHEE

Bericht der Diakonia Schwesternschaft in Korea
bei der 41. Kaiserswerther Generalkonferenz in Düsseldorf.

Zum 150. Geburtstag der Kaiserswerther Generalkonferenz (des Kaiserswerther Verbandes) gratuliere ich herzlich! Ich bin Gott mit Ihnen dankbar, dass ich diesen Anlass und diese Freude mit Ihnen zusammen feiern darf. Ich bin auch sehr dankbar, dass Sie Schwester Kim Jeong-Ran und mir durch Ihr Gebet und Ihre finanzielle Unterstützung die Möglichkeit geschenkt haben, an der Konferenz teilzunehmen.

Wir, die koreanische diakonische Schwesterngemeinschaft (Diakonia Schwesternschaft in Korea), haben am 1. Mai dieses Jahr mit einem Gottesdienst den 31. Jahrestag unseres Bestehens gefeiert. In den vergangenen 30 Jahren hat sich Korea von einer Militärdiktatur in eine demokratische Gesellschaft verwandelt. Auch haben sich die verhärteten Nord-Süd-Beziehungen durch Gespräche und wirtschaftliche Zusammenarbeit verbessert und in allen verschiedenen Lebensbereichen werden die großen Bemühungen um die Wiedervereinigung sichtbar. 

In den letzten Jahren ergaben sich infolge des rapiden wirtschaftlichen Wachstums aber auch erhebliche soziale Probleme. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt rasch an und der Zuwachs bei der älteren Bevölkerung hat bereits das Niveau der fortschrittlichen (westlichen) Wirtschaftsmächte erreicht. Die ausländischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die meistens aus wirtschaftlichen Gründen aus Südostasien nach Korea gekommen sind und auch wegen der stark rückläufigen Geburtenrate bei uns, haben unser Land in eine multikulturelle Gesellschaft verwandelt. Dieser rasche Wandel hat auch Auswirkungen auf die kirchliche Landschaft. In den evangelischen Kirchengemeinden ist allmählich eine Abnahme des Kirchenwachstums zu beobachten, dafür aber – so hoffen wir – eine Zunahme an Qualität.

Im Jahre 1980 wurde unsere Schwesterngemeinschaft gegründet während einer Zeit, als unter der Militärdiktatur Korruption und Ungerechtigkeit sich immer mehr ausbreiteten. Arbeiter und Arbeiterinnen in den Städten mussten mit Billiglöhnen auf Leben und Tod um ihr Überleben kämpfen. Und die Landwirte erfuhren durch die rasante industrielle Entwicklung eine immer größere Entfremdung von ihrer eigentlichen Aufgabe. Die Menschenrechte wurden damals überall mit Füßen getreten.

Prof. Dr. Byung-Mu Ahn, einer der Väter der Minjung-Theologie und auch Begründer der Diakonia Schwesternschaft spürte die Schmerzen der leidenden Menschen, wie seine eigenen, und wollte für sie zum wahren „Nächsten“ werden. So haben wir Schwestern damals beschlossen, uns ganz an die Seite der Leidenden zu stellen und so Jesus nachzufolgen, der selber ganz nah mit dem „leidenden„Minjung“ gelebt und gelitten hatte. Die folgenden Leitsätze lassen vielleicht etwas erkennen von unserer Grundhaltung und unserem Bekenntnis:

Wir leben vor Gott (im Angesicht Gottes) und mit unseren Nächsten, ( also denen, die in unserem Umfeld uns zu Nächsten geworden sind).
Wir stehen vor Gott und suchen die wahre Liebe, die wahre Kirche, die wahre Gemeinschaft.
Wir versuchen zu leben, was Jesus in Markus 8:34 fordert:
„Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich.“
Wir leben in einer Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern zusammen und dienen einander.
Wir lieben unsere Nächsten wie uns selbst.

Wie in den Leitsätzen zum Ausdruck gebracht, stellen wir uns ganz und gar in den Dienst an unseren Nächsten und versuchen Leid zu lindern und Schwierigkeiten zu überwinden helfen.

Wir begannen unsere Arbeit unter Patienten, die schwer an Tuberkulose erkrankt waren und physisch und auch psychisch Hilfe und Unterstützung brauchten. Wir erkannten bald, dass die Lebensumstände, aber auch die Lebensgewohnheiten der Patienten ursächlich mit ihrer Erkrankung zu tun hatte. Deshalb begannen wir Hausbesuche zu machen und klärten die Menschen darüber auf, wie sie ihre Essgewohnheiten ändern können, die Hygiene verbessern, Gesundheitsvorsorge praktizieren können und was bei der Kindererziehung wichtig ist. Nach und nach entwickelten wir für die durch Armut und Krankheit zerstörten Familien ein Sozialhilfeprogramm und ein Stipendienprogramm für Kinder und Schüler. Parallel dazu haben wir in ländlichen Gebieten eine kommunale Gesundheitsversorgung aufgebaut und Entwicklungsprojekte, die der armen Bevölkerung zugute kamen.

Zusätzlich begannen wir durch die Beauftragung der Stadt Mokpo armen alten Menschen und auch Wohnungslosen täglich eine warme Mahlzeit anzubieten. Daraus entstand mit der Zeit ein Fürsorgeprogramm, das weit über die Verteilung von Essen hinausging. Es entstand ein Senioren-Kommunikationszentrum, dessen Arbeit von freiwilligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus der ganzen Region Mokpo und darüber hinaus, getragen wurde. Viele der Freiwilligen konnten wir aus den Kirchengemeinden rekrutieren. Von dort kamen auch viele Spenden. Durch die gute Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kirchengemeinden entstand eine ökumenische Bewegung, über die wir uns sehr freuen.

Unser Pflegeheim in Mokpo bietet Platz für 50 Senioren und Seniorinnen. 27 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind in der Pflege beschäftigt. 45 von 50 Heimbewohnern, also 90%, leiden an Demenz. Der Anteil der Frauen ist höher als der der Männer. Unter der Bevölkerung Koreas sind 11,3% Senioren. 30-40% von den über 80-Jährigen leiden an Demenz. Im Vergleich zu anderen Pflegeheimen, achten wir auf eine lebendige und dynamische Gestaltung des Alltags. Die Einführung unterschiedlicher Pflege-Programme trägt dazu bei, den alten Menschen mehr Sicherheit zu geben und ihnen einen friedlichen Lebensabend zu erhalten. Für eine Vielzahl der Programme, vor allem der Gesundheitsprogramme, arbeiten wir mit Ärzten, Auszubildenden und Freiwilligen zusammen.

Das Zentrum (Mutterhaus) der Schwesternschaft liegt in Cheonan, etwa in der Mitte von Südkorea. Im Mutterhaus leben 5 Schwestern, während in der Zweigstelle Mokpo zur Zeit 3 Schwestern leben und arbeiten. Eine unserer Schwestern ist derzeit wegen einer schweren Erkrankung in einem Erholungsurlaub. Die Schwestern im Mutterhaus betreiben Landwirtschaft und spielen für die Gestaltung im „Haus für Spiritualität und Frieden“ eine wichtige Rolle. Wir freuen uns, dass wir die Möglichkeit haben, die Erde zu bearbeiten, Samen aus zu säen, auch an den Berghängen, pflanzen, züchten und ernten dürfen.

Das Haus für Spiritualität und Frieden organisiert monatlich mehrere Andachten, an denen immer mehr Leute teilnehmen. Viele Kirchengemeinden und auch Einzelpersonen besuchen uns regelmäßig. Es sind Menschen, die in der spirituell immer ärmer werdenden modernen Gesellschaft nach innerem Frieden und geistiger Fülle suchen. Es ist schön, auch für uns, immer wieder mit Christen verschiedener Konfessionen Gemeinschaft zu haben und im Namen Gottes miteinander zu beten.

Es gibt kostbare Geschenke Gottes! 8 Leute, die sich für die diakonische Gemeinschaft interessieren, treffen sich ein mal monatlich, um zusammen zu beten und das Leben miteinander zu teilen. Die meisten dieser Familien, die an ihrem jeweiligen Ort im diakonischen Geist ihr Leben gestalten, halten engen Kontakt zueinander, leben und erfahren eine tiefe Solidarität und teilen diese Kraft und innere Verbundenheit mit der diakonischen Schwesternschaft.

Darüber hinaus ist eine „Diakonische Familien-Gemeinschaft“ entstanden, zu der zwei Familien gehören. Die eine Familie lebt in der Nähe des Mutterhauses, arbeitet im Geist der Schwesternschaft für eine ländliche Kirchengemeinde, entwickelt und fördert ökologischen Anbau und knüpft Verbindungen zwischen städtischen und ländlichen Kirchengemeinden. Ihr Anliegen ist, Gottes Geist im Leben der Gemeinden erfahrbar zu machen.

Die andere Familie, die in Mokpo lebt, kooperiert eng mit der Schwesternschaft in all ihren Aufgaben.

Die Schwesternschaft hält engen Kontakt mit den Familien der Diakonischen Gemeinschaft. Sie unterstützt die Gottesdienste, auch die Feldarbeit und stärkt vor allem das gemeinsame Beten. Die Familienmitglieder und auch die Mitglieder der Diakoniegemeinschaft werden als Jünger Jesu Christus an die Orte des Lebens folgen. Die Schwesternschaft wird dabei in enger Zusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen für die Menschen, die im Geist der Diakonia Schwesternschaft leben und handeln wollen.

Wir unterhalten auch einige externe Aktivitäten. Dazu gehört, dass wir Mitglied sind in einem Verein, der Gemeinschaft bildende Arbeit fördert und unterstützt. Damit wollen wir die Kirche als Körper (Leib) Christi verstehen. Zudem wollen wir mit der diakonischen Erneuerung das Wesen der Kirche wiederbeleben. Die Schwesternschaft arbeitet auch mit einer internationalen, ökumenischen kirchlichen Frauenorganisation zusammen, die Kindern in Nordkorea und anderen asiatischen, armen Kirchen, hilft. Regelmäßig nehmen wir an interreligiösen Zusammenkünften teil, um durch Dialog, Gespräche und gemeinsame Gebete religiöse Harmonie unter Buddhisten, Katholiken und Protestanten und Frieden in der Welt voranzubringen. Während der letzten zwei Jahre haben wir uns an Hilfsaktionen für Mädchen und Frauen in Äthiopien aktiv beteiligt.

Unsere Schwesternschaft ist dankbar und stolz, Mitglied der 150 Jahre alten Kaiserswerther General-Konferenz zu sein. Wir sind dankbar zu vielen Mitgliedern dieser Konferenz enge Kontakte zu pflegen, uns mit ihnen solidarisch zu fühlen und durch diese wunderbare Gemeinschaft neue Kraft zu schöpfen. Alle Mitglieder unserer Diakonischen Gemeinschaft in Korea lassen Sie herzlich grüßen.

Vielen Dank!
Sr. Yong-Sook Rhee, Oberin

Mit freundlicher Erlaubnis der diakonia