2015: "Frau RO war ein Geschenk Gottes"

diakonia - Mokpo, Südkorea

"Frau Ro war ein Geschenk Gottes"

Oberin RHEE Young-Sook nahm Ende September 2015 an der Generalkonferenz des Kaiserswerther Verbandes in Wien teil. Wir veröffentlichen hier ihren Bericht:



Unsere Schwestern in Suedkorea grüßen Sie in der Liebe des Herrn!

Dank der Hilfe, Solidarität und Fürbitte des Kaiserswerther Diakonieverbands konnten wir die uns von Gott anvertrauten Aufgaben gut erfüllen. Durch diese Generalversammlung werden wir aus neue getröstet und ermutigt durch Begegnungen mit Personen aus verschiedenen Mutterhäusern und durch das miteinander Teilen von Geschichten, wie sie im Lebensalltag in Tat und Gebet zusammen mit ihren Nächsten gelebt haben. Herzlichen Dank, dass Sie uns eingeladen haben.

Das Mutterhaus unserer Diakonia Schwesterschaft in Südkorea hat Ende Juni nach 17 Jahren Cheonan verlassen und ist nach Mokpo zurückgekehrt. Als wir Mokpo verlassen hatten, hatte es in der Arbeit der Diakonia Schwesternschaft regelmäßig immer wieder Schwierigkeiten gegeben, aufgrund derer wir einen Ort brauchten für die geistliche Erneuerung der Schwestern und die Ausbildung der jungen Schwestern. Deshalb haben wir uns im Mutterhaus in Cheonan auf die Praxis des Gebets, der Arbeit und des Lernens konzentriert, die die Grundlage des Lebens bilden, und so dafür gesorgt, dass wir geistlich mit neuer Kraft erfüllt werden. Und wir haben in unserem Mutterhaus in Cheonan darüber nachgedacht, wie wir im Sinne der Identität als protestantische Frauen-Kommunität in Suedkorea und im diakonischen Geist leben können.

Aus diesem Grund haben wir uns auf das Gebetsleben konzentriert, das man im Lebensalltag wegen der vielen Arbeit leicht vernachlässigt. Täglich haben wir die biblischen Lesungen nach dem liturgischen Kalender meditiert und treu Gottesdienste nach dem Kirchenjahr gefeiert. Durch schweigendes und meditierendes Gebet sein eigenes Inneres zu betrachten, erforderte viel Zeit. Wir haben dabei gelernt, uns durch die Meditation des Wortes die Liebe Gottes neu einzuprägen, das Fließen des Schweißes und die Anstrengung bei der Arbeit wertzuschätzen und haben eine intensive Verbindung zur Natur bekommen.

Auf der Basis eines solchen spirituellen Trainings haben wir ein H-aus der Zuflucht aus dem Alltag betrieben. Für Menschen mit der Sehnsucht nach einem spirituellen Leben haben wir einen Ort des Gebets bereitgestellt. Diese Menschen haben gesagt, dass die in unserem Haus der Zuflucht durch Schweigen, Beten und geistliche Beratung Ruhe für ihr Herz und ihren Körper finden und neue geistliche Kraft schöpfen konnten. In der von vielen konfessionellen Spaltungen und Konflikten geprägten protestantischen Kirche in Suedkorea, konnte unsere Schwesternschaft als ökumenische Kommunität mit vielen Menschen aus unterschiedlichen Konfessionen beten und Gottes dienst feiern. Einen solchen Ort zur Verfügung zu stellen, war unter den uns gestellten Aufgaben ein sehr wichtiger Teil.

Die diakonische Arbeit der Familienfürsorge und der Leitung eines Seniorenheims konzentriert sich auf die Stadt Mokpo und Umgebung. Im Verhältnis zu anderen Gebieten Suedkoreas ist Mokpo ein armes Gebiet mit einem allmählich wachsenden Anteil an Familien mit niedrigen Einkommen und sozial schwachen Familien. Besonders nimmt die Zahl an Familien zu, in denen Großeltern für die Enkel sorgen, ebenso die Zahl alleinerziehender Eltern, und von allein lebenden Senioren.

In einer Hafenstadt wie Mokpo gibt es auch viele Flüchtlinge aus Nordkorea. Sie stehen bei ihrer Eingliederung in die südkoreanische Gesellschaft vor vielen Problemen wie z.B. der Lösung der Einkommensfrage, innerfamiliären Konflikten und dem Problem der Erziehung der Kinder. Unsere Schwesternschaft hilft ihnen mit Geldzahlungen für die Haushalts- und Arztkosten, und erleichtert ihnen so das Einleben in Südkorea. Beim letzten Neujahrsfest haben wir an ca. 40 Familien lebensnotwendige Artikel geliefert und einander getröstet und ermutigt. Auch versorgen wir ihre (11) Kinder drei Jahre lang viermal jährlich mit Stipendien für die Ausbildung und bieten Studienberatung und Seelsorge an.

Viele Schwierigkeiten haben auch viele Mitglieder von interkulturellen Familien, von denen ein Elternteil aus einem armen asiatischen Land stammt. Die Arbeiter, die aus interkulturellen Familien stammen und in Fabriken im Gebiet von Mokpo arbeiten, leiden unter Problemen mit der sprachlichen Kommunikation, Kindererziehung und durch Geldmangel bedingten Schwierigkeiten. 76% der betroffenen Personen sind Frauen aus dem Ausland, für die wir z.B. koreanischen Sprachunterricht, Eheberatung, Familienberatung, Informationen über die Erziehungsmöglichkeiten für ihre Kinder und Seelsorge anbieten, finanzielle Haushaltshilfen und Arztkosten zahlen und so helfen, dass die ein gesichertes Leben führen und sich in der Gesellschaft zurechtfinden können.


Diakonia Stipendienverein

In Suedkorea wächst die Zahl von Familien, in denen die Großeltern zusammen mit ihren Enkeln leben. Dies führt zu großen Problemen bei der Erziehung und bei den Erziehungskosten für die kleinen Kinder. Im Augenblick sind sie zwar gesellschaftliche Außenseiter, aber sie sind die Hoffnung der Zukunft, die Suedkorea und die Welt gestalten werden .. Ihnen zu helfen, dass sie gut heranwachsen und groß werden, ist eine sehr wertvolle Aufgabe.

Der Diakonia Stipendienverein hilft ihnen durch die Unterstützung der Förderer. Seit 1980 haben dadurch bis heute insgesamt 1.050 Schüler(innen) ein Stipendium erhalten. Die Schwesternschaft macht die Förderer in Kirchengemeinden und gesellschaftlichen Institutionen auf solche Probleme in unserer Nachbarschaft aufmerksam und veranstaltet jährlich Basare, deren Einnahmen für die Nachbarschaftshilfe bestimmt sind.

Der Gemeindebezogene Gesundheitsdienst wurde angefangen, damit er einer Familie mit dem Zehntel helfen konnte.

Im westlichen ShinAn-gun in Südkorea gibt es 1004 Inseln.

Eine Frau hat mit einem Fischer, der auf dem Schiff arbeitete, Tintenfische gefangen, auf der südlichsten Insel „Ha Eui Do" geheiratet und gewohnt und danach auf dem Festland in Mokpo fest gewohnt. Ihr Mann war in unserer Klinik ein langzeitiger Tuberkulosepatient, der kostenlos behandelt wurde. Wir haben seine Familie besucht, weil er gerade die Person war, die von uns kontrolliert wurde. Damals war seine Frau schon durch Tuberkulose infiziert und lag im Bett. Sie war schwanger, aber konnte wegen der Finanzierung nicht zum Arzt gehen. In einem ca. 6 qm Zimmer wohnten auch vier Kinder. Die Frau hat sofort eine Behandlung erhalten. Während der Behandlung bekam sie ein Baby, aber sie wollte ihr Baby ins Ausland adoptieren lassen. Wir haben dem Baby den Namen „Aerin" gegeben. Die Bedeutung des Namens ist die Nächstenliebe. Später besuchte sie plötzlich unsere Klinik und gab uns einen Bündel Tintenfische als Geschenk von ihrem Mann. Die Tintenfische kann man außerdem nur in der Nacht fangen. Indem die Fischer viele Lampen auf dem Schiff leuchten lassen und auf die Tintenfische warten, die wegen des Leuchtens näher ans Schiff kommen, können sie viele Tintenfische mit dem Netz fangen. Obwohl er Patient war, musste er ins kalte Meer fahren, damit er seine Frau und Kinder ernähren konnte. So viele arme Leute sind immer noch um uns. Die Frau war auch nicht gesund. Trotzdem musste sie auch draußen auf der Straße Gemüse verkaufen und ihre Familie mit vier Kindern unterhalten. Die vier Kinder sind gut zu Jugendlichen herangewachsen. Aber sie wurde immer schwerer krank. Wir haben zwei Zimmer gemietet und dieser Familie gegeben, damit die Kinder nicht von ihrer Mutter infiziert werden konnten. Wir haben sie auch bei Lebensmitteln, Medikamenten und Studiengebühren unterstützt. Zum Glück haben alle Kinder die Middle School, High School und die Universität absolviert und als gute, soziale Menschen gelebt. Aber die Mutter, Frau Ro, die ihren Säugling 27 Jahre lang nur in ihrem Herz trug und es nie vergessen konnte, sagte mir schwer einen Satz: „Schwerster, wenn ich mein Baby nur einmal sehen könnte, wäre ich so glücklich, dass ich keinen Wunsch mehr vor dem Tode hätte." Sie hat keuchend mit mir geredet.

Es muss irgendwann passieren, dachte ich. Sie sah fast tot aus. Um ihren Wunsch habe ich gebetet und endlich haben wir ihre Tochter durch den amerikanischen Wohlfahrtsverband und die Kinderadoptionseinrichtung gefunden. Es war die schönste Erzählung während der 35 jährigen Arbeit des Gemeindebezogenen Gesundheitsdiensts, dass wir ihre Tochter vor ihrem Tod eingeladen haben und sie sich getroffen haben. In dem Zimmer in unserem Hauptgebäude haben sich die beiden getroffen und sich eine Weile lang ohne Worte und nur mit Tränen in den Arm genommen. Die Mutter hat gesagt: „Baby, meine Tochter Aerin, verzeih mir. Ich musste dich leider adoptieren lassen, für dich. Nachdem ich dich so gehen ließ ... Wenn ich danach meine Tränen gesammelt hätte, könnte ich ein Schiff auf meinen Tränen fahren lassen. Aerin hat auch gesagt: „Mama, ich wollte dich sehr sehen. Wenn ich alle meine Aufsätze gesammelt hätte, könnte ich ein Buch schreiben. Jetzt weiß ich, dass du mich nicht verlassen hast und mich sehr liebst. Danke Mama."

Die Familie hat Aerin den traditionellen Hanbok angezogen und mit ihr ein großes Fest mit Fotos gefeiert. Aerin ist nach Amerika mit großer Freude zurückgekehrt, weil sie endlich ihre Familie gefunden hat. Sie hat geheiratet und zwei Kinder bekommen und erzieht sie.

Wegen dieser Geschichte wurde der Gemeindebezogene Gesundheitsdienst die letzten 33 Jahre durch Spenden finanziert.

Das Glaubensbekenntnis der Schwesternschaft endet mit den Worten: "Wir glauben, dass diejenigen den Leidenden wahre Nächste sind, die gemeinsam mit ihnen leiden und leben. Deshalb glauben wir, dass das Leben der Diakonia darin besteht, Jesus Christus in der Weise zu dienen, dass wir als wahre Nächsten der Leidenden leben." Jesus hat gesagt, dass man Gott nur durch den Nächsten sehen kann. Wir dienen Gott, indem wir den Armen, Kranken und Unterdrückten dienen (Matthäus 25, 31-46). Wir verstehen die Liebe zu Gott und zum Nächsten als nicht voneinander unterschieden.

Jesus hat dem reichen Jüngling, der ihn gefragt hatte: "Wer ist mein Nächster?" durch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10, 25-37) mit einer Gegenfrage geantwortet, die unser Selbstverständnis bestätigen kann: "Wem bist du Nächster?" Wir versuchen uns auf den Mann, der unter die Räuber gefallen ist, zu konzentrieren. Wenn ich nicht anders kann, als dem Schwachen zu helfen, dann bin ich nur Gnade Gebender, und dieser nur Gnade Empfangender. Das wäre wohl keine echte Nächstenschaft.

Im Gleichnis wird der heidnische Samariter dem Leidenden zum guten Nächsten. Auf diese Weise lassen der Schmerz und Schrei des Leidenden einen anderen Menschen stehen bleiben, seine Pläne beiseitelegen und in unserem nach Liebe dürstenden Herzen eine Quelle der Liebe entstehen. Und dies eröffnet die Möglichkeit, dem Anderen Nächster zu werden. Ohne eine solche Quelle der sprudelnden Liebe in unserem Herzen kann man wohl echte diakonische Arbeit nicht tun.

Frau Ro war ein Geschenk Gottes für die Schwesternschaft, die uns gezeigt hat, wie wir die Nächsten wie uns selbst lieben können und wie wir trotz aller Fehler die Schwierigkeiten gemeinsam ertragend wahre Nächste werden können. Nach wie vor gehorchen wir dem Befehl des Herrn, der gesagt hat: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst!" (Lukas 10, 27)

Wir beten, dass wir dem Beispiel des Samariters, das dem gesagt wurde, der das ewige Leben haben wollte, und dem Befehl des Herrn, der gesagt hat: "Tu desgleichen!" , entsprechend leben.