Athen: Kommuniqué

Athen 2014, May 5-7. 
Improving the situation of Roma people in Europe
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Wie verbessern wir die Lage der Roma-Bevölkerung in Europa?
Herausforderungen und offene Fragen
Schluss-Kommuniqué

Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) veranstalteten unter der Schirmherrschaft der griechischen Präsidentschaft der Europäischen Union eine gemeinsame Konsultation zum Thema „Wie verbessern wir die Lage der Roma-Bevölkerung in Europa? Herausforderungen und offene Fragen.” Diese Konsultation fand vom 5.-7. Mai 2014 auf freundliche Einladung des Ökumenischen Patriarchats in Athen statt. CCEE und KEK begegneten sich hier im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Berufung durch ihren Herrn und Heiland Jesus Christus, Salz der Erde und ein Licht im Leben der Gesellschaft zu sein.

Die Bezeichnung „Roma” wird in Europa generell auf Roma, Sinti, Kale und ähnliche Volksgruppen in Europa angewandt, wozu auch die Fahrenden gerechnet werden. Der Begriff deckt also eine große Vielfalt der betreffenden Bevölkerungsgruppen ab, unter Einschluss von Personen, die sich selbst als „Zigeuner” bezeichnen.

Der stellvertretende Außenminister Griechenlands. Kyriakos Gerontopoulos, hieß die Konferenz willkommen und unterstrich in seinem Grußwort, wie wichtig „die soziale Integration der Roma bei gleichzeitiger Wahrung ihrer kulturellen Traditionen und Lebensweisen” sei. Die Konsultation zog eine Bilanz vom Dienst der Kirchen unter den Roma-Minderheiten, der Geschichte der Roma-Bevölkerung in Europa, unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Facetten und Aspekte von Ausgrenzung und Integration; sie erörterte die in letzter Zeit ergriffenen politischen Initiativen sowie die heutige Lage der Roma insbesondere im Blick auf deren Bildungs- und Anstellungschancen. Der Vorsitzende des Europäischen Forums der Roma und Fahrenden gab einen Überblick der derzeitigen Anliegen der Roma-Organisationen in Europa und wies auf die besorgniserregenden Formen von Zigeunerfeindlichkeit und Hasskampagnen gegen diese Volksgruppen in Europa hin.

1- Als Vertreter christlicher Kirchen bekräftigen wir unsere Überzeugung, dass jedes Menschenwesen zum Bild Gottes geschaffen ist und ungeachtet seiner ethnischen Identität Anteil an der gleichen Menschenwürde hat. Unsere Roma-Brüder und –Schwestern haben seit Jahrhunderten Anteil am kirchlichen Leben. Wir anerkennen die positive Rolle von Kirchen in deren Bemühungen um eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma in vielen Teilen Europas. Dank ihres langfristigen Engagements und ihrer Präsenz in allen Teilen Europas ist es für die Kirchen möglich, sich aktiv für ein solidarisches Verhalten gegenüber Roma-Minderheiten einzusetzen und ihre Fürsprache insbesondere zur Verbesserung der Sicherheit, der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Roma und ihrer Beteiligung am gesellschaftlichen Leben geltend zu machen.

2- Kirchen sind sich der Vielfalt der Roma-Minderheiten auf europäischer Ebene bewusst: diese sind zwar miteinander verwandt, sprechen aber mehr als 150 unterschiedliche Dialekte; die Mehrheit unter ihnen ist in europäischen Ländern sesshaft; andere gehören zu den Fahrenden.

3- Roma-Bevölkerungsgruppen leiden unter Ausgrenzungsmassnahmen in unseren Gesellschaften, vor allem in den Bereichen Bildung, Arbeit, Wohnen und Gesundheit. Sie werden von weiten Teilen unserer Gesellschaft als „die Anderen“ angesehen. Im Gegensatz zu dieser Einstellung ist der „Andere“ in christlicher Sicht, auf der Grundlage der biblischen Botschaft, der Nächste, und als solcher verdient er/sie, in seiner/ihrer Menschenwürde respektiert zu werden. So rufen wir alle Kirchen zu einer offeneren, inklusiveren Haltung auf Gemeindeebene auf. Lasst uns „die Anderen“ aufnehmen und sie im Geist der Liebe willkommen heißen.

4- Wir wollen die Bemühungen um Integration der Roma in unseren Gesellschaften keinesfalls mit Assimilierungsversuchen verwechseln; Kultur, Sprache und Lebensstil der Roma sind Werte, die Achtung und Bewahrung verdienen. Zugleich sollten wir uns weigern, Phänomene des segregierten Ghettolebens, z. B. Bagatelldelikte, als charakteristische Erscheinungen einer Romakultur zu bezeichnen oder sie als negative Kennzeichen dieser Volksgruppe zu brandmarken.

5- Zugang zur Schulbildung ist eine der entscheidenden Voraussetzungen zur Verbesserung der Lage der Roma-Bevölkerung. So engagieren sich denn auch Kirchen in vielen Ländern im Bildungsbereich zugunsten der Roma. Auf diese Weise konnten die Kirchen unter den ausgegrenzten Volksgemeinschaften für eine Tradition von Bildungs- und Lernprogrammen Sorge tragen.

6- Alle Kinder, also auch Roma-Kinder, haben Anrecht auf Schulunterricht und Bildung. Ausgehend von Beispielen guter Praxis ist der Zugang zu umfassender, qualitativ hochstehender Bildung überall ein Gebot. Kirchen bedauern die Einrichtung segregierter Sonderschulen, weil diese den Schülerinnen und Schülern keine Möglichkeit bieten, ihr Potential voll auszuschöpfen. Nur dort, wo die Roma- sprechende Bevölkerung eine Mehrheit bildet, ist die Einrichtung einer qualitativ hochstehenden Roma-Schule für die Mehrheit der Roma-Schulkinder naheliegend. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um eine Segregationsmassnahme.

7- Der Unterricht in Roma-Sprachen sollte in allen Schulklassen gewährleistet sein, um Kultur und Sprachen der Roma zu achten und zu pflegen. Der Zugang zu diesem Unterricht sollte nicht auf die Roma-Gemeinschaft beschränkt sein, sondern der erweiterten Gemeinschaft auf örtlicher Ebene offen stehen.

8- Roma-Vertreter sollten die wichtigsten Funktionen bei der Gestaltung von Gemeinschaftsentwicklungsprogrammen wahrnehmen. Die Ausbildung von Roma-Vertretern in Programmen für Führungspersonen hat sich im Bildungs- und Mediationsbereich bewährt und sollte weiterhin gefördert werden.

9- Roma verfügen als Staatsangehörige europäischer Länder über Rechte und Pflichten. Innerhalb der Europäischen Union gilt die Personenfreizügigkeit und die Möglichkeit zur Niederlassung in verschiedenen Ländern der EU, sowie die Anstellungserlaubnis, wo sich Arbeit findet. Diese Rechte stehen allen EU-Staatsbürgern offen; sie gelten demnach auch für Roma-Minderheiten.

10- Mangelnder Zugang zum Arbeitsmarkt ist einer der Hauptgründe der Armut unter der Roma-Bevölkerung. Die Kirchen begrüßen die Tatsache, dass es vorgesehen ist, öffentliche und private Mittel zur Förderung der Anstellung benachteiligter Personen in unseren Gesellschaften einzusetzen. Diese Förderungsmassnahmen sollten gezielter, nachhaltiger und wirksamer durchgeführt werden, um ihren Zweck zu erreichen.

11- Rassismus und hasserfüllte Reden verletzen Menschen und zementieren negative Haltungen in unseren Gesellschaften. Man sollte sie konsequent aus den Medien und dem politischen Diskurs verbannen. Politiker sollten nicht auf Vorurteile und Roma-feindliche Meinungen zur öffentlichen Stimmungsmache zurückgreifen; wir appellieren an die Politiker, sich jeder Zigeunerfeindlichkeit zu enthalten. Die Medien können dazu beitragen, ein wirklichkeitstreueres Bild der Roma darzustellen.

12- Die Geschichte der Roma-Völker als Teil der Landesgeschichte bedarf der gemeinsamen Bearbeitung unter Einschluss von Vertretern der Roma-Volksgruppen der betreffenden Länder. Die Arbeitsergebnisse sollen anschließend in die Landesschulprogramme aufgenommen werden.

13- Persönliche Berichte, die an der gemeinsamen Konsultation ausgetauscht wurden, bestätigen, dass Ortsgemeinden Raum für interkulturelle Begegnungen zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften bereitstellen und damit zur Förderung von Anerkennung und Vertrauen beitragen. Dies zeigt, dass die Kirchen von vielen Roma-Gemeinschaften als glaubwürdige Partner angesehen werden. Angesichts ihres permanenten Einsatzes in diesem Bereich sollten die Kirchen auch von lokalen, nationalen und europäischen Behörden als vertrauenswürdige Partner angesehen und bei der Durchführung von deren Integrationsprogrammen mitberücksichtigt werden.

14- Doch eine erfolgreiche Integration verlangt mehr als eine projektbezogene Strategie: dazu bedarf es einer langfristigen Verpflichtung und einer umfassenden Vorgehensweise in den Bereichen Gemeindeaufbau, Beteiligung der Zivilgesellschaft und Anerkennung der Gleichheit aller Menschen.

Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen und die Konferenz Europäischer Kirchen bekräftigen erneut ihre Verpflichtung in diesem Bereich und unterstützen wirksame Folgemassnahmen der Kirchen zur Verbesserung der Lage der Roma-Bevölkerung in Europa.

Athen, 7. Mai 2014


Improving the situation of Roma people in Europe:
Challenges and open questions

Communiqué

The Council of European Bishops’ Conferences (CCEE) and the Conference of European Churches (CEC) held a joint consultation on the theme “Improving the Situation of Roma People in Europe: Challenges and open questions” under the auspices of the Greek Presidency of the European Union. This consultation took place in Athens from 5-7 May 2014 on the gracious invitation of the Ecumenical Patriarchate. CCEE and CEC met recognizing our common call from our Lord and Saviour Jesus Christ to be salt and light in society.

The term “Roma” commonly used in Europe refers to Roma, Sinti, Kale and related groups in Europe, including Travellers and covers the wide diversity of the groups concerned, including persons who identify themselves as “gypsies”:

The Deputy foreign minister of Greece Mr Kyriakos Gerontopoulos greeted the conference and emphasised the importance of “social integration of Roma while preserving the Roma cultural traditions and lifestyle”. The consultation took stock of the churches’ ministry with the Roma minorities, the history of Roma in Europe with its different facets and aspects of exclusion and inclusion, political initiatives over the past years, and the current situation particularly with regard to education and employment. The President of the European Roma and Travellers Forum gave an overview of current concerns among Roma organisations in Europe and highlighted the concerns regarding anti-zyganism and hate speech across Europe.

1- As representatives of Christian churches, we affirm our conviction that every human being is created in the image of God and should be equally respected regardless of their ethnic identity. Roma brothers and sisters have been part of church life for centuries. We recognize the important role of churches in improving the situation of Roma in many parts of Europe. With their long-term engagement and presence in all parts of Europe, churches can be instrumental in showing solidarity with Roma minorities, particularly advocating for their safety, social and economic development and their participation in society.

2- Churches are aware of the diversity among the Roma minorities across Europe: while related, they have developed more than 150 different dialects; the majority have settled in European countries, others are travelling.

3- Roma struggle with exclusion from societies, particularly with regard to education, employment, housing and health. They are regarded as “the others” by large parts of our societies. In contrast, for Christians, based on the biblical message, the “other “is our neighbour who deserves dignity. We appeal to all churches to become more inclusive at local level and welcome and meet “the others” in the spirit of love.

4- Integration of Roma in society should not be mistaken as assimilation; Roma cultures, languages and lifestyles contain values which should be appreciated and preserved. At the same time, some phenomena related to segregated, ghetto life such as petty crime should not be portrayed as Roma culture with the negative ascriptions to the population.

5- Education is one of the main routes to improve the situation of Roma people, and churches in many countries are engaged in providing education. Therefore, churches could promote a culture of education and learning among marginalized communities.

6- All children have the right to education, including Roma children; therefore access to complete and quality education needs to be ensured everywhere building on existing good practice. Churches deplore segregated special schools because they do not enable pupils to reach their full potential. In the case of predominantly Roma speaking areas, a quality school for a majority of Roma children may be the best solution and should not be seen as segregation.

7- The teaching in Roma languages should be available at all school levels, in order to value and preserve the Roma culture and languages. This should not be restricted to the Roma community, but be available to the wider local community.

8- Roma should assume primary roles in community development. Training of Roma in Peer Programmes has been successful in education and mediation and should be further developed.

9- Roma people are citizens of European countries with rights and duties. In the European Union, freedom of movement and the choice to settle in different parts, taking up employment where it is available, are rights of all EU citizens which have to be respected for Roma minorities, too.

10- The lack of access to the labour market is one of the main causes of poverty of Roma people. Churches appreciate that public and private funding shall be allocated to the support of employment of disadvantaged members of our societies. This funding needs to be made more targeted, sustainable and effective to achieve the aim.

11- Racism and words conveying hatred are harmful, as they foster negative attitudes in our societies, and should therefore be eliminated from the media and political discourse. Prejudice and anti-Roma sentiments should not be used for political gains; we call on politicians to refrain from anti-gypsyism. Media should communicate more realistic portrayals of Roma.

12- The history of Roma people as part of national history needs to be elaborated with the participation of the Roma communities in the respective countries, and subsequently become part of national curricula.

13- Testimonies shared during the joint consultation confirmed that local parishes provide the space for intercultural encounters between the different communities, fostering acceptance and trust. Thus churches are regarded as credible partners by many Roma communities. In light of their permanent commitment, churches should also be considered as reliable partners by local, national and European authorities in the implementation of their integration programmes.

14- Successful integration will require more than a project-centred strategy: it demands long-term commitment and a comprehensive approach to community development, participation and equality.


The Council of European Bishops’ Conference in Europe and the Conference of European Churches reaffirm their commitment and will consider effective follow-up measures of churches to improve the situation of Roma people in Europe.

Athens, 7 May 2014