2019: Theologie und Selbstverständnis des AEPM

AEPM / OAM - Geschichte

bergfelder blog foto 250Luca Bergfelder
erlaubt uns, seine Examensarbeit von 2018 an dieser Stelle zu veröffentlichen. 
1992 geboren, im Rheinland aufgewachsen, FSJ in Jerusalem, Studium der Theologie in Bonn, Heidelberg und Wuppertal, ISJP in Kyoto 2015-16, 1. Examen 2018, seitdem Vikar im Rheinland.

 

Theologie und Selbstverständnis des AEPM

Nachstehend drucken wir das Schlußkapitel "Fazit und kritische Würdigung" seiner Arbeit - und hoffen, dass der geneigte Leser dieses "Fazit" auch die höchst interessanten Kapitel davor noch lesen wird.

  1. Fazit und kritische Würdigung

Unsere drei Arbeitsfragen waren, inwiefern der AEPM als „liberal“ einzustufen ist, wo er die Grenze zum „Synkretismus“ oder Nichtmehr-Christentum zieht und wie genau sein „theologischer Lernprozess“ verläuft.

  1. Je nachdem, was man unter „liberal“ versteht, fallen tatsächlich einige Positionen aus der ZMRW darunter. So wird z.B. ständig versucht, Bibelglauben und Geschichtswissenschaft in Ausgleich zu bringen oder die Menschheits- und Religionsgeschichte als göttliche Erziehung zu deuten. Angesichts der Pluralität der Kontexte und Personen im AEPM verlieren jedoch Kategorien wie „liberal“ und „orthodox“ erheblich an heuristischem Wert, wenn mit ihnen eine einheitliche und deutlich abgrenzbare Theologie bezeichnet werden soll.

    In der von uns untersuchten Epoche fungieren sie eher als Identitäts-Marker, um die Zugehörigkeit bzw. Distanz zu bestimmten Gruppen und Richtungen auszuhandeln. Dabei ist man sich auch nicht zu schade, die Entstehungsphase des AEPM der jeweiligen Situation angemessen zu interpretieren oder Anstoß an ihrer großen Interpretierbarkeit zu nehmen. Hinzu kommt noch, dass jede „Liberalität“ notwendig eine Grenze hat, die ebenfalls je nach Kontext anders gezogen und bezeichnet wird. Häufig dienen dafür Begriffe wie Unitarismus, Synkretismus, Rationalismus oder Ethizismus. Diesen Aushandlungsprozess kann man als „Weitherzigkeit“ verstehen und verstand man auch so, aber dabei sollte die andere Perspektive, die ihn als Profillosigkeit und dogmatischen Antidogmatismus versteht, nicht unter den Tisch fallen.

    Auch wenn wir mit unserer Rede von einer „Doppelstrategie“ die Konnotation von „Widersprüchlichkeit“ erweckt haben könnten, bietet es sich aus der Sicht heutiger Missionsarbeit an, jenen Aushandlungsprozess mit „Lernfähigkeit“ zu übersetzen und immer klar zu kommunizieren, wo die eigene Kompromissbereitschaft aufhört. Diese Standfestigkeit und diese Fähigkeit zum selbstkritischen Umgang mit der eigenen Geschichte wünsche ich mir für die nächsten 130 Jahre der DOAM.

  1. Inhaltlich wird besagter „Synkretismus“ etc. verschieden bestimmt, wobei es schwierig ist, unter all den Phrasen konkrete Inhalte ausfindig zu machen. Es dominieren theoretische Konstruktionen, die selbst die Kritiker des AEPM so nicht unterschreiben würden. Während P. Kranz Anstoß an dem volkskirchlichen Modell nimmt und wenigstens ein verbindliches Bekenntnis für den AEPM fordert, grenzt R. Lipsius sich eher von einem subjektiven Heilsverständnis ab, das Gottes objektive Taten in der Geschichte, insbesondere die Auferweckung Jesu, negiert. E. Schiller fürchtet für das Christentum in Japan einen „Pantheismus“ und das Aufgeben des „Supranaturalismus“.

    Allen diesen Abgrenzungen gemein ist jedoch ihre Kontextualität, sei diese nun die bittere Erfahrung mangelnden Missionserfolgs oder der Vorwurf anderer Missionare, den Boden des Christentums verlassen zu haben. Insofern sieht R. Lipsius schon 1887 unüberbietbar scharf, wenn er die unvermeidliche Spannung zwischen Tradition und Neuformulierung des Glaubens feststellt, in der nicht nur die Theologie des AEPM sich aufspannt. Die auf den ersten Blick verwunderliche Tatsache, dass auch die Kritiker des AEPM dessen „Anknüpfungs-Methode“ und Dogmatismus-Kritik für sich beanspruchen, zeigt, dass besagte Neuformulierung nicht nur an ihrem historischen Kontext partizipiert, sondern diesen immer auch ein Stück transformiert.

    Man wird daher gut beraten sein, dem AEPM nicht (nur) eine deutlich abgrenzbare Position im Spektrum des 19. Jh. zuzuweisen, sondern in ihm (auch) einen Exponenten des gesamten Spektrums zu sehen. Gerade weil der AEPM aber ständig versucht zu vermitteln, macht er sich auf beiden Seiten des Spektrums Feinde und holt sich aus beiden Richtungen Ideen ins Haus, die wir problematisieren müssen. Dazu gehören Rassismus, Antisemitismus und Kulturkampf-Rhetorik auf der einen, Fanatismus, Geschichtspositivismus und Eurozentrismus auf der anderen Seite. Gleichzeitig entwickelt er so aber auch Stärken, an die wir heute „anknüpfen“ können. Dazu gehören ökumenisches Bewusstsein, die Idee der Menschenwürde, Internationalität und religionstheologischer mutualer Inklusivismus. Hier liegen die „Wahrheitselemente“ des Artikels von P. Schneiss und L. Drescher.

  1. Die Aufgabe, die „Theologie und das Selbstverständnis des AEPM“ zu ermitteln, ist streng genommen unlösbar, da der AEPM einen „theologischen Lernprozess“ durchmacht. Dieser läuft weder gradlinig von „liberalen“ Statuten hin zu missionspraktischer Ernüchterung, noch andersherum. Vielmehr spielt die individuelle Lebensgeschichte eines jeden Missionars dort mit ein, weshalb ein W. Spinner derselben buddhistischen Richtung aufgrund schlechter Erfahrungen den Rücken zukehren kann, die der späte H. Haas als „Krypto-christentum“ bezeichnet. Auch dabei können Grenzziehungen nicht ausbleiben, doch sind sie nie absolut und nie willkürlich.

    Die uns gestellte Aufgabe konnten wir also höchstens lösen, indem wir aus vielen unterschiedlichen Perspektiven ein mehrdimensionales Gesamtbild von der Theologie des AEPM zu erstellen versuchten. Mein eigener Lernprozess führte dabei zu einem tieferen Verständnis der Rede von der „theologia viatorum“.

    Für meine Sicht auf den heutigen interreligiösen und interkonfessionellen Dialog heißt das, bescheiden an die Arbeit zu gehen und weder aus dogmatischer Verblendung die gemeinsamen Aufgaben und die Möglichkeiten friedlicher Koexistenz zu übersehen, noch aus harmonistischer Verblendung wesensmäßige Unterschiede zu ignorieren. Was es braucht, ist, mit Martin Rade gesprochen, der Mut, als selber Suchende dem Gegenüber finden zu helfen.

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