1984: Weimar und die Tradition

Deutsche Ostasienmission - Geschichte

Weimar und die Tradition
100 Jahre Deutsche Ostasienmission

Kirchliche Tagungen in der DDR haben ihr eigenes Gepräge, so berichten übereinstimmend Besucher. Dies war auch der starke Eindruck aller ökumenischen Teilnehmer, die zur 100-Jahr-Feier der Deutschen Ostasienmission in Weimar vom 31.5. bis zum 3.6.1984 dabei waren.

Als sich am 4. Juni 1884 in Weimar Theologen und Förderer zusammenfanden, um den "Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein" zu gründen, der seit 1929 den Namen Ostasienmission trägt, war das Ziel dieser Gründung, über die bisher bestehenden Missionsgesellschaften hinaus, möglichst viele Menschen für die Aufgabe der Mission zu finden. Damals stand fest, daß der missionarische Auftrag noch nicht von der Breite der christlichen Bevölkerung aufgegriffen worden war. Dies wollte der Ausdruck "Allgemeiner •.... Missionsverein" als Zielsetzung zum Ausdruck bringen.

Für die vorn Neupietismus geprägten Glaubensmissionen galt von Anfang an diese Richtung innerhalb des Protestantismus als liberal. Dies jedoch lag nicht in der Absicht der Gründer der Ostasienmission. Ein langer Prozess setze ein, bis diese anfängliche Bindung überwunden und die Ausrichtung auf den missionarischen Dienst in einem bestimmten Bereich, dem ostasiatischen Raum, in den Vordergrund trat.

Das Missionskonzept von 1886 lautete zusammengefasst: "Wir glauben, daß eine eingreifende, planmäßig durchgeführte Missionstätigkeit sich auf eine möglichst genaue Kenntnis der nichtchristlichen Religionen zu gründen hat ..., und das erst, wenn die einzelnen Religionen in ihrem inneren Werden und Wachsen einigermaßen erforscht sind, mit rechten Verständnis ... die Vermittlung des Christentum an ihre Bekenner unternommen werden kann."

Auf der Tagung in Weimar wurde über die Geschichte und die Zukunft der Deutschen Ostasienmission unter dem Thema "Wege und Ausblick" diskutiert. Drei Japanische Vertreter der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), der Partnerkirche in Ostasien, brachten zum Ausdruck, wie sehr sie die Arbeit der Ostasienmission schätzen gelernt haben.

Bei der Gründung der Ostasienmission waren Schweizer und Deutsche Theologen und Förderer gleichermaßen beteiligt. So war es kein Wunder, daß die heute selbständige Schweizerische Ostasienmission (SOAM) auch mit drei Vertretern anwesend war. Der Vorstand der Deutschen Ostasienmission in Deutschland hatte 1972 und 1974 die volle Integration der Missionsgesellschaft in die Missionswerke in Stuttgart und Berlin beschlossen. So wurde auch auf dieser Tagung deutlich, daß sich die Ostasienmission voll und ganz hinter die Forderung der Weltkirchenkonferenz von Neu Delhi 1961 stellt. Damals wurde die Integration von Kirche und Mission gefordert. Die beiden Leiter der Missionswerke Dr. J. Schnellbach für das EMS und Dr. K. Gruhn für das BMW unterstrichen in ihren Grußworten positiv diese Haltung.

Die traditionell theologische Arbeit der Ostasienmission wurde auch auf dieser Tagung deutlich. Schwerpunkte lagen in der Analyse und der Vorausschau heutiger Missionsarbeit in Ostasien für die Bereiche DDR, Westdeutschland und Schweiz. Die Kommentare der japanischen Gäste waren dabei sehr hilfreich. So bestand Einmütigkeit darin, daß Mission nach Japan, Korea, Taiwan nur in partnerschaftlichem Denken, also im Zweibahnverkehr zu geschehen hat.

Hochinteressant waren für die Gäste aus der Ökumene die Analysen unserer Freunde in der DDR. Die ab 1966 selbständige Ostasienmission in der DDR sucht bis heute nach einer kirchlichen festeren Bindung an die Missionszentren ihres Landes. Da sie über den Bereich der EKU auch in lutherischen Kirchen verankert ist, insbesondere in der Thüringischen Kirche, beklagt sie bis heute das Fehlen eines übergeordneten Missionszentrums, das gegebenenfalls beim Bund der Evangelischen Kirchen der DDR angegliedert sein könnte. Dies hindert sie jedoch nicht, in Kooperation mit den vorhandenen Missionsaktivitäten der Kirchen der DDR, etwa mit dem ÖMZ in Berlin oder der Leipziger Mission, zusammenzuarbeiten.

Alle 70 Teilnehmer der Tagung standen unter dem nachhaltigen Eindruck des Himmelfahrtsgottesdienstes, den Bischof Dr. Leich um 18.oo Uhr in der Herder-Kirche in Weimar durch Predigt und Leitung im Abendmahl mit gestaltete. Da der Himmelfahrtstag in der DDR regulärer Arbeitstag ist, sind die 400 Gottesdienstbesucher am Abend (vormittags waren bereits 200 Personen zum Gottesdienst erschienen) ein beredtes Zeichen dafür, wie Kirche in der DDR auch durch das gottesdienstliche Leben sichtbar wird. Ähnliche Erfahrungen machten die ökumenischen Gäste bei ihren Predigten und Grußworten am 3.Juni 1984 in den Gemeinden der Stadt Weimar und Umgebung. Für diese Tagung und die zukünftigen Aufgaben der drei selbständigen Zweige der Ostasienmission in der Schweiz, in Westdeutschland und in der DDR kann gelten, was der Vorsitzende der Deutschen Ostasienmission Professor Dr. Ferdinand Hahn (München) so formuliert hat: "Nur wenn es ein lebendiges, reiches und vielfältiges Leben in unseren christlichen Kirchen gibt, kann der christliche Glaube auch ausstrahlen und weiter wirken in die Welt hinein. Lebendige Mission setzt lebendige Gemeinden voraus. Lebendige Gemeinden entstehen aber nicht zuletzt dadurch, daß sie sich ihres missionarischen Dienstes bewußt sind."

Dazu leistete diese 100-Jahr-Feier einen kleinen Beitrag.

Hartmut Albruschat