ST2014-Bad Boll: Predigt zum Abschluss

Studientagung in Bad Boll
22.- 24. April 2014

Predigt zum Abendmahl in Bad Boll zu Galater 5,1-6
Henry von Bose, Kirchenrat i.R.

1Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der· Knechtschaft auflegen! 2Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. 3Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. 41hr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. 5Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. 6Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.


Liebe Gemeinde,
Alexis Jenni ist Biologielehrer in Lyon. 2011 hat er in Frankreich den höchsten Literaturpreis bekommen, den Prix Goncourt. Sein Buch "L' art francais de la guerre" habe ich in den letzten Tagen gelesen. Es ist ein erschütterndes Buch. Es macht deutlich, wie sehr unser Nachbarland Frankreich heute noch durch eine aus dem Indochina- und dem Algerienkrieg stammende Gewalt geprägt wird. Da verschanzen sich Ultrarechte mit ihren gehorteten Waffen in Wohntürmen der Banlieues, weil sie Angst haben vor jenen Franzosen, die anders aussehen und anders sprechen. Sie halten den Kult, den sie der Gewalt weihen, für einen Ausdruck von Freiheit. Und doch, so zeigt Jenni, sind sie Sklaven jener alle Welt bedrohenden Simplifizierung, für die am Ende der Krieg und die Beurteilung des Menschen nach seinem Aussehen immer noch die einfachste Art ist, die Dinge zu ordnen. "Wir und die anderen", so denken sie. Spätestens an dieser Stelle liegen die Parallelen zu Deutschland auf der Hand. Die NPD hat vor einigen Tagen ihre Wahlplakate in unserer Straße aufgehängt. Hier zwei Kostproben: "Wehrt Euch!" und "Gas geben!"

Von Freiheit spricht auch Paulus. Auch Paulus drängt auf Entscheidung. Auch Paulus könnte man im Sinne des "Wir und die anderen" deuten. Doch bei näherem Hinsehen sieht die Sache anders aus. Hier geht es um eine Befreiung, ja um eine Emanzipationsbewegung, die sich nicht aus dem Nein speist. Denn bei Paulus geht es ja nicht um das Nein zur Beschneidung an sich, ist er doch selbst beschnittener Jude. Die Freiheit, die er propagiert, entspringt den faktischen Konsequenzen des Leidens Jesu am Kreuz. Diese Befreiung des Menschen zur Freiheit fordert in der Tat auf zur Entscheidung zwischen Christus und Gesetzlichkeit, zwischen Glaube und einem Kult von Engelmächten. Aber hier ist deutlich: entscheidend ist nicht Beschneidung noch Unbeschnittenheit, weder Mann noch Frau, weder Jude noch Grieche, sondern der Glaube, der in der Liebe zu Deinem Mitmenschen tätig ist. Darin kann es dann also nicht um die simpelste aller Lösungen gehen, nicht mehr um das Sortieren von Menschen nach Gesicht, Hautfarbe oder Akzent, nicht mehr um die simpelste Art, durch Gewalt Ordnung zu schaffen. Da sind eben alle Menschen vor Gott gleich, ohne Ansehen der Person. Da gilt dann vielmehr die Warnung: "Worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest." Da ist dann wirklich das Ende aller Wege die Barmherzigkeit, der Langmut, die Güte und die Liebe Gottes.

Vor diesem Hintergrund betrachtet, erweist sich - wie bei Jenni - die Suche der Menschen nach den simplen Lösungen, die Vergötzung von Gewalt, Aussehen, Rasse und alle vordergründige Einteilung der Menschen als Sklaverei. Diese Sklaverei endet für den sehr zweideutigen Helden des Romans Jennis, Victorien Salagnon, wie für Odysseus bei Homer in dem Moment, wo er einen Menschen trifft, der seine Waffe nicht mehr als Waffe erkennt. Aus der Sicht des Paulus endet sie dort, wo der Glaube so in der Liebe tätig wird, dass er die Waffe nicht mehr als Entscheidungsmittel anerkennen will. Das Kreuz Jesu war keine simple Lösung. Gnade uns Gott, wenn wir den simplen Lösungen vertrauen. Jenni sagt ganz richtig: "Die Gewalt zieht aus ihrer Niederlage immer nur den Schluss, dass es eben an ausreichender Gewalt gefehlt hat und dass man nächstes Mal noch doller draufhauen muss. Dann wird das schon klappen!" Paulus sieht es anders: Wahre Befreiung und wahre Versöhnung entstanden dort, wo einer nicht die Flucht in die simplen Lösungen antrat. Ihn hat Gott auferweckt. Seitdem haben wir andere Perspektiven. Wollte Gott, unser Glaube würde in der Liebe diese Perspektiven tätig ergreifen! Das "Wir und die anderen" wäre dann freilich zu differenzieren.
Amen.





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