2020: Gezielte Eskalation Richtung Washington

Inter-Korean
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IPG Internationale Politik und Gesellschaft, 23.06.2020. S. 

Eiskalt provoziert

Nordkorea erhöht den Druck, um eine しockerung der Sanktionen zu erreichen. Eigentlicher Adressat der jüngsten Eskalation ist US-Präsident Trump.
von Henning Effner, Seoul, 23.06.2020

In der vergangenen Woche hat Nordkorea dem Annäherungsprozess mit Südkorea ein Ende gesetzt. Es sprengte das gemeinsame Verbindungsbüro beider Staaten in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong und kappte alle direkten Kommunikationskanäle mit Seoul. Das Verbindungsbüro war ein Symbol der Kooperation zwischen Nord- und Südkorea gewesen und im Zuge des Entspannungsprozesses zwischen den beiden Ländern im September 2018 eröffnet worden.

Nun bezeichnete Nordkorea Südkorea als „Feind“ und kündigte an, wieder verstärkt Soldaten in Kaesong und am Berg Kumgang zu stationieren. Wachposten in der demilitarisierten Zone, die im Rahmen eines früheren Abkommens mit Südkorea abgezogen worden waren, sollen wieder besetzt werden. Vorwand für die offensichtlich sorgfältig geplanten Provokationen war eine Flugblattaktion von südkoreanischen Aktivisten und nordkoreanischen Flüchtlingen, die regimekritische Flyer mit Ballons von Südkorea aus über die Grenze Richtung Norden geschickt hatten.

Die Hauptrolle in den Aggressionen gegenüber dem Süden übernahm nicht der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-Un, sondern seine jüngere Schwester Kim Yo-Jong, die bereits in den vergangenen Monaten an politischem Einfluss in Pjöngjang gewonnen hatte. Im Frühjahr 2020 war Kim Jong-Un über mehrere Wochen nicht in der Öffentlichkeit erschienen, was Spekulationen über seinen Gesundheitszustand ausgelöst hatte. Während dieser Zeit war seine Schwester von ausländischen Beobachtern bereits als neue zentrale Führungsfigur oder gar mögliche Nachfolgerin von Kim Jong-Un gehandelt worden. In ihrer neuen Rolle als Wortführerin gegenüber dem Süden kann sie nun Stärke demonstrieren und ihre Position im nordkoreanischen Machtapparat weiter festigen.

Die Provokationen Nordkoreas sind ein herber Rückschlag für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In, der sich seit seiner Wahl im Jahr 2017 für Ausgleich und Verständigung mit Nordkorea eingesetzt hat. Moons Bemühungen waren zunächst erfolgreich gewesen. Im eskalierenden Konflikt zwischen den USA und Nordkorea im Jahr 2017 hatte er erfolgreich vermittelt und war maßgeblich daran beteiligt, dass es im Juni 2018 zum ersten Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Trump und Kim Jong-Un in Singapur kam. Auch in den innerkoreanischen Beziehungen gab es Fortschritte. So fanden im Jahr 2018 insgesamt drei Gipfeltreffen zwischen Präsident Moon und Kim Jong-Un statt, auf denen vertrauensbildende Maßnahmen und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden しändern beschlossen wurde. ...

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