2016: Zur Nordkoreastrategie der USA

Nordkorea:   06.01.2016 H-Bom Test
                  07.02.2016 Missile

Warum die USA ihre Nordkoreastrategie überdenken sollten.



Am 6. Mai begann in Pyöngyang der 7. Kongress der Koreanischen Arbeiterpartei. Der letzte Kongress hatte vor 36 Jahren stattgefunden und auf ihm hatte der damalige Staats- und Parteichef Kim Il Sung seinen Sohn Kim Jong Il als seinen Nachfolger durch dieses höchste Organ der Partei absegnen lassen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen, dass auch dieser Parteikongress wegweisende Entscheidungen mit sich bringt. Bisher zeichnet sich vor allem eine Festschreibung der von Kim Jong Un 2013 verkündeten „Byungjin“-Politik der „Parallelen Entwicklung“ ab. Sie beinhaltet die gleichzeitige Entwicklung der Atomwaffen und der Wirtschaft. Sie ersetzt die von Kim Jong Uns Vater Kim Jong Il propagierte „Songun“-Politik, die „Das Militär zuerst“ propagierte. Der Parteikongress nährte Überlegungen, dass damit die Rolle der Partei gegenüber dem Militär wieder aufgewertet werden könnte. Dies könnte dann damit einhergehen, dass in Zukunft weniger in das Militär und stattdessen mehr in die Entwicklung des Landes, seiner Wirtschaft und Infrastruktur investiert wird. Kim Jong Un kündigte auf dem Parteikongress an, dass Nordkorea Atomwaffen nicht als erster einsetzen werde und die Beziehungen zu Südkorea verbessern wolle. Wer aber glaubt, dass Nordkorea auf seine atomare Abschreckung verzichten wird, der irrt.


Die immer neuen Atom- und Raketentests, aber auch die Schilderungen von Journalisten, die Pyöngyang zum Parteitag nach Jahren wieder besucht haben, machen deutlich, dass die Sanktionspolitik gescheitert ist, weil Nordkoreas Exporte von Kohle, Erzen und Waffen viel Geld ins Land bringen.

Präsident Obamas Politik der strategischen Geduld gegenüber Nordkorea unterschied sich von der seines Vorgängers George Bush dadurch, dass sie auf verbale Provokationen verzichtete. Aber anders als die Bush-Administration, die von 2005 bis 2007 in den Sechs-Nationen-Verhandlungen mit Nordkorea vergeblich ein Atomabkommen anstrebte, bestand ihre Politik de facto die meiste Zeit in einer schlichten Ignorierung Nordkoreas. Dies verleitete das so sehr auf Anerkennung erpichte Regime in Pyöngyang nicht zu Verhandlungsbereitschaft, sondern zu immer neuen Provokationen.

2012 handelten Nordkorea und die USA einen Deal aus, der zur Einstellung des Urananreichungsprogramms Nordkoreas gegen die Lieferung von Lebensmitteln hätte führen sollen. Dann aber unternahm Nordkorea einen Raketentest und die USA brachen die Verhandlungen ab. Die USA glaubten in oberlehrerhafter Manier, Nordkorea für seine Unbotmäßigkeit bestrafen zu müssen.

Mittlerweile fragen aber immer mehr amerikanische Nordkorea- und Militärexperten, ob die Nordkoreapolitik Präsident Obamas zielführend ist. Die einen sprechen von wenigen verbliebenen nicht-militärischen Optionen gegenüber Nordkorea, andere sprechen nicht mehr von der notwendigen Denuklearisierung Nordkoreas, sondern vom Verzicht auf die Weiterentwicklung der Atomwaffen.

Kim Jong Un sagte auf seiner Parteitagsrede, dass die Atombombe Nordkorea Sicherheit und Würde gebracht habe. Ihm zufolge garantiert allein die Bombe die Sicherheit Nordkoreas. Sie ist für ihn aber auch eine Frage des nationalen Stolzes. Von Nordkorea die Abschaffung seiner Atomwaffen zu fordern, ist deshalb völlig abwegig. In Verhandlungen müssen sich die USA daher auf die Nichtweiterentwicklung der Atom- und Raketenwaffen und auf die Nichtweiterverbreitung von nuklearem Material und Know-how konzentrieren.

Was in der amerikanischen Diskussion fehlt, sind Überlegungen, die die Atom- und Raketenproblematik in eine Gesamtstrategie zur Befriedung der koreanischen Halbinsel einbinden. Nötig ist ein Gegenkonzept zu Nordkoreas Wunsch nach einem Friedensvertrag mit den USA und dem Abzug der US-Truppen aus Südkorea, den Nordkorea mutmaßlich nur anstrebt, um dann die gewaltsame Vereinigung der Halbinsel im zweiten Anlauf zu erreichen.

Die USA sollten aber den Gedanken eines Friedensvertrags aufnehmen, allerdings ohne Truppenabzug, und ihn stattdessen mit dem Vorschlag eines Nichtangriffspakts verbinden, der dem Regime seine immerwährende Angst vor einem Krieg der USA gegen Nordkorea nimmt.

Dazu bedarf es aber einer anderen strategischen Geduld, als sie Präsident Obama bisher propagiert hat, nämlich eines geduldigen Verhandelns mit Nordkorea, das nicht auf jede Provokation durch einen Raketen- oder Nukleartest mit dem Abbruch aller Verhandlungen reagiert. Die USA müssten auf diesem Weg einer Verhandlungskontinuität versuchen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, durch das Nordkorea langfristig in ein stabiles politisches System eingebunden würde. Der erste Schritt muss dabei darin bestehen, dass man die Denuklearisierung nicht als Vorbedingung für Verhandlungen fordert.

Ein solcher Verhandlungsweg ist nicht ohne die Mitarbeit Südkoreas möglich, wobei die gegenwärtige Präsidentin keine Freundin solcher Verhandlungen sein dürfte. Diese Verhandlungen sollten auch nicht im bisherigen Rahmen von 6-Länderverhandlungen geführt werden. Das 2012 erreichte und dann wieder abgeblasene Abkommen hat gezeigt, dass die USA in direkten Verhandlungen mit Nordkorea schneller zum Ziel kommen können.

Ein Abzug der US-Truppen aus Südkorea wäre für die USA nur im Rahmen einer völlig veränderten Mächtekonstellation in Asien denkbar, in der China, die USA und Japan keine Kontrahenten mehr in Ostasien sind. Das ist aber nicht in Sicht. Die US-Truppen stehen ja nicht nur aus Furcht vor einer nordkoreanischen Aggression in Südkorea, sondern auch wegen China, auch wenn das nicht offen ausgesprochen wird. Der Abzug der USA von der koreanischen Halbinsel würde das Bündnis mit Japan und Südkorea gefährden. Vor allem Japan setzt auf die Präsenz der US-Truppen in der Region, als Gegengewicht zu China. Bei einem Rückzug der USA aus Südkorea würde Japan wohl nach der eigenen Atombombe streben und damit ein Wettrüsten in der Region in Gang setzen.

Gelingt es nicht, Nordkorea in ein Verhandlungskonzept einzubinden, wird das Land voraussichtlich in fünf Jahren eine Rakete haben, die das amerikanische Festland erreichen kann. Dann dürfte es umso schwieriger sein, mit dessen Führung über die Sicherheit und Zukunft der koreanischen Halbinsel zu verhandeln.

Von: Siegfried Knittel
Veröffentlicht am 09.05.2016
Quelle:  Internationale Politik und Gesellschaft, 10. Mai 2016, ipg-journal