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"Der verwundete und zu Boden gefallene Mensch, ist das nicht Jesus selbst?" (Pfr. SEKI, Kyoto, 2002)
"Anerkennung verweigern nicht zuletzt viele Christinnen und Christen" (M. Sonntag)
"Ich bin doch ein Mensch"  (Kalligraphie aus der Befreiungsbewegung der Buraku)

Buraku-Befreiung

AK Sinti/Roma und Kirchen: 10 Jahre - Festvortrag Wulz

 

Buraku, Sinti & Roma und andere Minderheiten

Der AK Sinti/Roma und Kirchen in Baden-Württemberg
feierte seinen 10. Geburtstag im Haus der Begegnung in Ulm

am 1. Juli 2009

 

Festvortrag - Prälatin Gabriele Wulz, Prälatur Ulm der Evangelischen Landeskirche in Württemberg


Prälatin Gabriele Wulz

 

10 Jahre „Arbeitskreis Sinti/Roma und Kirchen“ das ist ein Grund zum Feiern und ein Anlass zum Rückblick Halten.

Mir ist die Ehre zuteil geworden, die Geschichte des Arbeitskreises vorzustellen. Von außen. Als eine, die nicht dazu gehört, die sich erst mit dem Arbeitskreis und seiner Geschichte bekannt machen musste und die aus diesem Anlass in eine fremde Welt eingetaucht ist.

Ein spannendes Unternehmen.

Am Anfang dachte ich: Um Himmels willen, warum habe ich mich darauf nur eingelassen.

Aber alles Verdrängte schreit ja danach ans Tageslicht zu kommen.

So interpretiere, so deute ich auch Ihre Anfrage für diesen Vortrag, und stelle mich der Aufgabe und vollziehe damit stellvertretend, quasi symbolisch für unsere Landeskirche einen Erkenntnisprozess nach: Von vagem Wissen bis hin zu einem etwas tieferem Verstehen und hoffentlich insgesamt sensibilisiert für die Problematik, die sich mit dem Thema Sinti und Roma und Kirchen verbindet.

„Wissen ist alles“ hat Magdalena Guttenberger in einer Reportage über ihr Engagement im Arbeitskreis gesagt und damit auf den Punkt gebracht, worauf es ankommt. „Wissen und deshalb verstehen, was ist“. Das ist die große Alternative, die für alle Seiten funktioniert und die einzige echte Alternative zu Diskriminierung und herablassendem Paternalismus.

Wie schnell man aber immer wieder in die eine oder andere Falle tappt, liegt auf der Hand. Eine jahrhundertelange Geschichte der Ausgrenzung, der Ver-gegnung hat Klischees und Bilder geprägt. Und die meisten Nicht-Roma, Nicht-Sinti haben keinerlei Kontakte zu Roma oder Sinti.

Aber wer ein bisschen nachfragt, wer mit offenen Ohren sich umhört, mit offenen Augen umschaut, der kann sein blaues Wunder erleben: Im kollektiven Gedächtnis ist noch alles da. Und jedes Vorurteil präsent. Jeder Zeit abrufbar.

Und wie die Geschichte von Magolsheim zeigt, ist auch der Ausbruch von Gewalt jeder Zeit möglich.

Das Tabu ist also keinesfalls gebrochen, die Verfolgungsgeschichte an Sinti und Roma noch keineswegs aufgearbeitet oder wirklich in den Blick gekommen.

Die rassistische Sondererfassung der Sinti und Roma durch die Polizei reicht bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Und die unterlassenen oder verzögerten Kompensationszahlungen für erlittenes Unrecht und die fortgesetzte Diskriminierung der Sinti und Roma sind kein Thema des gesellschaftlichen, des politischen Diskurses oder des öffentlichen Aufschreis.

Jedenfalls fast keines.

Ein kleiner AK leistet unbequeme, zähe, beharrliche Aufklärungs- und Bildungsarbeit, auch wenn ihm immer wieder erklärt wird, dass eigentlich niemand daran Interesse hat oder fast niemand. Und dieser AK gibt nicht auf, auch wenn immer wieder neue, schier unüberwindbare Hindernisse in den Weg geräumt werden.

Wie dieses z.B., dass gerade alle Verhandlungen über Lehrpläne mit allen Beteiligten abgeschlossen sind und dann die Kulturministerin verkündigt, dass es in Zukunft keine Lehrpläne mehr geben wird jedenfalls keine fest verbindlichen und von nun die Kompetenzen der Schüler und Schülerinnen im Zentrum stehen sollen.

Aber von den Schwierigkeiten zurück zur Geschichte des Arbeitskreises:

Wenn ich mir die Geschichte des AK`s anschaue bzw. seine Vorgeschichte, dann hat es den Anstoß von außen gebraucht.

Einen recht unsanften. Einen kritischen.

Im Jahr 1993 fand eine der regelmäßig stattfindenden Deutsch-japanischen Kirchenkonsultationen in Leipzig statt. Dort fragten japanische Christenmenschen mit ihrem Dolmetscher, Andreas Hoffmann-Richter, die Vertreter und Vertreterinnen der EKD auf dem Hintergrund ihrer eigenen Solidaritätsarbeit mit diskriminierten Buraku, wie denn die Situation für Sinti und Roma in Deutschland sei.

Die EKD-Vertreter reagierten erfreulich ahnungslos und luden die japanischen Vertreter wieder ein. Sie sollten sich selbst ein Bild von den Aktivitäten machen.

1991 war ja die EKD-Denkschrift „Sinti und Roma eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland“ erschienen, die angesichts der Diskussion um Entschädigung, fortgesetzte Diskriminierung und Bleiberecht für Romaflüchtlinge eine gewisse politische Brisanz hatte.

Man war sich von Seiten der EKD und der Verfasser bewusst, dass diese Studie keine abschließende Stellungnahme sein konnte - vielmehr ein erster Schritt, und dass viele der angeschnittenen Fragen in Zukunft weiter bearbeitet werden müssten.

Vor allem aber würde es darauf ankommen, die dort gewonnenen Einsichten in Kirche und Gesellschaft weiter zu entwickeln und mehr noch: in der Praxis auch umzusetzen.

Dabei war den Verfassern dieser Studie klar, dass die Beschäftigung mit dem Thema „Sinti und Roma“ nicht sofort auf ungeteiltes Interesse und hohe Akzeptanz stoßen würde. Sie fragten deshalb zu Beginn: „Das Thema ist aktuell und notwendig aber geht es die Kirche an? Die Frage stellt sich für die evangelische Kirche umso mehr, als die wenigsten der betroffenen Sinti und Roma evangelische Christen sind. Sie gehören der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche an, oder sind Muslime.“ Dann aber fuhren sie fort und führten aus, warum es dennoch notwendig sei, sich als EKD zu diesem Thema zu positionieren:

• Sehr viele Sinti und Roma befinden sich in seiner bedrängten Lage, in der sie Hilfe und Unterstützung brauchen. Sie sind demnach „die geringsten Brüder“, an die uns der Herr selbst gewiesen hat.

• Es gibt eine historische Schuld der Kirche gegenüber den Sinti und Roma auch eine Mitschuld am Holocaust an den Sinti und Roma, die bis heute noch nicht erkannt und bekannt ist. Eine Neubestimmung des Verhältnisses (etwa analog zum jüdisch-christlichen Dialog) hat nicht stattgefunden. „Es gibt eine geschichtliche und moralische Verpflichtung, die belastete Vergangenheit aufzunehmen und einen neuen Anfang zu machen.“

• Das Thema Sinti und Roma hat eine erhebliche gesellschaftliche Brisanz gewonnen. Die Kirche hat den Auftrag, den Frieden der Gemeinschaft wahren zu helfen. Zwischen der Mehrheit und der Minderheit herrscht ein spannungsvolles Verhältnis. Das kann uns als Kirche nicht gleichgültig lassen.

Als Aufgaben der Kirche benennt die Studie:

• Räume zur Begegnung und zur Versöhnung zu schaffen. Darin wird die Kirche ihrem Auftrag gerecht.

• Dazu muss man natürlich überhaupt erst einmal wahrnehmen, wo Sinti und Roma leben und wie sie leben. Die Nicht-Wahrnehmung gilt es zu durchbrechen.

• Das Schweigen muss durchbrochen werden, geschichtliche Erfahrungen müssen sichtbar gemacht und erinnert werden.

• Diskriminierung muss benannt werden historisch, aber auch aktuell. Dazu braucht es entsprechende Aufklärung und Sensibilisierung durch entsprechende Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen vom Kindergarten bis zur Akademie. Kirche muss ihrem Auftrag, „ihren Gliedern die christlichen Werte (Respekt vor dem anderen, Liebe und Gerechtigkeit) zu vermitteln“, nachkommen. Der Kinder- und Jugendarbeit kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil in dieser Phase des Lebens Einstellungen geprägt werden.

• Auch wenn sich die Kirche zunächst mit ihren Aussagen und Bemühungen an die eigenen Gemeindeglieder wendet, so hat sie doch auch die Aufgabe in der Öffentlichkeit auf eine sachgemäße Behandlung der anstehenden Fragen hinzuwirken. Sie hat deshalb den Auftrag, ihre Stimme für die Minderheit der Sinti und Roma zu erheben, die sonst kaum eine öffentliche Unterstützung haben. Die Kirche muss ihre politische Macht in die Wagschale werfen und solidarisch sein.

1991 wurden in der Denkschrift konkret folgende Punkte beschrieben:

• 1. Der Einsatz für eine angemessene Entschädigungsregelung für das während der NS-Verfolgung erlittene Unrecht. (Anfang 2000 gab es Entschädigungen für Opfer für die im KZ geleistete Zwangsarbeit aus dem Fonds für Zwangsarbeit).

• 2. Die Unterstützung im Kampf um das Recht auf eine eigene kulturelle Identität zu unterstützen. (Dabei steht für die Sinti selbst ihre Identität nicht in Frage, aber ihre Anerkennung wird oft nicht erlebt).

• 3. Der Einsatz für eine Zukunftsperspektive der Sinti und Roma gesamteuropäische Bleiberechtsregelungen. (Das betrifft die deutschen Sinti und Roma nicht, mit denen der AK zusammenarbeitet. Für sie ist das Hauptproblem die Missachtung und die Meidung durch die Mehrheitsgesellschaft und daraus resultierend Diskriminierung im Blick auf Zugang zu Bildung, Arbeit, Wohnung und Kontakte.)

Welches Echo hat diese Studie gefunden?

Zunächst einmal scharfe Kritik von Seiten des Zentralrats der Sinti und Roma, der weder um Rat gefragt worden war noch mit am Tisch saß. Es war also bei der Erarbeitung dieser Studie ganz anders vorgegangen worden als bei den vergleichbaren Studien zu Juden und Christen I und II und III. Kein vorauslaufendes oder begleitendes Gespräch, kein Dialog, sondern ein Reden „über“, so sensibel, so sinnvoll und so wohlmeinend es dann auch gewesen sein mag, aber in der Struktur klar: Hierarchisch und nicht auf Augenhöhe.

Und in Kirchenkreisen ist die Studie nie rezipiert worden und so zielsicher in den Schubladen verschwunden, dass ein paar Jahre später, nach der großmütigen und großzügigen Einladung der japanischen Delegation zusammen mit Andreas Hoffmann-Richter die Gastgeber in arge Schwierigkeiten kamen. Es gab nämlich nichts an Solidaritätsarbeit vorzuzeigen. Es war im Außenamt der EKD nicht einmal bekannt, dass der niedersächsische Verband der Sinti und Roma seine Büros vis a vis in derselben Straße hatte.

Also wollte man die Japaner schon wieder ausladen; die aber blieben hartnäckig und kamen trotzdem.

Moto Nakamichi aus Reutlingen hatte über ein Flugblatt eine Adresse in Frankfurt ausfindig gemacht, diese nach Japan geschickt und auf diese Weise einen Kontakt vermittelt. So kam der Besuch im Sommer 1995 dennoch zustand mit dem Ergebnis: Von den hehren Forderungen und Zielen, die in der Denkschrift genannt worden waren, ist nichts verwirklicht. Es gibt keine Gespräche, keine Kontakte, keine Unterstützung.

Das Thema Sinti und Roma war in der EKD im Zusammenhang mit der diakonischen Arbeit verortet und dann außerhalb Deutschlands, oder im Bereich der Rückführung von Migranten, einem Projekt der Bundesregierung.

Das aber war und ist dem Selbstverständnis der deutschen Sinti und Roma mit ihrer langen Geschichte in Deutschland, auch ihrer langen Leidensgeschichte hier in diesem Land in keiner Weise angemessen

Die erste Reise nach Japan 1996 hat die Beziehungen intensiviert. Die 2. Reise mit einer etwas größeren Delegation fand zwei Jahre später statt.

Inzwischen war Andreas Hoffmann-Richter aus Japan zurückgekehrt mit einem Mandat der Buraku versehen, nach den Geschwistern zu schauen und zu sehen, wie es den Sinti und Roma in Deutschland gehe und was zu tun sei, um ihre Lage zu verbessern.

Und schließlich am 1. April 1999 die Gründung des AK Sinti/Roma und Kirchen Baden-Württembergs beim EMS in Stuttgart.

Die Liste der Gründungsmitglieder liest sich ein bisschen wie der heutige Protokollverteiler. Der AK ist offensichtlich ein treues Gremium. Zumindest auf dem Papier. Aber es hat auch ein wenig Veränderung gegeben.

Erweiterungen. Das ist gut und wichtig. Vor allem mit den Jahren die Kontakte zur Diözese Rottenburg Stuttgart, zur ACK. Kirchenrat Martin Pfeiffer vermittelte politische Kontakte und Gespräche. Manfred Budzinski führte Kooperationstagungen in Bad Boll durch. Gisela Koellner beim EMS managt(e) das Büro beim EMS.

Und immer wieder Reisen hin und her. Japan und Indien. Die Fragen der Minderheiten: seien es nun die Buraku oder die Dalit oder eben die Sinti und Roma, und wie sich diese Thematik in den jeweiligen Ländern darstellt in Gleichheit und Verschiedenheit. Das hat Sie immer wieder sehr direkt bewegt und beschäftigt.

Ab 2009 sogar mit einer Geschäftordnung. Spätestens im 10. Jahr wird aus einer Initiative etwas Ordentliches, Gefestigtes, eine Struktur. Etwas also, das Sie alle überdauern wird.

Und das ist auch gut so, denn das Thema ist mit ihrem Engagement und Eifer noch lange nicht erledigt.

Warum nicht?

Weil Ihr Ziel, ein Umdenken in Kirche und Gesellschaft zu initiieren, eine große Aufgabe ist, die noch nicht so schnell erledigt sein wird.

Denn die Vorurteile wiegen schwer. Zweidrittel unserer Gemeindeglieder (!) haben höchst vitale Vorurteile gegen Sinti und Roma.

In einer kleinen Broschüre, die der AK Sinti und Roma und Kirchen im Jahr 2003 herausgegeben hat, heißt es:

„Fragt man Menschen in Deutschland, was ihnen zu Sinti und Roma einfällt, dann weiß kaum jemand etwas zu sagen. Fragt man sie, was ihnen zu Zigeunern einfällt, so kommt schnell eine Sammlung alter Vorurteile zusammen; jeder kennt sie. Daneben gibt es auch eine unangemessene Romantisierung in Bildern und Liedern.“

Aber es gibt kaum Bereitschaft, sich mit diesen Vorurteilen, sich mit diesen Klischees auseinanderzusetzen und sich dem tiefen Rassismus unserer Kultur zu stellen.

Und die antiziganistischen Vorurteile haben eine abgründige, eine lange Vorgeschichte.

- Als die Sinti und Roma vor den Türken nach Westen fliehen, werfen die Einheimischen Spionage für die Türken vor.

- Als Sinti und Roma versuchen, sich im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation als freie Handwerker niederzulassen, wird ihnen vom Kaiser in Schutzbriefen das Durchzugsrecht eingeräumt. d.h. sie können nur „ambulant“ tätig sein, sind also zum Umherziehen gezwungen. Zugleich wenden sich Zünfte und Bürgertum gegen das ambulante Gewerbe und gegen die „Bettelei“. Luther formuliert dagegen sein protestantisches „Berufsethos“.

- Als Sinti und Roma Zugang zur christlichen Konfession suchen, zögert man sie aufzunehmen und verdächtigt sie der Abgötterei.

- Zur Zeit der Aufklärung sieht man in ihnen das Urbild des ungebildeten Primitiven.

- Als Maria Theresia Sinti und Roma-Familien die Kinder planmäßig wegnehmen lässt und sie zur Zwangsadoption an „anständige Familien“ gibt, wirft man den Sinti vor Kinder zu „stehlen“, obwohl sie. eigentlich ihre eigenen Kinder zurückzuholen.

- Als nach der Abschaffung der Sklaverei in der Türkei dortige Roma einen neuen Wohnsitz und Arbeit in Deutschland suchen, führt man dem damaligen „völkischen“ Selbstverständnis das Blutsprinzip in das Staatsbürgerrecht Preußens ein, wonach z.B. Roma aus Siebenbürgen kein Bürgerrecht erwerben können (Dieses rassistische Blutsprinzip, 1913 im Staatsbürgerrecht des Deutschen Reichs wieder formuliert, ist bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts im wiedervereinigten Deutschland nicht abgeschafft, anders als in anderen westlichen Staaten).

- Als man im Nationalsozialismus ein reines arisches Volk sein bzw. schaffen will, werden Sinti und Roma für verunreinigte Arier erklärt und in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.

Die Geschichte des Antiziganismus ist mit der deutschen Kultur-, Sozial- und Religionsgeschichte verbunden und verwoben und wird erst allmählich aufgearbeitet und ans Tageslicht gebracht.

Zunächst für einen kleinen Kreis. Aber diese Forschung wartet darauf erschlossen zu werden für größere Kreise: Für Kinder, Jugendliche, Erwachsene.

Das Mitleid reicht nicht. Es ist ein spontanes Gefühl und nicht immer frei von Asymmetrie, also „von oben herab“, demütigend für diejenigen, die zu Objekten gemacht werden und die nicht Mitleid wollen, sondern Anerkennung, Respekt und endlich das, was nach den Menschenrechten ihr Recht ist.

Das Verhältnis der Kirchen zu den Sinti und Roma in Deutschland im Lauf ihrer rund 600 jährigen gemeinsamen Geschichte bedarf genauerer Aufarbeitung.

Es ist nicht zu übersehen und eine Tatsache, dass die Kirchen Sinti und Roma keine Hilfe oder keine nennenswerte Hilfe während des Holocausts leisteten. Im Gegenteil: Pfarrer leisteten Hilfe, indem sie die Kirchenbücher für die Sondererfassung öffneten.

Nach dem Ende Faschismus ging das Schweigen weiter.

Und wartet immer noch darauf, gebrochen zu werden und endlich in weiteren Kreisen als Thema entdeckt zu werden.

Wenn Anfragen des Oberkirchenrats, ob es Bedarf in dieser Frage gäbe, unbeantwortet bleiben, dann ist das kein Grund, nichts zu tun, sondern ein Alarmsignal.

Oder wenn die 2003 vom AK herausgegebene Broschüre ungelesen und deshalb auch unbeherzigt geblieben ist, dann heißt das nicht, dass alle schon alles wissen, sondern dass Broschüren wahrscheinlich nicht der richtige Weg sind, um die Pfarrerschaft und die Menschen überhaupt zu erreichen.

Wahrscheinlich braucht es die Kärrnerarbeit: Den Weg in die Klassenzimmer, das Gespräch mit Schülern und Schülerinnen, das langsame Bewusstmachen und sich selbst Bewusstwerden, das immer wieder Erinnern und Mahnen und nicht zuletzt die Arbeit des AK, der nun auf 10 Jahre Arbeit zurückblicken kann und der es verdient, in einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen und zur Kenntnis genommen zu werden.

Es ist ja schon erstaunlich, dass von Japan ausgehend der Anstoß so massiv geworden ist, dass wir uns heute mit einem Thema beschäftigen, auf das wir von alleine nicht gekommen wären.

Denn anders als in Japan oder in Indien haben die Kirchen in Deutschland nichts oder nur sehr wenig getan, dass Vorurteile gegen Sinti und Roma abgebaut wurden weder im Blick auf die massive Anstrengungen im Bereich der Bildungsarbeit noch im Bereich der Lobbyarbeit.

Insofern ist dem AK zu danken, dass er stellvertretend die Aufgabe wahrgenommen hat, das Gespräch mit den deutschen Sinti und Roma zu führen und all die schwierigen Fragen anzugehen - so schmerzhaft, so schwierig und so peinlich sie auch sind.

Das Eis ist ja dünn, und Vertrauen muss ja erst entstehen und wachsen. Man hat ja keine gute Geschichte miteinander erlebt. Im Gegenteil. Die Geschichte, die Minderheiten in einer Mehrheitsgesellschaft haben, ist belastet.

Und Empathie ist gefragt.

Man braucht irgendwo, irgendwie eine Stelle, an der man einmal etwas mitgekriegt hat. Einen anderen Blick, ein anderes Verständnis, die Fähigkeit, vom anderen her zu denken, im Blick des anderen/der anderen zu sehen, dass er / sie anders ist und anders bleibt.

Das auszuhalten und das zu verstehen, ist Zukunftsaufgabe für uns.

Der AK kann uns, und damit meine ich nun die württembergische Landeskirche, da einiges beibringen.

Ich wünsche deshalb weiterhin alles Gute und Gottes Segen für diese Arbeit und für das Gespräch, das noch viel vorhat.

Eines ist auf jeden Fall klar: Wir brauchen Sie in dieser, in unserer Kirche.

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Buraku


Dalit-Solidarität in D

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"Indische Apartheid"