Einleitung zum Yasukuni-Symposium

Der lange Schatten des Yasukuni-Schreins
Symposium in Berlin und Heidelberg, Mai 2015
Deutsch, Japanisch & Koreanisch
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Überlegungen
zur Einleitung der Yasukuni-Veranstaltung am 10. Mai 2015

Till Knaudt (Universität Heidelberg)

Sehr geehrte Damen und Herren,

am gestrigen Samstag vor 70 Jahren war mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht gegenüber der Sowjetunion der Krieg in Europa endgültig zu Ende. Der Krieg in Asien und dem Pazifik sollte sich hingegen noch mehr als drei Monate hinziehen, bis am 14. August mit dem Japanischen Kaiserreich auch die letzte der Achsenmächte kapitulierte. Heute, 70 Jahre nach der Sieg der Alliierten gegen den Vernichtungsfeldzug NS-Deutschlands und die imperialen Eroberungskriege Italiens und Japans, ist es wieder von größter Bedeutung, die Geschichte des Zweiten Weltkrieg zu erzählen. Diese Erzählung muss eine Aufarbeitung dieser dunkelsten Stunde der Menschheitsgeschichte sein, die, endlich, am 8. und 9. Mai, sowie am 14. August mit der Befreiung der Welt von der Herrschaft der Vernichtung, des Faschismus und des Totalitarismus abgelaufen war.

Der Yasukuni-Schrein und sein Kriegsmuseum (Yūshūkan), die hier und am heutigen Tag die Gegenstände von Vorträgen und Diskussionen sein sollen, erzählen eine andere, eine gefälschte Geschichte. Das Yūshūkan nutzt, wie Sie alle wissen, jede Gelegenheit um die Rolle des Japanischen Kaiserreichs im Zweiten Weltkrieg in Asien und der Pazifikregion in einem möglichst positiven Licht dastehen zu lassen. Aus der Perspektive dieses Museums, war der Zweck der Kriege Japans seit 1931 nicht Eroberung, sondern die „Befreiung“ Asiens von den imperialistischen Großmächten des Westens. Diese Geschichtssicht dient aber nicht einfach der Verklärung Japans Rolle als Befreier Asiens. Diese Geschichtssicht richtet sich ausdrücklich gegen die japanische Nachkriegsgesellschaft. Sie richtet sich gegen die Demokratisierung Japans nach 1945, erst von oben durch die US-amerikanische Besatzungsmacht, dann durch emanzipatorische und soziale Bewegungen von unten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich mir erlauben die heutigen Debatten um das Problem „Yasukuni-Schrein“ in drei Problemkomplexe und Fragestellungen aufzuteilen. Diese sind:

a) Das politische Problem. Es stellt sich die Frage, warum der Yasukuni-Schrein überhaupt politisch erstgenommen werden muss. Liegt die Tatsache, dass er seit Mitte der 1970er Jahre durch japanische Premierminister besucht wird, einfach nur am Erstarken der LDP, der Konservativen und der Rechten, oder nicht gleichzeitig an der chronischen Schwäche politischer Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments seit Mitte der 1970er Jahre?

b) Das historische Problem. Was bedeutet dieses Erstarken von Geschichtsrevisionismus wie im Yūshūkan des Yasukuni seit 1970 und besonders seit PM Koizumis Besuchen ab 2001 eigentlich in Bezug auf die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit? Wurde hier Vergangenheitsbewältigung verhindert, oder nicht eher rückgängig gemacht? Ich bin der Meinung, dass die Vergangenheitsbewältigung in Japan bis in die 1980er Jahre wesentlich weiter war als die der Bundesrepublik. Erst die ideologische Dominanz des neu-rechten Revisionismus der 1980er Jahre lässt uns die bundesrepublikanische Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust der japanischen Vergangenheitsbewältigung überlegen erscheinen.

c) Das religiöse Problem. Der Yasukuni-Schrein ist eben auch Shintō-Schrein und damit eine private religiöse Körperschaft. Alle Argumente, die der Schrein für die Einschreinung der Seelen der für den Kaiser gestorbenen Soldaten, Brieftauben, Pferde, Kriegsverbrecher und der Kolonisierten des japanischen Imperiums vorbringt, sind eben auch religiöser Natur, auch wenn der politische Charakter des Staatsshintō und seiner Kaiserverbrämung offensichtlich ist. Dennoch, auch in Europa sind Soldaten unter Kreuzen begraben, oft unabhängig davon, ob die Verstorbenen sich als Christen verstanden oder nicht. Sollte die Religion vielleicht besser weichen, wenn es um gesellschaftliches Kriegsgedenken geht?



Anmerkung: dieser Text war die Grundlage für mein einleitendes Referat im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „70 Jahre Kriegsende und die langen Schatten des Yasukuni-Schreins auf Deutschland und Japan am 10. Mai 2015 am Institut für Japanologie der Universität Heidelberg.