2020: Schicksal eines Kriegsdienstverweigerers

Pressemitteilung ev. Friedensarbeit 
06. November 2020

Nach 50 Jahren an das Schicksal von Kriegsdienstverweigerern erinnert
Grafische Erzählung von Hannah Brinkmann arbeitet Leidensgeschichte ihres Onkels auf

Es war ein Fall, der in den 1970er Jahren bundesweit Schlagzeilen machte und eine DebatteEs war ein Fall, der in den 1970er Jahren bundesweit Schlagzeilen machte und eine Debatteüber die Rechtmäßigkeit der Gewissensprüfung für die Kriegsdienstverweigerung inDeutschland auslöste. Hermann Brinkmann hatte nach mehrmals vergeblichen Versuchen,als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, Suizid begangen. In der grafischenErzählung „Gegen mein Gewissen“ arbeitet seine Nichte Hannah Brinkmann nun 50 Jahrespäter das Schicksal ihres Onkels auf. Diese Woche wurde das für den Leibinger-Preisnominierte Buch vom Verlag in Berlin veröffentlicht.

Hannah Brinkmann hat ihren Onkel nie kennengelernt. Erst als ihre Großmutter starb,entdeckte sie im Nachlass die Todesanzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in derdamals der Fall öffentlich gemacht wurde. „Als ich das sah, habe ich mich das erste Malgefragt, was das überhaupt bedeutet. Ich hatte vorher noch nie vonKriegsdienstverweigerung gehört, wusste nichts von der Problematik“, erzählt sie. Raschentstand die Idee, diesen Fall erneut bekanntzumachen.

„Irgendwie war mein Onkel in der Familie immer präsent. Ich wusste, dass er Suizidbegangen hatte. Aber die Entscheidung, ein Buch daraus zu machen, entstand erst, als ichmich mit den politischen Dimensionen auseinandersetzte und erfahren habe, wasKriegsdienstverweigerern in Deutschland in dieser Zeit passiert ist“, so die Autorin. Und sowird diese grafische Erzählung nicht nur eine Erinnerung an ein Familienschicksal, sonderndie Darstellung eines Unrechts, das viele junge Männer erlitten haben, weil sie ihremGewissen folgten, aber nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurden.

In ihrem Buch schildert Hannah Brinkmann eindringlich den Stress und die Demütigungen,die die Betroffenen in den Prüfungsverfahren vor oft voreingenommenenPrüfungsausschüssen erleiden mussten. In den Illustrationen erfährt der Leser von denSchwierigkeiten, die auf Kriegsdienstverweigerer wartete, von Vorurteilen und persönlichenBelastungen, denen sie ausgesetzt waren.

„Es ist gut, dass auf diese Weise nochmals bewusst gemacht wird, was es in diesen Jahrenhieß, seinem Gewissen zu folgen und wie oft diesen Menschen Unrecht geschah“, betontRudi Friedrich von Connection e. V., einem Verband, der sich für die Rechte vonKriegsdienstverweigerinnen und Kriegsdienstverweigerern weltweit einsetzt. „Aber es istauch ein Beitrag dazu, auf das Schicksal vieler junger Menschen in vielen Ländern der Welthinzuweisen, die aufgrund der Ausübung ihres Menschenrechts aufKriegsdienstverweigerung verfolgt, bestraft, ins Gefängnis gesteckt und schikaniert werden.Denn leider ist Kriegsdienstverweigerung in vielen Ländern weiterhin nichtselbstverständlich. Im Gegenteil. Sie werden oft dazu gezwungen, gegen ihren Willen einenDienst mit der Waffe abzuleisten“, fügt er hinzu.

Für Maike Rolf, Referentin bei der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden(EAK), erfüllt das Buch noch einen weiteren wichtigen Zweck. „Ich gehöre einer Generationan, in der die Wehrpflicht keine Rolle mehr spielt. Gerade darum ist es wichtig, dass durchein solches Buch hier das Bewusstsein für das in unserem Grundgesetz garantierteGrundrecht auf Kriegsdienstverweigerung geweckt wird und klar wird, dass die Ausübungdieses Grundrechts nicht selbstverständlich ist“, macht sie deutlich. Und es dürfe nichtvergessen werden, dass auch heute noch, auch nach Aussetzung der Wehrpflicht, Soldatenund Soldatinnen ihrem Gewissen folgen und den Dienst mit der Waffe verweigern. „Undauch diese sind nach wie vor Schikanen ausgesetzt bei der Ausübung ihres Grundrechts“, soMaike Rolf.

Und für Hannah Brinkmann ist noch etwas wichtig: „Gerade in einer Zeit, wo vonPolitikerinnen und Politikern wieder die Einführung der Wehrpflicht gefordert wird, ist esgut, dass auch an das Schicksal von Kriegsdienstverweigerern erinnert wird. Denn dies wirdbis heute gern verschwiegen.“

Bonn/Offenbach, 6. November 2020/dj

Hannah Brinkmann: Gegen mein Gewissen. Berlin 2020 (Avant-Verlag), 232 Seiten, ISBN 978-3-96445-040-1, 30 Euro, www.avant-verlag.de, www.hannahbrinkmann.com

Kontakt:
Rudi Friedrich (Connection e.V.), Telefon 069 82 37 55 34, office@Connection-eV.org
Maike Rolf (EAK), Telefon 0228 24 999-0, rolf@eak-online.de

ef hannah brinkmann gegen mein gewissen 

https://www.avant-verlag.de/comics/gegen-mein-gewissen/






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