2011 HANJIN Heavy Industries, Pusan

pr_fs_hanjin

EIN LEBEN FÜR UNS ALLE

YI Eun Hi

Seit über 5 Monaten hält die Arbeiterin KIM Jinsuk den Kran Nr. 85 der Hanjin Schwerindustriefirma in Busan/Südkorea besetzt. Sie fordert die Wiedereinstellung der 172 Arbeiter, die angeblich "betriebsbedingt" entlassen wurden.

Die Firma Hanjin Heavy Industries hatte im Dezember letzten Jahres die 400 Arbeiter im Produktionsbereich aufgefordert,  die Firma freiwillig zu verlassen. Begründet wurde diese Maßnahme mit Betriebsverlusten und Rückgang bei den Neuaufträgen. 172 Arbeiter, die dieser Aufforderung nicht nachkamen oder keinen Grund dafür sahen, wurden "betriebsbedingt" gekündigt.

Am 6. Jan. 2011, als die angeblich "betriebsbedingte" Entlassung bevorstand, bestieg KIM Jinsuk den Kran Nr. 85 auf dem Gelände der Hanjin Heavy Industries. Dieser Kran ist ein historischer Ort. Am 17. Okt. 2003 nahm sich der 41-jährige Gewerkschafter und Ortsvorsitzende KIM Ju-Ik hier das Leben. Es war der 129. Tag seiner  Kran-Besetzung. Denn er hat von dem 35 Meter hohen Kran sehen können, wie stark die streikenden Arbeiter auf dem Gelände der Werft unter Gewalt und Druck gerieten. Sein Freitod wendete aber dann die Lage, so dass das ganze Land auf das betreffende Thema aufmerksam wurde und den Hanjin-Arbeitern damit der Sieg verschafft wurde.

Wegen welcher Verluste?

Wie bei jedem Strukturwandel liegen hier auch angeblich "betriebsbedingte" Gründe vor: Die Werft auf der Insel Youngdo in Busan (Südkorea) habe in den letzten Jahren kaum neue Aufträge bekommen und der reine Verlust des letzten Jahres betrage ca. 51,7 Milliarden KRW (umgerechnet ca. 34,5 Millionen Euro). Aber diese Gründe überzeugen nicht.

Der Analyse von Internetjournalist LEE Jeonghwan [i] zufolge enthält dieser Betrag den Verlust, der nach der Equitymethode bilanziert ist, wobei hier die Baukosten für die Werft auf der philippinischen Subic Bay u. a. mitberücksichtigt sind. Darüber hinaus enthalte der betreffende Betrag auch Zinszahlungen für die Schuldenaufnahme. Andererseits steht aber der prozentuale Betriebsgewinn im Bereich Schiffbau unter den Produktionsbereichen der Hanjin Heavy Industries mit ihrer stolzen Zahl von 13,7 % über dem  konkurrierender Firmen. Die neue Subic Werft [ii] in Philippinen, deren Aktien zu 100 % in Hanjin Besitz sind, bekam in den letzten drei Jahren zahlreiche Aufträge und kam in diesem Jahr bereits in die Gewinnzone, während der Busaner Werft kaum neue Aufträge zuteilwurden. Auch auf dem internationalen Aktienmarkt wurden die "Schiffbau- und Schifffahrtswerte" der Hanjin Heavy Industries als "gesucht" bewertet.[iii]

Es liegt sehr nah, dass die Firma Hanjin Heavy Industries mit der Verlegung der Werft an einen kostengünstigeren Produktionsort mehreren hundert Arbeitern in Korea die Lebensgrundlagen entzogen hat. Die Rechtsmäßigkeit ihrer angeblich "betriebsbedingten" Kündigung ist umstritten.

KIM Jinsuk, die erste Schweißerin der Hanjin Werft

KIM Jinsuk ist aber mit diesem Umstand nicht einverstanden. 1982 wurde sie als 21-jährige im Schiffbau eingestellt. Sie war hier die erste Frau als Schweißerin. Sie hoffte, sie könnte 5 Jahre lang fleißig arbeiten, Geld sparen und ein Haus kaufen. Nach 5 Jahren wurde sie aber entlassen, weil sie sich für die demokratische Gewerkschaftsarbeit einsetzte, statt alle unwürdigen Situationen hinzunehmen.

In einem antikommunistischen Land wie Südkorea riskiert man, mit dem Einsatz in der Gewerkschaftsarbeit  als "Rote Socke" bezeichnet zu werden. KIM Jinsuk wurde mehrmals von der "antikommunistischen" Abteilung des südkoreanischen Geheimdienstes vernommen. 

Es ist auch bekannt, dass sie seit dem Freitod des Arbeitskollegen KIM Ju-Ik auf dem Kran Nr. 85 der Hanjin Werft auf der Insel Youngdo, Busan, Südkorea nie mit warmem Wasser geduscht und das Zimmer geheizt hat. Inzwischen ist sie 52 Jahre alt und Vorstandsmitglied im Busaner Büro von KCTU (Korean Confederation of Trade Unions).

pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin

Fotoquelle: Gewerkschaft der Hanjin Heavy Industries

Bedrohungsgebärden der scheinbar Starken

Aber die Justiz ist fern. Die Firma wollte von ihren gekündigten Arbeitern nichts mehr hören. KIM Jinsuk und ihre Kollegen wollen die Lage so nicht hinnehmen. Die Forderung nach einer friedlichen Lösung wird mit Gewalt beantwortet.  Das Video, das hier angehängt ist, stammt vom 10. Juni 2011.

Eine Schauspielerin, die am nächsten Tag dabei war, hat photographiert, wie die unbewaffneten Arbeiter von privaten - von der Firma angestellten  - Wachleuten mit ihren Schilden geschlagen wurden. Sie hat an die Solidarität mit den Arbeitern appelliert. 

Bei einem anderen Video kann man aber auch sehen, wie viele Bürger in Südkorea sich für die friedliche und vernünftige Lösung auf der Hanjin Werft sorgen. Die Bürger, die sich am nächsten Tag auf die zweitägige Bustour, genannt HOFFNUNGSBUS, für die mentale Unterstützung der Arbeiterin KIM Jinsuk,  begeben wollten, hörten auch von dieser gewalttätigen Situation. Trotzdem haben viele, sogar mit Kleinkindern zusammen, die Tour gewagt. Auch eine solidarisierende Spendenaktion ist gestartet worden, um die Familien der entlassenen Arbeiter zu unterstützen. 

Eine Regisseurin in einem aufgenommenen Video spricht:

"... warum ich an dem HOFFNUNGSBUS teilgenommen habe. Ich  erfuhr in der Bibel, durch das Evangelium: Du sollst nicht wie Leviten oder Priester an einem schwer verletzten Menschen vorbeilaufen, sondern handeln wie eine gute Samariterin. Das will ich praktizieren. ... Was ich mitgebracht habe... Sehen Sie... hier steht: Wir lieben KIM Jinsuk."

Die Teilnehmer am HOFFNUNGSBUS haben nach der Ankunft vor der Werft die Mauer zum Werksgelände überstiegen. Sie wurden zum großen Teil in Polizeigewahrsam gebracht. Aber mit dieser Aktion haben die südkoreanischen Bürger eine feste Solidarität gezeigt mit den Arbeitern, die unter der Ignoranz und und Arroganz des Kapitals leiden und Mut gezeigt.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass versucht wird, KIM Jinsuk von diesem legendären Kran mit Gewalt herunter zu schleppen, was die Arbeiterin KIM Jinsuk in diesem Fall in den Freitod drängen  könnte. Ein Kennzeichen war schon zu sehen. Es ist bekannt, dass die Firma den Einsatz von Polizeimaßnahmen fordert. Vor einigen Tagen hat KIM Jinsuk durch Twitter mitgeteilt, dass die Polizei  auf dem Kran Nr. 84 direkt neben Nr. 85 stieg und den Aufbau des Krans angeschaut hat. Nr. 84 sei baugleich mit Nr. 85. Die Furcht um ihr Leben  steigt.

Aufruf zu internationaler Solidarität

Es wird nun die internationale Aufmerksamkeit und Solidarität aufgerufen. Die Kranbesetzung der KIM Jinsuk ist das Zeichen dafür, dass der Unternehmensmethode der "Heuschrecken" auf Kosten des Lebens der Arbeiter nicht mehr weiter freie Bahn gewährt werden darf.

Die Solidarität mit KIM Jinsuk bedeutet nicht allein eine Solidarität mit einer bestimmten Arbeiterin, nicht mit den Arbeitern in einem bestimmten Land, sondern auch mit den Arbeitern auf der Subic-Werft, die Firma Hanjin stolz als eine der zehn größten Werften der Welt bezeichnet. Auch mit allen Arbeitern auf der Welt , die vor der spielerischen Zahlenlogik und menschenverachtenden Arbeitsbedingungen von Tag zu Tag um die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts Sorge tragen müssen.

Bereits jetzt häufen sich Meldungen über die schlechten Arbeitsbedingungen der philippinischen Arbeiter in der Subic-Werft HHIC-PHIL[iv]. Die  südkoreanische Internet-Zeitung Pressian berichtete im April dieses Jahres über die Klage der philippinischen Arbeiter gegen das Management. Hier handelt sich  am letzten Ende um die Aggression des Kapitals und sein wahres böses Gesicht, das uns alle bedroht.

Die zweiten HOFFNUNGSBUSSE fahren am 9. Juli , dem 185. Tag der Kranbesetzung, von Seoul und anderen Städten ab. Gegen halb sieben abends werden sich Menschen aus allen Richtungen in Busan treffen. An dem Abend findet zunächst ein Konzert von Künstlern statt, die sich hier solidarisieren. Faszinierend ist hier eine menschenfreundliche Stimmung der Beteiligten, obwohl Staats- und Firmengewalt überall lauert. Nicht-koreanische Beobachter und Journalisten sind auch willkommen.

Man hofft, wieder KIM Jinsuk hören zu können: "LACHEND, BIS ZU ENDE, ZUSAMMEN!"

Am 165. Tag ihrer Kranbesetzung, 19. Juni 2011


Anmerkungen:
[i] (in Koreanisch) http://www.leejeonghwan.com/media/archives/002015.html

[ii] Subic Shipyard (Hanjin-Hompage in Englich): http://www.hanjinsc.com/eng/biz/ship/subic.aspx

[iii] (in Deutsch) http://nachrichten.finanztreff.de/news_news,awert,ticker,bwert,asien,id,32637695, sektion,uebersicht.html

[iv] (in Koreanisch - Ist hier eine Werft oder ein Friedhof) Dieser koreanische Artikel berichtet von der Menschenrechtsverachtung des Hanjin-Managements in Phillipinnen, http://www.hanjinbe.org/xe/?document_srl=137094

 

Dezember 2010
Auftakt zum Generalstreik bei Hanjin Heavy Industries in Pusan

pr_fs_hanjin

Auf dem Banner steht zu lesen:
1. Zeile:  Dem Großaktionär CHO Nam-Ho wurden 17,4 Milliarden als Dividenden zugeteilt! im Produktionsbereich wurden für 400 Arbeiter betriebsbedingtte Entlassungen ausgesprochen.
2. Zeile: Ausrufung des Generalstreiks für die Wiederbelebung der Yongdo-Werft.
3. Zeile: die Hanjin-Gewerkschaft, ein Zweig der Metallgewerkschaft.


Anlass: Bereits im Dezember 2010 hat die Firma 400 Entlassungen ausgesprochen.

 

Protest der Gewerkschaft im Oktober 2010

pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin

 

Den Bericht gibt es als pdf-Datei > hier

18.06.2011
Hankyoreh: Actress's aerial protest tweet picked up by international news organizations
als pdf > hier

Hankyoreh: HHIC labor and management sujmmoned to National Assembly to ressolve layoffs
als pdf > hier

 

pr_fs_hanjin

KIM Jin Suk

pr_fs_hanjin

Auf Kran Nr. 85 seit Januar

 

Video aus Pusan

 

Am Kran Nr. 85

pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin pr_fs_hanjin