30. Juni 2012

Reisetagebuch Japan

Mein Flug geht diesmal mit Qatar Airways, also umsteigen in Doha und dann Zwischenstop in Osaka. 6 Stunden + 2 Stunden Doha + 12 Stunden bis Japan. Das strengt an, obwophl ich gut schlafen kann.
In Narita (Tokyo) werde ich von der Nichte meiner Frau abgeholt und bin 2 Stunden später am Ziel: Katsuda (heute ein Teil von Hitachinaka), 20 Minuten nördlich von Mito in Richtung Fukushima. Der Caesium-Regen kam bis hierher und flog weiter nach Tokyo. Die Tsunami hat auch das Haus der Bruders erreicht. Das Erdbeben 3.11 ist nicht vergessen: Strassen, Häuser, Einrichtung beschädigt, z. T. heute noch sichtbar (wenn man die Gegend kennt und Kleinigkeiten nicht übersieht. Und hier waren keine Menschenleben zu beklagen. Die größeren Schäden sind an der Küste noch gut wahrnehmbar - da werden wir in den nächsten Tagen unsere Nachforschungen anstellen. 

29. Juni 2012
Übers Internet erreicht mich die Nachricht von der großen Demonstration vor dem Regierungsgebäude des Ministerpräsidenten NODA. Die Zahlen sind noch nicht klar. Die Polizei spricht von 30.000, die Veranstalter und Journalisten von bis zu 180.000. Ähnliche Demos fanden in Osaka und Nagoya statt. Anlass ist die Erlaubnsi des Ministerpräsidenten, zwei AKWs in Oi wieder anzuwerfen, die für Osaka vor allem wichtig seien.

30.Juni 2012
Wir gehen zum Frfiedhof, auf dem das Grab der Familie Yahagi liegt. Ein privazter Friedhof, ohne Bindung an einen Tempel. Der Schwager berichtet, wie es hier nach dem 3.11 ausgesehen hat.
Schon auf dem kurzen Weg dorthin sehen wir umgefallene Grundstücksmauern, teilweise wieder hergesgtellt. Auch Wände sind mit großen und kleinen Rissen durchzogen, Ziegel auf den Dächern durch andere Materialien ersetzt oder teilweise noch mit Planen abgedeckt. Das Beben ist überall gegenwärtig. Vor wenigen Tagen bebte die Erde erneut mit einer Stärke von 6,4.

Kazuyoshi, der Schwager, berichtet von den umgefallenen Garten-Mauern bzw. Mauerkronen, Dächern, Wänden. Darunter befremdliche Details: Auf dem Friedhof sind alle Steine umgestürzt. Reihenweise in dieselbe Richtung gefallen. In anderen Reihen waren die eine Hälfte nach links, die andere nach rechts gefallen. Und dazwischen immer wieder Steine, die sich gedreht haben, um 15 Grad oder 30 Grad – ganz beliebig. Manche Steine sind auch 2 Gräber weiter weg angekommen: wie weggeflogen und auf dem falschen Grab gelandet. Die laternenähnlichen und vasenähnlichen Steine, die zu jedem Grab gehören sind herabgestürzt, in der Mitte zerbrochen, die Trümmer sind teilweise noch zu sehen. Unvergesslich die tanzenden Grabsteine von Katsuda.

Er berichtet von abgedeckten Dächern, besonders bei älteren Häusern, meist wieder repariert. Oder vom fehlenden Strom, darum auch kein Telefon, kein Fernseher, kein Handyund oft keine Toilette. Wasserleitungen waren unterbrochen. Das schlechte Wasser aus dem eigenen Brunnen wurde für die ganze Umgebung wichtig. Trinkwasser bekam man zugeteilt. Benzin gab es nur in kleinsten Rationen.
Aber Katsuda liegt am Rande des damaligen Geschehens. 

An diesem südlichen Rand von Tohoku liegt ein AKW.

Kaum angekommen, lese ich im nGreenpeace Mahazin vom 27. Juni 2012:

Deutsche Atomkritiker protestieren in Japan
Berlin (ethecon-Stiftung Ethik & Ökonomie) 27.06.2012: Eine Delegation von ethecon–Stiftung Ethik & Ökonomie ist am vergangenen Wochenende nach Japan gereist. Anlässlich der heutigen Aktionärsversammlung der Atomfirma TEPCO protestierten Mitglieder von ethecon gegen die Geschäftspolitik der Firma. Der japanische Energiekonzern ist für den Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima verantwortlich.

Im Rahmen der Hauptversammlung wurde der ethecon Black Planet Award an die Verantwortlichen des Konzerns übergeben. Mit dem Black Planet Award wird in jedem Jahr das umweltschädigendste Unternehmen ausgezeichnet. Frühere Preisträger sind BP und Monsanto.

„Anstatt ernsthafte Konsequenzen aus dem Super-GAU zu ziehen, verharmlost der Konzern weiterhin die Katastrophe", so ethecon-Vorstand Axel Köhler-Schnura während der Versammlung in Tokio. „Auf die Regierung und die Behörden wird Druck ausgeübt, um im Widerspruch zu den katastrophalen Realitäten Normalität vorzugaukeln. Dem Konzern geht es einzig um die Sicherung der Profite bzw. die Minimierung der Verluste." So werde ignoriert, dass das Abklingbecken auf dem Dach des zerstörten Reaktors 4 mit seinen 1.500 Brennstäben bei einer Beschädigung durch ein erneutes Erdbeben eine weitere Katastrophe verursachen könnte, die alles bisher Geschehene in den Schatten stellen würde. „Schlimmstenfalls ist die atomare Verstrahlung danach so hoch, dass in einem 250-km-Radius niemand mehr leben dürfte. Das betrifft dann auch Tokio", so Köhler-Schnura.

Die Aktionen wurden gemeinsam mit japanischen Bündnispartner organisiert, darunter das gesamtjapanische Anti-Atom-Netzwerk NAZEN, die Gewerkschaft Doro-Chiba, die „Mütter von Fukushima" sowie die Gruppe Shinbashi Action, die das Protestzeltdorf vor dem Wirtschaftsministerium organisieren. Zusammen mit den „Müttern von Fukushima", die sich vor allem für den Schutz der 300.000 noch in der Region befindlichen Kinder einsetzen, hielten ethecon-Vertreter eine Pressekonferenz in Fukushima ab.

Der erste Besuch der ethcon-Delegation in Tokio hatte dem Protestzelt der Anti-AKW-Bewegung gegolten, das sich vor dem Wirtschaftsministerium und in direkter Naehe zur TEPCO-Zentrale befindet. Seit fast 300 Tagen treffen sich hier Aktivisten, um gegen das Wiederhochfahren der derzeit stillgelegten Atomkraftwerke zu protestieren. Die Proteste richten sich ebenfalls gegen den japanischen Ministerpräsidenten Noda, der die Auswirkungen des Super-GAUs weiter verharmlost und für das Wiederhochfahren von zwei Reaktoren des Atomkraftwerks Oi in der Präfektur Fukui verantwortlich ist.

Und noch eine Nachricht: 
Dienstag, 26. Juni 2012
Betreff:
Articles on Japan and GERMAN CHRISTIAN EXPERT TO WARN JAPAN OF INTERNAL RADIATION FROM FUKUSHIMA

GERMAN CHRISTIAN EXPERT TO WARN JAPAN OF INTERNAL RADIATION FROM FUKUSHIMA

Dr. Sebastian Pflugbeil, a Protestant physicist and president of the German Society for Radiation Protection, will give his lecture from 0:30 p.m. on 30 June and speak at a symposium from 1:30 p.m. on 1 July at Hibiya Convention Hall in Tokyo on internal radiations from the Fukushima nuclear disaster since March last year. The events are organized by the Peace and Nuclear Issues Committee of the National Christian Council in Japan (NCCJ). See the NCCJ's English website: http://ncc-j.org/eng/

A Japanese leaflet of the events in PDF can be downloaded at the NCCJ's website:
http://ncc-j.org/uploads/photos/56.pdf
The Hibiya Convention Hall (Chiyoda Municipal Hibiya Cultural Center Library) is located in Hibiya Park

He also spoke at the Citizen-Scientist International Symposium on Radiation Protection on 23 and 24 June in Fukushima https://docs.google.com/file/d/0B2tR1I9RUQjAcE1MMWZCWDlKM00/edit?pli=1)   and
will speak in Hiroshima on 26 June (a Japanese leaflet in PDF: http://acsir.org/0626.pdf ) that will be held by the Association for Citizens and Scientists Concerned about Internal Radiation Exposure (ACSIR).

He will also speak at a lecture meeting in Kyoto on 28 June which is co-organized by the ACISR and the Kyoto Chapter of the International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW)
http://acsir.org/0628.pdf
http://acsir.org/20120628.pdf
[a leaflet and a programme in Japanese]) and at another lecture meeting in Tokyo on 29 June (http://acsir.org/0629.pdf), also organized by the ACSIR.

Some relevant websites on him:
http://www.chernobylcongress.org/speakers/artikel/4dd2fa3d436f621b58642ac1257685b6/sebastian-pflugbeil.html
"Tokyo is on the path of Kiev" 
http://fukushima-diary.com/2011/12/dr-sebastian-pflugbeil-tokyo-is-on-the-path-of-kiev/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+FukushimaDiary+%28Fukushima+Diary%29
"the decision of the Japanese government to reopen parts of evacuated areas is something completely irresponsible"
http://www.dw.de/dw/article/0,,15890837,00.html

Und dann heute (30.06) in aller Frühe:

Atomkraftgegner-Großdemonstration in Tokyo:


Am heutigen Freitag fand eine Großdemonstration in Tokyo gegen die Atomenergie und den Neustart des AKW Oi statt, dessen Teilnehmerzahl offenbar bisherige Rekorde übertrifft. Sie begann um 18:00 Uhr (Ortszeit) und soll bereits vor Beginn die bisherige Rekordzahl von 45.000 Beteiligten übertroffen haben.

Im Zuge ener Live-Berichterstattung wurden auch im Internet Helikopteraufnahmen des Protests gezeigt. Dieser umfasst sowohl Personen die Schilder mit Anti-Atommotiven hoch hielten, als auch geschlossene Gruppen die mit großen Spruchbannern marschierten.

Im weiteren Verlauf sei die Teilnehmerzahl zunächst auf 60.000 und dann auf 80.000 Personen gestiegen. Eine Bestätigung dieser Angaben durch die Polizei gab es zunächst nicht.

Später sollen es bis zu 100.00o Demonstranten geworden und die Situation "außer Kontrolle" geraten sein. Sowohl durch die Polizei, als auch die Veranstalter, soll eine Aufforderung zur Auflösung der Demonstration erfolgt sein. Der Veranstalter sprach von insgesamt 200.000 Teilnehmern.

Um 19:43 Uhr Ortszeit waren in den Luftaufnahmen nach wie vor viele Menschen auszumachen, die sich dort bewegen.

Einsatzbus der japanischen Bereitschaftspolizei (Abb. symbolisch Foto: pd)

Per Twitter gab es Meldungen, die Demonstration sei bereits um 19:20 Uhr außer Kontrolle geraten.

Da die gesamte Straße im Bezirk Kasumigaseki durch Menschenmassen blockiert war, habe es auch für die Polizeibeamten keine Möglichkeit mehr gegeben, die Menschen zu kontrollieren.

Einheiten der Bereitschaftspolizei hätten dann den Bereich am Sitz des Premierministers abgeriegelt. Offizielle Bestätigungen dieser Angaben gab es jedoch offenbar nicht.

Die Nachrichtenagentur Kyodo sprach um 21:37 Uhr lediglich von "einigen tausend" Teilnehmern und auch die Mainichi Shimbun machte in einer Meldung um 21:44 Uhr keine Angaben zu Teilnehmerzahl oder möglichem Polizeieinsatz.