2016: Abe gewinnt Oberhauswahl

Die Verfassung Japans.  Artikel 9 der Friedensverfassung
Source:  Ein Artikel aus der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 11.07.2016
http://sz.de/1.3071645

Abe gewinnt deutlich

Von Christoph Neidhart

Japans Premier Shinzo Abe hat die Oberhauswahlen vom Sonntag deutlich gewonnen. Erstmals seit 1989 wird seine Liberaldemokratische Partei (LDP) in der Kleinen Kammer des Parlaments über die alleinige Mehrheit verfügen. Die Zweidrittelmehrheit, die für eine Änderung der Verfassung erforderlich ist, wird er allerdings auch zusammen mit der buddhistischen Komeito, seinem Koalitionspartner, nicht erreichen.

Das Mandat im japanischen Oberhaus beträgt sechs Jahre. Alle drei Jahre wird die Hälfte der Mandate erneuert. Abes LDP hatte bereits aus den Wahlen 2013 ein sattes Polster. Im Wahlkampf hatte Abe alle kontroversen Themen vermieden. Er gab lieber den Staatsmann, den Gastgeber des G-7-Gipfels in Ise-Shima, der US-Präsident Barack Obama nach Hiroshima holte. Außerdem versprach er den Wählern, "Abenomics", das nach Meinung der meisten Experten gescheiterte Programm zur Sanierung der japanischen Wirtschaft, "einen Gang höher zu schalten." Ein Geschenk hat er den Japanern im Wahlkampf außerdem gemacht - Abe verschob die Erhöhung der Mehrwertsteuer erneut, die nötig ist für die Sanierung der hohen Staatsschulden.

Für die Verfassungsänderung braucht der Regierungschef weitere Verbündete

Die Opposition beschwerte sich, Abe habe ihr die kurz vor Wahlen übliche Fernsehdebatte verweigert. Die Sender mieden die Themen der Opposition auch in ihren übrigen politischen Programmen, besonders wo es um die Verfassungsänderung ging. Die ist Abes wichtigstes persönliches Anliegen, mit dem er in der Bevölkerung allerdings auf großen Widerstand stößt. Überhaupt behandelte das Fernsehen die Kampagne eher als Nebensächlichkeit. Das Zuschauer-Interesse sei gering, hieß es. Die unabhängige Zeitung Tokyo Shimbun dagegen behauptete, Abe übe Druck auf die Medien aus, der Premier beherrsche den Äther.

Abe wertete den Wahlsieg als Zeichen, dafür, dass Abenomics ein Erfolg sei, und als Zustimmung zur Verschiebung der Mehrwertsteuererhöhung. Zur Verfassung wollte er sich nicht konkret äußern. Er meinte, die Leute würden die Position der LDP kennen. Er wird versuchen, die Rechtspopulisten aus Osaka für ein Zweidrittelmehr zu gewinnen.

Masahiko Komura, Vize-Präsident der LDP, versicherte kürzlich, es gebe "null Wahrscheinlichkeit", dass Abe den Pazifismus-Paragrafen der Verfassung ändere. Mit seinen neuen Sicherheitsgesetzen, die es Japans Armee erlauben, an der Seite der USA irgendwo in der Welt in den Krieg zu ziehen, hat er ihn ohnehin bereits ausgehöhlt. Aus dem Entwurf für eine neue Verfassung der LDP lesen Experten allerdings einen anderen Weg heraus. Der Vorschlag enthält einen Notstandsparagrafen, den es bisher nicht gibt. Dieser erlaubt es dem Premier, die Verfassung auszusetzen im Falle einer Naturkatastrophe, einer äußern Bedrohung oder bei sozialen Unruhen. Damit wäre der populäre Pazifismus-Paragraf nur noch Makulatur.

Auf Okinawa, wo Abe eine neue Basis für die US-Marine bauen will, erlitt seine LDP eine herbe Schlappe. Sie wirkt sich auf die Regierung aus: Aiko Shimajira, Ministerin für Okinawa, verlor ihren Sitz an einen Gegner der amerikanischen Truppen auf der Insel. Auch einen neuen Justizminister muss Abe sich suchen, der bisherige verlor sein Mandat.


Christoph Neidhart
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Christoph Neidhart ist der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Tokio, wo er seit neun Jahren lebt. Zuvor war er vier Jahre "Visiting Scholar" am Russland-Institut der Harvard University und fast acht Jahre Korrespondent in Moskau. Neidhart hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt "Museum des Lichts, Petersburger Lieben" und "Die Nudel, eine Kulturgeschichte mit Biss".



Mehr zur Oberhauswahl am 10.07.2016 aus deutschen Zeitungen:

 

FAZ

Reuters

Spiegel Online

Tagesspiegel

Zeit Online

Japan Times


 

 

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