Profiboxer Johann »Rukeli« Trollmann: von den Nazis ermordet

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Andreas Blechschmidt: Über den von den Nazis ermordeten Profiboxer Johann »Rukeli« Trollmann
Jungle World Nr. 23, 4. Juni 2009

Vor dem Portal der Roten Flora in Hamburg erinnert seit dem vorletzten Wochenende ein Stolperstein an den von den Nazis ermordeten Profiboxer Johann »Rukeli« Trollmann.
Johann Trollmann gehörte Anfang der dreißiger Jahre zu den besten Halbschwer¬gewichtsboxern Deutschlands und bestritt einige Kämpfe auch im historischen Hamburger Flora-Theater. Die Idee zur Stolperstein-Verlegung ging von Mitgliedern des Hamburger Boxclub Hanseat aus. Sonja Dürr, selbst langjährige Boxerin und mittlerweile Vorsitzende des Boxclubs Hanseat, war über ein Buch des Journalisten Roger Repp¬linger auf den im Jahre 1944 in einem Außenlager des KZ Neuengamme ermordeten Boxer aufmerksam geworden sind. »Der Hinweis auf einige Kämpfe im Flora-Theater hat mich fasziniert«, erzählt Dürr. Für sie sei schnell klar gewesen, dass sie mit ihrem Verein zusammen etwas tun wollte, um an das Schicksal des Boxers zu erinnern. »Wir wollten so zu mehr Geschichtsbewusstsein auch im Boxsport beitragen«, so die Vorsitzende des Clubs.



Schon mal über die Geschichte der Deutschen gestolpert? (Foto: PA/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert )

Auf Anraten der Stolperstein-Initiative nahm der Verein Kontakt mit den Angehörigen Trollmanns auf. Manuel Trollmann, ein Großneffe des Boxers, war spontan begeistert: »Ich fand die Idee von Frau Dürr klasse. Für unsere Familie ist es eine Genugtuung, auch für Rukeli, selbst wenn er es nicht erleben kann.«

Für die Angehörigen Johann Trollmanns geht damit endgültig eine jahrzehntelange Zeit des Vergessens zu Ende. »Sogar in unserer eigenen Familie wurde das Thema regelrecht tot¬geschwie¬gen«, berichtet der 47jährige. Das traumatisierte Schweigen der Überlebenden ist Teil seiner Familienbiografie geworden. Sein Großvater Carlo, der Bruder Johann Trollmanns, überlebte den Krieg nach einer Flucht vor seiner Deportation in Verstecken. In den sechziger Jahren auf der Straße, als Kind an der Hand seines Großvaters, habe ihn der Opa immer angeherrscht, ruhig zu sein und nicht aufzufallen. »Man kann Angst vererben«, sagt Manuel Trollmann.

Erst durch die Recherchen des ehemaligen Hannoveraner Boxers Hans Firzlaff und die Roger Repplingers wurde das Schweigen gebrochen. Sein Vater habe ein Interview über seinen Großonkel absagen wollen, weil er eigentlich nicht darüber reden wollte. »Und dann saß er auf dem Sofa im Wohnzimmer und hörte gar nicht mehr auf zu erzählen«, berichtet Manuel Trollmann.

Die Geschichte des Johann Trollmann kommt nun nach und nach wieder ins öffentliche Bewusstsein, in seiner Geburtsstadt Hannover wurde mittlerweile eine Straße nach ihm benannt. Bereits 2003 initiierte die Berliner Boxpromoterin Eva Rolle die posthume Verleihung des Deutschen Meistertitels für das Jahr 1933 an Johann Trollmann. Der Titel war ihm damals nicht zuerkannt worden, seine Angehörigen erhielten 70 Jahre später symbolisch einen Meistergürtel überreicht.

Diese Initiativen wie auch das aktuelle Engagement des Hamburger Boxclubs Hanseat zeigen, dass es auch im Boxsport für eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle während der NS-Zeit genug Stoff gibt. Für Johann Trollmann war die nationalsozialistische Machtübernahme der Anfang vom Ende seiner Boxkarriere, später kostete sie ihn das Leben. Trollmann bekam 1933 sofort die verstärkten Diskriminierungen im gleichgeschalteten Deutschland zu spüren. Die führende damalige Publikation Box-Sport ging schnell auf Distanz zu ihm, im weiteren Verlaufe des Jahres wurde dort immer offener diskriminierend über seine Kämpfe berichtet. Trollmanns innovative, den Boxstil Muhammed Alis vorwegnehmende Art zu kämpfen brachte ihm viele Anfeindungen ein, sein Boxstil wurde als »undeutsch« denunziert.

Bereits während seiner Amateurzeit hatte ihn dieser Vorwurf neben seiner familiären Herkunft um die Teilnahme an der Qualifikation für die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam gebracht. Den einflussreichen Boxfunktionären schien es schon damals nicht vorstellbar, dass ein Sinto mit einem unorthodoxen Kampfstil Deutschland auf der Olympiade hätte vertreten sollen. Auch aufgrund dieser Erfahrungen wechselte Trollmann ein Jahr später nach 69 Siegen in 80 Kämpfen in das Profilager.

Die politische Entwicklung holte Trollmann jedoch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein. Beim Kampf um den Titel des Deutschen Meisters im Halbschwergewicht im Juni 1933 kam es zum ersten großen Eklat. Anwesende NSDAP-Mitglieder erwirkten trotz eines klaren Sieges von Trollmann ein Urteil »ohne Entscheidung«. Nach Publikumsprotesten wurde ihm dann zunächst doch der Titel zugesprochen und nur eine Woche später endgültig wegen »undeutschen« Boxens aberkannt. Anders als z.B. der jüdische Boxer Erich Seelig, der Deutschland im Frühjahr 193 fluchtartig verlassen muss, kann Trollmann jedoch zunächst weiterboxen. Aber in der Folgezeit ist er immer öfter gezwungen, Kämpfe absichtlich zu verlieren, um das immer feindlicher eingestellte Publikum nicht gegen sich aufzubringen.

Ein Kampf Anfang Dezember 1933 im Flora-Theater gehört zu den letzten seiner Profikarriere, die er im Frühjahr 1934 zwangsweise beenden muss. Johann Trollmann und seine Familie leiden in den nächsten Jahren unter der sich ausweitenden Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma und Sinti, einige Familienangehörige sind von Zwangssterilisationen betroffen. Im Jahre 1942 wird Johann Trollmann in das KZ Neuengamme verschleppt, zwei Jahre später in einem Außenlager ermordet. Die Familie Johann Trollmanns erlebt im Nachkriegsdeutschland das typische Schicksal der den NS-Faschismus überlebenden Roma und Sinti. Das Klima im Nachkriegsdeutschland ist noch immer ressentimentgeladen. Es gibt weder eine Entschädigung noch eine Anerkennung für die erlittene Verfolgung. Im Gegenteil, die Deportationen in Konzentrationslager werden immer wieder als überwiegend kriminalpolizeilich Präventionsmaßnahme bezeichnet.

1956 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) noch, dass »Zigeuner« zu Kriminalität, Diebstählen und Betrügereien neigten. Mit dieser Begründung wurde die Klage auf Entschädigung einer 1940 in das so genannte Generalgouvernement deportierten Frau abgewiesen. Es habe sich dabei um eine rechtsstaatliche zulässige Maßnahme der Verbrechensbekämpfung gehandelt, erklärte damals der BGH. Entsprechend ungehindert knüpften auch die Länderpolizeien an die Verfolgungsmaßnahmen während der NS-Zeit an. In München beispielsweise bestand die »NS-Zigeunerleitstelle« nach 1945 zunächst unter der Bezeichnung »Zigeunerpolizeistelle« weiter, um alsbald in »Landfahrerzentrale« umbenannt zu werden. Erst 1982 bekannte sich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) in einer politischen Grundsatzerklärung zur historischen Tatsache eines systematischen Völkermords der Deutschen an den Roma und Sinti. Vor dem Hintergrund dieser Nachkriegsereignisse ist Manuel Trollmann heute froh, dass mit der Erinnerung an seinen Großonkel auch an die verdrängte Verfolgungsgeschichte von Roma und Sinti erinnert wird. »Es scheint, das die Zeit endlich reif dafür ist«, sagt er.

Seit einigen Jahren existieren sogar Pläne, die Biografie Johann Trollmanns zu verfilmen, ein Drehbuch wurde bereits geschrieben. Doch die Filmgesellschaft scheint mit dem Projekt nicht voranzukommen. Man sei unsicher, ob ein Film über den Sinto Johann »Rukeli« Trollmann ein ausreichendes Publikum in Deutschland finde.
Mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers

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