In Memoriam: Ehmsen, Max Wilhelm
In Memoriam
Max Wilhelm Ehmsen
* 17.04.1905 + 12.06.1977
Pfarrer
langjähriges Vorstandsmitglied der DOAM
1962 - 1976
Trauerrede von Pasor Jürgen Ehmsen
vom 16. Juni 1977
Abschied von Pastor Ehmsen
Quelle: Kirche der Heimat, 1.7.1977
Rückblick auf ein Pastorenleben
von Pastor Jürgen Ehmsen
(siehe unten)
Rückblick auf ein Pastorenleben
von Pasor Jürgen Ehmsen
Pastor Max Wilhelm Ehmsen wurde am 17. April 1905 als Sohn des Schulrektors Johannes Ehmsen in Pinneberg (Holstein) geboren und entstammte einem alten Bauerngeschlecht. Nach dem Abschluss des humanistischen Gymnasiums ("Altonaer Christianeum") folgte dann das Theologiestudium in Erlangen, Tübingen und Kiel mit besonderer Prägung durch die Professoren Althaus, Ehlert, Schlatter, Heim und Rendtorff, die schon bewusst eine kritische Auseinandersetzung mit dem Geist und den verschiedenen weltanschaulichen Richtungen – besonders aus dem ersten Quartal des 20. Jahrhunderts – wagten.
Nach den Examina brachte der Pfarrstellenmangel in den 30er Jahren für den cand. theol. Ehmsen eine recht anregende Hauslehrertätigkeit in den für die Schleswig-Holsteinisch-Dänische Geschichte wichtigen Herrensitzen Glücksburg bei Flensburg und Louisenlund bei Schleswig ein.
Die damals zum Pfarrdienst antretende, junge Pastorengeneration war um die in zahlreichen Gemeinden herrschende geistig/geistliche verwirrende Vielfalt nicht zu beneiden. Friedrich Nietzsche, Rudolf Steiner, Gustav Frenssen, Mathilde Ludendorff, um an einige Namen mit Breitenwirkung zu erinnern, durften in Predigten und Bibelstunden nicht 'stillschweigend' übergangen werden.
1931 trat Pastor Ehmsen seine erste Pfarrstelle in Todesfelde (Kreis Segeberg) an. In dieser Land- und Mittelstandsgemeinde begegnete er nun neben den genannten Ideologen auch der Glaubensbewegung des Nationalsozialismus, der "Deutschen Christen". Diese erforderte nun vom jungen Seelsorger eine klare Stellungnahme.
Schon nach wenigen Jahren berief die Schleswig-Holsteinische Landeskirche Pastor Ehmsen in das Amt des Landesjugendpfarrers und nach einem Jahr in das des Evangelischen Studentenpfarrers an der "Christian-Albrechts-Universität zu Kiel".
Während die Akademischen Gottesdienste und manche Vortragsveranstaltungen jener Tage, z.T. in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät, noch Möglichkeiten der Verkündigung boten, behinderte die Reichsjugendführung doch zunehmend und im Widerspruch zu klaren Abmachungen die kirchliche Arbeit an der jungen Generation. Pastor Ehmsen ließ sich deshalb schon 1937 von diesen beiden übergemeindlichen Dienstaufträgen entbinden und übernahm die großflächige Kirchengemeinde Flintbek mit 6000 Einwohnern und sechs Außendörfern und dem recht gutsituierten, stetig wachsenden Ortsteil Schulensee-Rammsee, schon direkt an der Südgrenze der Stadt Kiel gelegen. Das Sich-Einarbeiten in diese soziologisch vielseitige Gemeindestruktur mit beachtlichen, räumlichen Entfernungen erforderte große Einsatzbereitschaft und innere Beweglichkeit.
Die Außendörfer wünschten ausdrücklich die Fortführung ihrer langjährigen Tradition eigener Gottesdienste und Bibelabende. Ein beachtliches Anliegen angesichts des mittlerweile vorherrschenden Zeitgeistes vor dem Zweiten Weltkrieg! Auch der Kirchenvorstand, der schon unter dem Vorgänger von Pastor Ehmsen in kirchenpolitischen Fragen Stehvermögen und innere Klarheit bewiesen hatte, trug nun den "Bibel- und Bekenntnis"-gemäßen Kurs des neuen Pastors gegen die 'Einbrüche' der NS-gestützten Glaubensbewegung ("Deutsche Christen") mit. Diese fand aber in zunehmendem Maße ein positives Echo im Nordbezirk Schulensee-Rammsee, der an die südliche Stadtgrenze Kiels reichte. Dort stand leider noch kein Gebäude für die kirchliche Arbeit zur Verfügung. Eine damals mutige Entscheidung zweier Schulenseer Ehepaare, die ihre Wohnungen für Gottesdienste und Konfirmandenunterricht zur Verfügung stellten, sorgte vorerst für Abhilfe. So konnte in dieser verworrenen Zeit auch weiter Gemeinde gebaut werden.
Schon im ersten Kriegsjahr wurde Pastor Ehmsens Arbeitszeit für die eigene Gemeinde durch die Tatsache spürbar eingeschränkt, dass man seine beiden Nachbarkollegen mit ebenfalls breitgestreuten Landgemeinden im Herbst 1939 zum Wehrdienst einberief. Mit dem Fahrrad, und in den harten, schneereichen Wintern 1940/41 oft mit einem von Bauern zur Verfügung gestellten Pferdeschlitten unterwegs, war die Wahrnehmung von Gottesdiensten, Kasualien und Besuchsseelsorge auch in diesen weiteren Gemeinden eine starke Zusatzbelastung. Der notwendige Zeitverlust, der damals infolge einer breitgefächerten Kfz-Beschlagnahmung ertragen werden musste, wäre heute kaum vorstellbar.
Von 1942-45 war Pastor Ehmsen dann durch den Kriegsdienst gemeindeabwesend, im letzten Kriegsjahr noch zusätzlich mit einem Seelsorge-Auftrag betraut. So wie damals zahlreiche Pastorenfrauen – besonders in den ländlichen Gemeinden – musste auch Pastor Ehmsens Ehefrau Sigrid in der letzten Kriegszeit von der Hauswirtschaft und der Familienversorgung oftmals hinüberwechseln ins Pfarrbüro und ans Diensttelefon. Galt es doch, die für die Gemeinden offiziell festgesetzten Vertretungsregelungen gegenüber der sich ständig steigernden Folgen der "Luftgefahr" (Bombenangriffe und Tieffliegerattacken) jeweils täglich terminlich anzupassen und vor Ort in die Praxis umzusetzen. Manche "Zitterpartie" durch verspätete oder ausfallende Vertretungen war dabei zu bestehen, mancher Härtefall seelisch mit auszuhalten.
Zur Zeit seiner Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft im September 1945 fand Pastor Ehmsen in Folge des starken Zuzugs von "Ausgebombten" der Stadt Kiel und zahlreicher Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten seine Gemeinde um das Doppelte angewachsen vor. Es war, so sah er damals die Situation, eine völlig neue Gemeinde entstanden.
So wie zahlreiche seiner Amtskollegen in den Nachkriegsjahren erlebte nun auch Pastor Ehmsen in seiner Gemeinde das Verlangen nach neuer, innerer Orientierung und gründlich revidierter Zielsetzung. Er schreibt selbst ausführlich über diese Zeit voller Chancen für einen vielfältigen Neubeginn in der Männer-, Frauen- und vor allem Jugendarbeit in seiner so viel-schichtigen Gemeinde. Neben dankbarer Rückschau auf mannigfache Unterstützung aus Professoren-, Studenten- und Gemeindehelferinnenkreisen, besonders aus der nahen Stadt war aber doch immer wieder der Mangel an einem kontinuierlichen 'Mitarbeiterstab' zu bedauern, der die Pastoren stark belastete. In der ungenügenden, finanziellen Ausstattung der Gemeinden lag in jener Zeit gewiss auch eine wesentliche Ursache für den damals häufig beklagten 'Ein-Mann-Betrieb'.
Das Jahr 1950 brachte für Pastor Ehmsen eine einschneidende Erweiterung seines beruflichen Bereichs: Zum Beginn des Wintersemesters wurde ihm das Studentenpfarramt an der Pädagogischen Hochschule in Kiel angetragen, verbunden mit religionspädagogischen Übungen und Vorträgen. In diesem Nebenamt gab es nun nach jenen schwierigen und enttäuschenden dreißiger Jahren noch einmal einen 'Neustart' in der studentischen Arbeit – jetzt an und mit einer kritischen Nachkriegsjugend. Die Freundschaft mit dem damals führenden Religionspädagogen Professor Gerhard Bohne hat Pastor Ehmsen für diesen Arbeitszweig manche Bereicherung gebracht.
Ebenfalls im Herbst 1950 erweiterte sich der Pfarramtsbetrieb in Flintbek personell: Pastor Ehmsen wurde vom landeskirchlichen Ausbildungsdezernat auf seine Zustimmung hin in die Reihe der "Lehrvikarsväter" aufgenommen. Von diesem Zeitpunkt an hat er in ununterbrochener Zeitfolge Lehrvikare, oft auch parallel zur Promotion oder zur Vorbereitungszeit für eine wissenschaftliche Laufbahn, im Flintbeker Pastorat erlebt als für beide Seiten bereichernde Dialogpartner, als 'Anreger' für neue Gemeindearbeitsmodelle, als manchmal freundschaftliche Partner für die heranwachsenden Pastorensöhne (Gymnasiasten und Studenten). Für manchen 'Arbeitseinsatz' erlebten die Vikare dann auch lehrreiche Besuche bei Synodentagungen und interessante Hospitationen in der der Pädagogischen Hochschule. In einigen Fällen auch einmal eine Begleitung nach Süddeutschland zu einer DOAM-Tagung.
In den frühen fünfziger Jahren wurde Pastor Ehmsen in die Schleswig-Holsteinische Landes-synode gewählt, in der er bis 1974 gut zwanzig Jahre besonders auch beim Aufbau der späteren "Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche" (NEK) mitwirkte. In diesem wie auch in anderen Gremien schätzte er besonders die intensive Ausschussarbeit, möglichst mit klaren Ergebnissen fürs Plenum, für die spätere Praxis!
Vom Beginn der sechziger Jahre an war Pastor Max Ehmsen auch gewähltes Mitglied der EKD-Synode. Aus dem reichhaltigen kirchlich-praktischen und theologischen Arbeitsprogramm bewegte ihn besonders die Neuregelung der Seelsorge in der Bundeswehr mit ihrer neuen inneren Nachkriegszielsetzung, war Pastor Ehmsen doch selbst im Kriegseinsatz unter völlig anderen politisch/ideologischen Vorzeichen in der Militärseelsorge tätig gewesen. Zum anderen engagierte er sich sehr in der EKD-Kommission für das seinerzeit theologisch und liturgisch wichtige Thema der einheitlichen Zulassungsregelung zur Abendmahlsfeier innerhalb der EKD-Gliedkirchen und damit auch in der erforderlichen Formulierungsarbeit der "Arnoldshainer Thesen". Fast drei Jahre lang währte diese verantwortliche Arbeit und kostete den Beteiligten viel Kraft und Zeit.
Durch die Berufung seitens der Bischöfe für Schleswig und Holstein in den "Theologischen Beirat" der Kirchenleitung blieb Pastor Ehmsen der aktiven wissenschaftlichen, theologischen Arbeit weiterhin für viele Jahre treu verbunden.
In dieser Zeit wurde dann auch die Bitte um Mitarbeit in der "Deutschen Ostasien Mission" (DOAM) an Pastor Ehmsen herangetragen. Nach einigem Zögern im Hinblick auf die Ämterhäufung entschloss er sich zur Mitarbeit. Sein schon früh gewecktes Interesse an fernöstlicher Philosophie und östlichen Religionen hat seine Entscheidung sicher sehr beeinflusst. Es mögen aber auch die vielfältigen Aufgaben im Gemeindeaufbau und der Lehrtätigkeit an deutsch-asiatischen Einrichtungen gewesen sein. So war er zwischen 1962 und 77 Vorsitzender des Landesvereins Schleswig-Holstein. Damit auch Vorstandsmitglied der DOAM und hat seinen Beitrag zu einer zeitgemäßen Missionsarbeit eingebracht. Anlässlich der späteren Trauerfeier für Pastor Ehmsen sprach als einer der Redner Missionsdirektor Pastor Ernst Rohde, Berlin, anerkennende Worte im Namen der DOAM.
Während dieser ereignisreichen Jahre hatte Pastor Ehmsen keineswegs den nördlichen Gemeindebezirk, das vorstädtische Schulensee-Rammsee, aus dem Blickfeld verloren. Der Kirchenvorstand mahnte den Kirchenneubau und ein eigenes Gemeindezentrum an. Infolge der steigenden Gemeindegliederzahlen rückte nun auch noch das unvermeidliche Problem der Gemeindeteilung in den Fokus. Eine immer für alle Beteiligten schmerzhafte Prozedur! Die Wahl des bekannten, modernen Architekten Otto Andersen aus Hamburg (Corbusier-Schule) für den Kirchenbau erforderte viel Überzeugungsarbeit, und die bauliche Anlage von Kirche und Gemeindezentrum auf einem Moränenhügel mitten im Ort zeugte vom planerischen Blick des Pastors und wurde dann zu einem Glücksfall für den Ort Schulensee.
Eine Genugtuung bedeutete es dann für den erfahrenen Seelsorger, dass seinem Antrag auf Verlängerung seines Dienstverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus stattgegeben wurde. So konnte er die 1960 neu gegründete Kirchengemeinde Schulensee, in die er auch berufen wurde, noch einige, wichtige Aufbaujahre begleiten.
Am 12. Juni 1977 wurde Pastor Ehmsen nach einem reichen Leben abberufen in Gottes Ewigkeit. Ihm und seiner Frau Sigrid, geborene Wagner († 1990), wurden zwischen 1933 und 49 sechs Kinder geboren. Trotz seines außerordentlichen beruflichen Engagements besaß auch die Familie für Pastor Ehmsen einen sehr hohen Stellenwert, und er war um das Wohl der Seinen sehr bedacht.
© Text und Copyright: Pastor em. Jürgen Ehmsen, Kiel, im Juni 2020
Wir danken Pastor Jürgen Ehmsen für diesen "Rückblick auf ein Pastorenleben" und für die Photos und Dokumente zum Leben von Pastor Max Ehmsen.
Ein Dokument aus der Zeit des beruflichen Nebeneinanders der Pastoren, Vater und Sohn
Pastor Ehmsen zum Gedächtnis
Quelle: Gemeindebrief von Schulensee, 1985
Kirche Flintbeck - Holzschnitt 1955
Thomaskirche Schulkensee, um 1988