Ein Shinto-Schrein, die Verfassung und der Friede

Ich suche nach dem Herzen meines Vaters, der im Krieg gestorben ist

von MIYAUCHI Keisei, Matsuyama Eiko Kirche, Kirchenbezirk Shikoku


Die Asahi News berichtete am 12. August 2006, dass eine Gruppe Hinterbliebener einen Prozess gegen den Yasukuni-Schrein angestrengt habe. Einige von ihnen kamen von Taiwan, deren Angehörige auch für Japan gekämpft und gestorben waren. In ihrer Klageschrift betonen sie, dass ihre Angehörigen nicht in den Gedenkveranstaltungen des Schreins genannt werden sollen; denn dort werden sie als Shinto-Gottheiten geführt. Schon früher hatte es ähnliche Verfahren wegen der religiösen Riten am Yasukuni-Schrein gegen die japanische Regierung gegeben. Die aber wich dem Problem aus, indem sie behauptete, „nur öffentlich gemacht zu haben, was der Yasukuni-Schrein entschieden hatte.“ Diesmal aber richtet sich die Klageschrift direkt gegen den Yasukuni-Schrein.

Ein anderer Faktor in der sich ausweitenden Debatte über den Yasukuni-Schrein war die Veröffentlichung einer Notiz des früheren Leiters der Kaiserliches Hofamt in Bezug auf die Gefühle, die der frühere Tenno hegte, als die Kriegsverbrecher der Klasse A in die gemeinsamen Erinnerungsfeiern einbezogen wurden. Es scheint, als hätte sich der Showa-Tennô (Hirohito) „unwohl“ mit jener Entscheidung gefühlt.

Mein Vater, ein gefallener Soldat, und das Leid meiner Mutter.

Mein Vater wurde in die Marine eingezogen und kam im Sommer 1942 an die Front. Als sich die Entbehrungen wegen der Kriegsmaßnahmen verschlechterten, verließ meine Familie Miyahara bei Hiroshima, wo wir in einer staatliche Wohnsiedlung wohnten. Wir gingen nach Matsuyama-Shi in der Ehime-Provinz auf Shikoku, in das Heimatdorf meines Großvaters. Im November haben wir die Nachricht erhalten, dass mein Vater unweit der Küste vor Manila gestorben sei.

Immer wenn meine Mutter vor der Mahlzeit ihr Dankgebet sprach, ergänzte sie dies mit einem Gebet für die Sicherheit meines Vaters: „Dieses Gebet reicht bis zu Deinem Vater, auch wenn er weit weg ist.“ So kam es, dass die Nachricht von Vaters Tod in der Schlacht für uns sehr schrecklich war und es war für mich als Kind erschreckend, das Leid meiner Mutter mit ansehen zu müssen.

Mein Vater hatte ein christliches Gymnasium in Matsuyama besucht, und ich kann mich gut daran erinnern, dass meine Familie regelmäßig eine örtliche Kirche besuchte, ehe der Vater zum Militär eingezogen worden war. Während der Kriegsjahre jedoch wurde den Familien keine Möglichkeit gewährt, die Beerdigung durchzuführen. Das Dorf beerdigte meinen Vater schließlich in einer buddhistischen Zeremonie und er wurde offiziell im Yasukuni-Schrein „eingeschreint“ . Unter seinen Verwandten fanden sich keine weiteren Christen. Und weil es tief im Bewußtsein der Öffentlichkeit eingegraben war, dass das Christentum die „Religion des Feindes“ sei, hatten wir keine Möglichkeit, gegen diese Aktionen zu protestieren.

1945 wurde Matsuyama schwer mit Brandbomben eingedeckt und das alte Matsuyama vollständig zerstört. Das Haus der Großeltern väterlicherseits stand dort und wurde also niedergebrannt wie auch die Häuser aller Verwandten, die dort wohnten. Glücklicherweise wohnte wir bei den Großeltern mütterlicher Seite in einem Vorort der Stadt, wo wir der Zerstörung entkamen. Brandbomben explodierten in der Luft und schickten Feuerbälle nieder zu Erde und die Explosionen rissen tiefe Krater in die Erde.

Während des Bombardements versammelte meine Mutter meine beiden jüngeren Geschwister und mich unter eine dicke Wolldecke auf dem Fußboden. Ich meinte, wir sollten losrennen, aber meine Mutter erklärte uns, dass wir hier doch einigermaßen sicher wären, selbst wenn unser Haus verbrennen würde. Das Leben nach unseres Vaters Tod war für sie sehr schwierig geworden und es gab so wenig Hoffnung auf genug Nahrungsmittel. Wenn ich heute an die damalige Situation zurückdenke, dann hat sie wohl gemeint, dass wir vier ihm gemeinsam in den Tod folgen sollten.

Ich suche nach dem „Herzen“ meines Vaters nach dem Krieg

Fünf oder sechs Jahre nach Beendigung des Krieges verließ ich die Schule und trat in die Arbeitswelt ein. Im Blick auf meinen Vater empfand ich eine große Leere. Ich überlegte, ob es nicht irgendetwas geben könnte, das sich mit meinem Vater verbinden ließe, vielleicht durch die Kirche. Ich entdeckte als erstes, dass die Leute in der Kirche sehr freundlich waren, viel freundlicher als andere Menschen. Von den Verwandten, aber auch von andern Leuten hatte ich gehört, dass auch mein Vater ein sehr lieber Mensch gewesen war. Und so fühlte ich in dem Geist, der mir in jener Gemeinde begegnete, etwas von seiner Gegenwart. Später erst habe ich Jesus Christus als meinen Herrn und Heiland erkannt. Lange Zeit aber fühlte ich mich sehr unwohl bei dem Gedanken, dass mein Vater im Yasukuni-Schrein eingeschreint und in den dortigen Riten erinnert wird. Ich habe mich oft gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, seinen Namen aus dem dortigen Register zu entfernen, besonders seit dort auch die Kriegsverbrecher der Klasse A verehrt werden, die doch so viel Leid in die Welt gebracht haben. Der Yasukuni-Schrein behauptet ein Ort zu sein, an dem nicht nur die Geister der im Krieg Gefallenen göttlich verehrt werden, sondern auch die Geister der Zivilbeamten, die im Krieg gestorben sind. Das bedeutet doch, dass alle diese Menschen auf derselben Ebene stehen wie die Kriegsverbrecher der Klasse A, die für ihre Taten erhängt worden sind.

Es starben auch viele Menschen in den Explosionen der beiden Atombomben und durch die anderen Bombardements. Ich wünsche mir, dass wir alle darüber nachdenken, wie wir all dieser Menschen gedenken können, ihrer Leiden und Schmerzen, ohne dass wir dabei auch den Krieg verherrlichen, wie das im Yasukuni-Schrein geschieht und mit seinen verschiedenen Einrichtungen. Ich möchte gerne ein Erinnerungsmal haben, an dem wir derer gedenken, die im Krieg ihr Leben geopfert haben und an dem wir uns gleichzeitig dem Frieden verpflichten.

Mehr als alles andere wünsche ich mir also einen Ort, an dem die Religionsfreiheit, anders als derzeit, wirklich ernst genommen wird, an dem die verschiedenen Glaubensweisen und inhalte respektiert werden, und wo jedermann auf seine eigene Weise der Toten gedenken kann. Mit der Zeit verblassen die Erinnerungen an die Tragödien des Zweiten Weltkrieges, darum glaube ich, dass wir in dieser Richtung weitergehen sollten. Mein Gefühl ist, dass viele andere Christen ähnlich denken wie ich.

(Aus Shinto no Tomo = Freund des Glaubenden, eine Monatszeitschrift des Kyodan für seine Gemeinden und deren Mitglieder; August 2006)

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