DOAM-Tagungsbericht
Die jazzigen Klänge des Ensembles „Die Drahtzieher“ erfüllen den offenen Raum des Café Heuss. Es ist Samstagabend, der 8. Juni, als die drei Musiker nicht nur die Teilnehmenden unserer diesjährigen Tagung, sondern auch die anderen Besuchenden der Akademie mit ihrem Sinti-Jazz begeistern. Seit über 24 Stunden sind wir bereits gemeinsam in der Ev. Akademie Bad Boll, als Lernende, als Zuhörende, als Erzählende. Unser Zusammenkommen steht unter dem Thema: „Minderheiten kämpfen für gleichberechtigte Teilhabe in Kirche und Gesellschaft“, einem trialogischen Austausch über Diskriminierungserfahrungen zwischen Minderheiten aus Japan, Deutschland und Indien. Es war bereits der 3. Austausch dieser Art, seitdem Carola und Andreas Hoffmann-Richter von ihrem Dienst als ökumenische Mitarbeitende aus Japan zurückkehrten. Denn ihre japanischen Kollegen und Kolleginnen hatten sie mit einem wichtigen Auftrag betraut: Setzt Euch nun umgekehrt in der deutschen Kirche gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma ein. Denn in Japan gab es hier durch das Buraku-Befreiungszentrum (BLC) bereits einen wichtigen Schritt in der Antidiskriminierungsarbeit der Kirchen. Durch die Verbindung mit der EMS kam es so zu einem Trialog zwischen Buraku aus Japan, Dalits aus Indien und Sinti und Roma aus Deutschland. Für alle drei Gruppen bestehen historisch unterschiedliche Hintergründe für ihre Diskriminierung. Buraku wurden aufgrund ihres Berufes und Wohnortes diskriminiert, Dalits aus dem religiös hinduistischen Kastensystem als „Unantastbare“ ausgeschlossen und die Sinti und Roma als ethnische Gruppe mit herabsetzenden Stereotypen belegt. Doch die Gemeinsamkeiten zwischen den Minderheiten überwiegen: In alle drei Gruppen wird man hineingeboren und man kann sie nur schwer bis gar nicht verlassen, sie alle erfahren systemische und persönliche Diskriminierung, die oft auf mehreren Ebenen stattfindet, und sie alle haben eigene, reiche Traditionen und wollen eine gerechtere Teilhabe in (Kirche und) Gesellschaft. Die Tagung war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Verständnis, Solidarität und Empowerment für die diskriminierten Gruppen und ein Lernort für alle. Sie hat gezeigt, dass der Austausch zwischen verschiedenen Minderheiten entscheidend ist, um gemeinsam gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit vorzugehen und insbesondere, um sich gegenseitig zu bestärken und sich zu vergewissern, dass man nicht allein ist.
Am Samstagabend wippt neben mir Kozue ADACHI, eine 70-jährige Pfarrerin mit Buraku-Hintergrund aus Hiroshima und Vorsitzende des BLC Activities Committee, mit Kopf und Fuß im Takt der Musik; sie klatscht und freut sich an den Klängen. Da steht einen Tisch weiter eine junge Sintizza auf. Sie kommt zu uns, ergreift die Hand von Frau ADACHI und fordert sie zum Tanzen auf. Gemeinsam bewegen sie sich zu den Klängen der Band, sie verständigen sich ohne Worte über den Tanz – ein Zeichen der Verbindung jenseits von Sprache und Herkunft. Und für uns alle ein Aufruf, das Gelernte nicht als gehörte Worte abzuspeichern, sondern aufzustehen, einen Schritt aufeinander zuzugehen und gemeinsam in Aktion zu treten für eine gerechtere und diskriminierungsfreiere Welt.
Mirja Lange
Feedback zur Tagung von Rev. UENO Reina, Japan: »Wissen allein reicht nicht«
Zum ersten Mal habe ich an einer Tagung teilgenommen, bei der es um Aktivitäten von Sinti und Roma, Dalit und Burakumin ging. Einer meiner stärksten Eindrücke war der Workshop von Anupama Hial über „Minderheiten in der Diaspora – eine doppelt diskriminierte Gruppe?“, bei dem ich realisierte, dass bloßes Wissen nicht ausreicht. Es bestätigte sich einmal mehr, dass Minderheiten mehr als nur eine Last zu tragen haben. Anupama erzählte, dass egal, wie sehr sie sich auch bemühte, anderen ihre eigenen Belastungen zu erklären, die Leute ihr zwar zuhörten, sie aber nicht wirklich verstanden. Ich dachte mir, ja, das stimmt.
Dies war das erste Mal, dass ich direkt von Sinti, Roma und von Dalits aus erster Hand hörte. Ich war schockiert, als ich erfuhr, dass alle Sinti und Roma, die ich in Deutschland traf und mit denen ich sprach, Familienmitglieder oder Verwandte hatten, die im KZ ermordet worden waren oder irgendwie überlebt hatten. Ich war auch sehr entsetzt und wütend darüber, dass sie nicht angemessen entschädigt wurden, dass die Diskriminierung immer noch anhält und dass es auch schreckliche Hassreden im Internet gibt. Außerdem war ich schockiert zu erfahren, dass die derzeitige indische Regierung Minderheiten noch schlechter behandelt, als ich es mir vorgestellt hatte. Aber es war gleichzeitig auch eine große Ermutigung für mich, Menschen zu treffen, die in Deutschland und in Indien weiter gegen Diskriminierung ankämpfen und nicht aufgeben.
Schon vor langer Zeit sind Menschen in Europa umhergezogen, haben sich niedergelassen, Gemeinschaften gebildet und sind aus dem einen oder anderen Grund weitergezogen. Japan ist ein Inselstaat, und obwohl es innerhalb der Regionen Wanderungsbewegungen gibt, sind die Unterschiede in Sprache und Kultur nicht so groß wie in Europa. Die japanische Gesellschaft hat Einwanderer nur selten akzeptiert. Es gibt eine klare Diskriminierung der sogenannten „Ausländer“, insbesondere derjenigen, die nicht aus Europa oder Amerika stammen. Andererseits ist Europa schon seit vielen Jahren eine Einwanderungsgesellschaft, und ich habe mich gefragt, warum die Sinti und Roma immer noch diskriminiert werden.
Die Tagung hat mir bewusst gemacht, wie wenig ich über die Herausforderungen weiß, mit denen Sinti, Roma und Dalits konfrontiert sind, und mich gleichzeitig gelehrt, dass es nicht ausreicht, nur zu wissen, sondern dass wir unser Verständnis für sie entwickeln und vertiefen müssen.
Ich möchte mich von ganzem Herzen bei allen bedanken, die an der Vorbereitung beteiligt waren und diese Konferenz so wunderbar gemacht haben.
Rev. UENO Reina, Direktorin Buraku-Befreiungszentrum, Osaka
Feedback zur Tagung von Rev. Dr. Anupama Hial
Es war faszinierend für mich, an der Tagung teilzunehmen. Zum einen war das Seminar sehr stark von persönlichen Diskriminierungserfahrungen und Kämpfen geprägt, was die Tagung sehr erfolgreich und effizient gemacht hat.
Zweitens waren die konstruktiven Inhalte der kleinen Workshops sehr wirkungsvoll und führten zu einer starken Reflexion und ermutigten die verletzten Teilnehmer:innen zu Reaktion und Widerstand. Die Debatte, die Diskussion und der Dialog innerhalb der drei Minderheitengruppen beinhalteten sowohl die Perspektive des Lernens als auch des Verlernens, was das gegenseitige Verständnis unter den Teilnehmenden gefördert hat.
Drittens bin ich den Veranstaltern sehr dankbar, dass sie eine so wichtige Plattform organisiert haben, an der Menschen wie ich teilnehmen konnten und die es ihnen ermöglichte, ihren Schmerz und ihre Kämpfe zu teilen und sich mit anderen zu solidarisieren. Ich möchte nachdrücklich an die „weiße Kirche“ appellieren, sich mehr für das Thema Minderheiten zu engagieren und dafür, wie die Menschen aus dem globalen Süden mit Respekt und Würde leben können. Es ist höchste Zeit, die koloniale Denkweise und Haltung gegenüber Menschen aus dem globalen Süden zu dekolonisieren. Die Art zu denken und sich zu verhalten muss sich ändern. Nur dann ist es sinnvoll, den Prozess der Dekolonisierung auch in die Tat umzusetzen. Es ist dringend notwendig, die Menschen in der Kirche und in der Gesellschaft über Antidiskriminierung und Antirassismus aufzuklären. Die Kirche muss sich aktiv am Prozess der Dekolonisierung beteiligen, um die kolonialen Strukturen und Systeme abzubauen. Dies könnte ein Instrument sein, um gegen alle Arten von Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu kämpfen, was zur Buße und Wiedergutmachung führen könnte. Die ökumenischen Bewegungen oder christlichen Organisationen haben die entscheidende und dringende Aufgabe, die historischen und globalen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen, denen Minderheiten auch heute noch ausgesetzt sind, zu verändern.
Rev. Dr. Anupama Hial, ZMÖ Nordkirche weltweit
Bericht der China-AG
China ist aktuell, China ist vielseitig. In der China AG beschäftigen wir uns mit allen Themen der „sinophonen“ Welt: also mit der Volksrepublik, mit der SAR Hong Kong, mit Taiwan, der Situation chinesisch-sprechender Menschen im Ausland und Fragen, die sich aus der deutsch-chinesischen Begegnung ergeben. Die China AG ist offen für alle, denen „China“ am Herzen liegt. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Glauben und Leben der chinesischen Christenheit und dem Zusammenleben der Religionen. Informationen und Anmeldung zu den online Treffen bei Pfarrer Christoph Hildebrandt-Ayasse, Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung Heilbronn; christoph.hildebrandt-ayasse@elk-wue.de
Christoph Hildebrandt-Ayasse
Bericht der Japan-AG
Seit Sommer letzten Jahres trifft sich alle 3 Monate eine Gruppe von 5-10 Japan-Interessierten über Zoom für einen ca. einstündigen Austausch. Hierbei wechseln wir zwischen einer lockeren Runde mit aktuellen Ereignissen in Japan und einem Vortrag mit Diskussion, z.B. von Esben Petersen über Umweltschutz in Japan oder Stephan Johanus über “TAKENAKA Masao und die Inkulturation des Christentums in Japan...”. Falls Sie über folgende Treffen informiert werden möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail (lange.mirja@posteo.de), schauen Sie auf unserem Instagram Kanal oder auf unserer Homepage der EMS nach.
Mirja Lange
Bericht der Korea-AG
Die DOAM-Korea-AG trifft sich seit Mitte 2021 ca. 3 mal im Jahr online. Von den mittlerweile fast 20 Eingeladenen nehmen meist eine Handvoll teil. Der harte Kern besteht aus aktiven DOAM-Mitgliedern, aber es gibt auch ehemalige ökum. Mitarbeitende und FSJler:innen/Praktikant:innen, die durch das Remote-Format einfach dabei sein können. Obwohl der Zeitslot so gewählt ist, dass auch aus Korea teilgenommen werden kann, ist dies eher nicht der Normalfall, könnte aber besser klappen, wenn es vorbereitet wird und z.B. auch Externe direkt angefragt werden.
Inhaltlich dreht es sich oft um Neues aus den Kirchenpartnerschaften/Korea-Arbeitskreisen und Korea-Ökumene-Strukturen (Korea-Koordinationsgruppe in der EKD, Nationaler Kirchenrat, Ecumenical Forum), tagesaktuelle Nachrichten („Comfort Women“ und Friedensstatue, Militärdienstverweigerung etc.), Buch/Filmtipps und Persönliches. Der Austausch findet meist im freien Gespräch statt, aber es gab auch mal einen Vortrag.
Kai Lüke
Bericht der Feminismus-AG
Die Feminismus-AG ist im Nachgang zur letztjährigen DOAM-Tagung „Feminismus im Streit – Contentious Concepts in East Asia“ entstanden. Ziel der AG ist, sich über die Situation der Frauen in Ostasien zu informieren, Referentinnen einzuladen, sich über Texte ostasiatischer Frauen auszutauschen und eigene Reise- und Aufenthaltserfahrungen zu teilen und zu reflektieren.
Es wird lose Protokoll geführt, wo es die Diskussion nicht behindert. Die Termine werden regelmäßig auf der DOAM-Website angekündigt.
Insgesamt hat die AG sich bisher fünfmal getroffen, vom konstituierenden Meeting im Juli 2023 bis zum Mai 2024. Die Treffen finden, wenn keine ostasiatischen Teilnehmer:innen dabei sind, meist abends statt. Themen waren dabei zunächst ein Grundlagentext von Sung-hee LEE-Linke, „Frauen gegen Konfuzius“, über den Einfluss des Konfuzianismus und die Situation der Frauen in Südkorea und Japan bis zu den 1980er-Jahren. Es folgten der Bericht von Carola Hoffmann-Richter über ihre Treffen mit engagierten Frauen in Japan und Südkorea und die Auseinandersetzung mit einem Artikel von Mira Sonntag, Professorin an der christlichen Rikkyo University in Tokyo, der sich mit feministischer Solidarität über Religion und Konfession hinaus beschäftigt, speziell Christentum und Buddhismus. Es gibt in der AG auch immer Raum für persönliche Erfahrungen und Reflexionen im interkulturellen Rahmen. Die Teilnehmer:innenzahl der AG liegt zwischen 4 und 8. Die AG schreibt regelmäßig potenziell Interessierte zu einer Teilnahme an.
Sabine Marschner