"Trostfrauen", Wiedergutmachung und Menschenrechte
2005: Brief an Premierminister Koizumi 2005
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An den Premierminister Koizumi Japan
Berlin, den 10. 08. 05
Koreanische Zwangsprostituierte
Exzellenz,
Sehr geehrter Premierminister Koizumi,
vor wenigen Tagen hat sich Ihr Volk an die fatalen Ereignisse, die mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki vor 60 Jahren zusammenhingen, erinnert. Meine Tochter und ich haben in dieser Woche einen Dokumentarfilm über diese furchtbaren Verbrechen gesehen. Wir waren auch nach sechs Jahrzehnten noch tief betroffen von dem unsagbaren Leid das den Menschen in den beiden japanischen Städten zugefügt wurde. Seien Sie versichert, dass die Öffentlichkeit in Deutschland den Schmerz und die Trauer Ihrer Nation über dieses Verbrechen teilen.
Der sowjetische Physiker Sacharow resümierte, nachdem er persönlich nichts gegen eine Atombombenexplosion, die Menschenleben kostete, machen konnte: "Das Gefühl der Machtlosigkeit und des Grauens, das mich an diesem Tag erfasst hat, hat sich für mein ganzes Leben in mein Gedächtnis geprägt, und es hat viel in mir geändert auf dem Weg zu meiner heutigen Weltauffassung." Diesen Satz könnten die noch lebenden Opfer der Zwangsprostitution während des 2. Weltkrieges, die sich heute im "The Korean Council for Woman Drafted for Military Sexual Slavery by Japan" organisiert haben, im Rückblick auf ihre Situation sicher sinngemäß sagen.
Ich persönlich habe 8 Jahre in Südkorea gelebt und mehrmals an den Demonstrationen dieser Frauen vor der japanischen Botschaft in Seoul teilgenommen. Ich habe mit diesen Frauen gesprochen und in ihre vom Leid und Alter gezeichneten Gesichter gesehen. Wann immer ich an einer dieser Mittwochsdemonstrationen teilnahm, habe ich auch Japanerinnen und Japaner an diesen Demonstrationen teilnehmen sehen. In Gesprächen gerade mit jungen Japanerinnen und Japanern ist mir immer wieder versichert worden, dass Ihre Landsleute neben dem Gefühl der Scham auch eine tiefe Verantwortung für das empfinden, was das japanische Militär den Zwangsprostituierten im 2. Weltkrieg angetan hat.
Zugefügtes Leid kann man nicht ungeschehen machen. Uns Nachgeborenen bleibt nur die Möglichkeit, die eigene Betroffenheit zu artikulieren und die moralische Verantwortung für die Verbrechen unserer Vorfahren zu übernehmen. Es ist unsere Aufgabe den Mantel des Schweigens über diese historischen Tatsachen zu heben um derartige Verbrechen in Zukunft vorzubeugen und den kommenden Generationen eine Sensibilität für Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu vermitteln, die eine Wiederholung dieser menschenverachtenden Praxis unmöglich macht. Ich bin froh, dass Deutschland sich zu seiner Verantwortung für die Verbrechen während des 2. Weltkrieges bekannt hat, kleine Zeichen der Wiedergutmachung gesetzt und die Opfer, soweit möglich, entschädigt hat.
Eure Exzellenz,
sehr geehrter Herr Premierminister Koizumi,
auch das über sechzig Jahre währende Schweigen vermag nicht das begangene Unrecht und das Leid der Frauen zu beseitigen, die als Sexsklavinnen missbraucht und entwürdigt wurden. Auch nach sechs Jahrzehnten sind Menschen in ihrem Volk und allen Teilen der Welt betroffen von dem Leid, dass vor allem Koreanerinnen zugefügt wurde. Seien Sie versichert, dass die Welt Anteil nimmt am Schmerz und dem Leid der betroffenen Frauen. Ich bitte Sie darum im Namen der durch Japan im 2. Weltkrieg zur Zwangsprostitution gezwungenen Frauen und im Namen der Japanerinnen und Japaner, die sich für diesen Teil der Geschichte ihres Volkes schämen und die bereit sind die moralische Verantwortung dafür zu übernehmen, sich im Parlament Japans für die Erfüllung der folgenden Forderungen des "The Korean Council for Woman Drafted for Military Sexual Slavery by Japan" einzusetzen.
Bitte setzen Sie sich ein für
- dass Bekenntnis Ihrer Regierung, dass Frauen gegen ihren Willen als „comfort woman“ durch das japanische Militär zwangsverpflichtet wurden.
- dass die japanische Regierung sich offiziell bei den noch lebenden ehemaligen Zwangsprostituierten entschuldigt.
- dass die gesamte Wahrheit über das Verbrechen der militärischen Sexsklaverei aufgedeckt wird.
- dass die noch lebenden Opfer dieses Verbrechens individuell entschädigt werden.
- dass den Opfern ein Denkmal gesetzt wird und ein Museum gegründet wird, in dem dieser Teil der Geschichte für die folgenden Generationen dokumentiert wird.
- dass die Verantwortlichen bestraft werden.
- dass dieser Teil der Geschichte korrekt in den Geschichtsbüchern dargestellt wird.
Tragen Sie durch Ihr Engagement dazu bei, dass die noch lebenden ehemaligen Zwangsprostituierten in Würde sterben können.
Hochachtungsvoll,
Jörg Baruth
j.baruth@ekbo.de
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