Meditation: Jesaja 42,3

11.09.2011 - 12. Sonntag nach Trinitatis
Evangelischer Gottesdienst mit Abendmahl in der Deutschen Botschaft Peking

Sicherheitshinweis der Deutschen Botschaft Peking:
„Am 11. September jähren sich zum 10. Mal die islamistischen Anschläge in New York.
Es gibt für die Botschaft keine besondere Bedrohung. Dennoch ist eine Gefährdung, insbesondere an diesem Tag, nicht auszuschließen.
Deshalb bitte ich nachfolgende Punkte für den Gottesdienst zu beachten:
- Mitführung eines Identitätspapiers (Kopie)
– Keine Mitnahme von großen Taschen/Rucksäcken o. ä.
– Bitte achten Sie auf Ihnen unbekannte Personen
Danke für die Unterstützung, ich wünsche einen schönen Gottesdienst.
Mit freundlichen Grüßen, Deutsche Botschaft Peking / German Embassy Beijing“

Der biblische Wochenspruch:
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.   Jesaja 42, 3

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder,
Sie haben es gerade ganz oben in dieser Gemeinde-email gelesen: Diesen Sonntag jährt sich der 11. September oder Nine Eleven zum 10. Mal.


Ich kann mich noch an diesen Tag erinnern. Am Nachmittag bereitete ich mich auf einen Seelsorgebesuch vor. Kurz zuvor hatte ich noch im Internet die Nachrichten gelesen, mir war aber nichts Besonderes aufgefallen. In der Wirtschaftsrubrik allerdings stutzte ich: Ich sah steil abstürzende Aktienkurse und fragte mich, was wohl die Ursache sein könne, ging nochmal in den News surfen, und stieß dann auch schon auf die ersten Fotos von einem der rauchenden Türme des World Trade Centers. Das Ganze fand ich zu irreal, wie einen schlechten Film, konnte es überhaupt nicht einordnen und fuhr erst einmal zu meinem Seelsorgetermin.

Die Bilder ließen mich nicht los. Ein Lied fiel mir ein aus meiner kirchlichen Jugendzeit: Es mag sein , dass alles fällt, dass die Burgen dieser Welt um dich her in Trümmer brechen.“ Und weiter schreibt der Verfasser Rudolf Alexander Schröder, der diese Zeilen während des Dritten Reichs verfasste: Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: er hält sein Versprechen.

In den Tagen, Wochen und Monaten nach den Anschlägen in den USA wurde vieles Dunkle bekannt: dass die Bin Laden Familie nicht nur einen der größten Terroristen aller Zeiten hervorgebracht hatte, sondern auch mit der amerikanischen Präsidentenfamilie befreundet war und diese mit den Bin Laden Bankiers gerne Geschäfte machten. Oder: Ich lernte ein neues Wort: „Schläfer“. Ausgerechnet in Deutschland hatten maßgebliche Beteiligte „geschlafen“. In der Presse tauchten Verschwörungstheorien auf, manche durchaus interessant und stichhaltig. Zum Beispiel, dass dieser Angriff der Regierung des angegriffenen Landes gerade Recht kam. Das alte Feindbild des Kommunismus – mit Feindbildern und mangelhaften Bildungsmöglichkeiten kann man äußerst erfolgreich Menschenmassen manipulieren – war zwölf Jahre zuvor mit dem Fall der Mauer zusammengebrochen, und manche Kenner der USA sagen, dass das nationale Psychogramm der USA nicht ohne Feindbild auskommt. Also rief Präsident Bush den war against terror(ism) aus. Der nationale Staatssicherheitsapparat wurde ungeachtet aller Kosten erweitert um die Homeland Security und andere ähnlich anheimelnd klingende Abteilungen. – In den vergangenen Jahren habe ich mich immer wieder gefragt: Wie kann man einen materiellen, militärischen Krieg (Irak) führen gegen eine Ideologie? Sind nicht die besten Mittel gegen zerstörende Ideologien Erziehung und Bildung? Haben die amerikanischen Bürger wirklich keine Ahnung, woher das so hohe Defizit in ihrem Staatshaushalt kommt?

Der Irak-Krieg kostete pro Woche (!) 1 Milliarde Dollar. Das sind 52 Milliarden im Jahr und über eine halbe Billion (im englischen „half a trillion“) in 10 Jahren. Wie viele Schulen hätte man für dieses Geld bauen können, welch großartige Infrastrukturmaßnahmen in einem Land tätigen können, das man vorher mit Bomben zerstörte? –
Es mag sein, dass alles fällt….

An wen wir in diesen Tagen besonders denken, das sind die Familien  der 3000 Opfer der Anschläge. In New York wird das neue Mahnmal eingeweiht.
Wo einst die Zwillingstürme standen, befinden sich zwei riesige quadratische Vertiefungen. An Granitwänden rauscht Wasser in die Tiefe, und unter den Bassins liegt ein Pavillon, wo die Namen der Opfer eingraviert sind. Dieses Mahnmal soll den Menschen Hoffnung machen und zugleich ein Friedhof für die Opfer sein. Überall auf der Welt gibt es am Wochenende Veranstaltungen, Mahnwachen und Gottesdienste. Hier ein link aus unserer Bundeshauptstadt: http://www.berliner-stadtmission.de/4900.html.

Die Familien der 9/11-Opfer und die Familien der auf beiden Seiten Gefallenen im Krieg gegen den Terrorismus sind auch weiterhin auf der Suche nach Heilung für ihre trauernden Herzen und nach Frieden für ihre Seelen.

Vielleicht hat hier der Wochenspruch für die vor uns liegende Woche seinen Platz:
Das geknickte Rohr wird er (Gott) nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Worte des Propheten Jesaja sind das, ursprünglich an das Volk Israel gerichtet, um ihm Mut in schwierigen Zeiten zu machen.

Die unbeschreiblichen Ereignisse des 11. September und all das Dunkle und Böse, das zu diesen Ereignissen geführt hat, haben das Lebensvertrauen einer ganzen Generation geknickt und die Flamme des Friedens nahezu ausgelöscht. Aber: Ein genicktes Schilfrohr kann man wieder aufrichten, und ein glimmender Kerzendocht kann wieder zum Brennen gebracht werden.

Dazu braucht man Behutsamkeit, die Bereitschaft zum Lernen, Geduld und das Vertrauen in einen Gott, der das Leben will und nicht den Tod. Weder will Gott einen Tod, den Selbstmordattentate bringen, noch will er einen Tod, der die Folge von Vergeltungstaten ist. Kriegserklärungen und Profit versprechende Waffenverkäufe werden uns auch in Zukunft nicht weiterbringen, sondern Angst und Hoffnungslosigkeit nur noch steigern.

Ein Kollege von Jesaja, der Prophet Sacharja, drückte es vor 2.700 Jahren so aus:
Es soll nicht durch Heer oder Gewalt geschehen, spricht Gott, sondern durch meinen Geist.

Dieser Glaube ist einer der Gründe, weshalb ich meinen Religionsunterricht in der Deutschen Schule gerne mit dem Anzünden einer Kerze und mit ein paar Minuten gemeinsamen Erzählens und Zuhörens über Erlebtes beginne. Manchmal entsteht daraus auch ein Gebet.
Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: er hält sein Versprechen.

 

Mit herzlichen Segenswünschen für Sie, Ihr  Pfarrer Karl-Heinz Schell

Gebet
Gott,
du wendest das Böse zum Guten.
Du machst das Dunkle hell und das Kranke gesund.
So verwandle auch meine Sorgen,
was mich belastet und lähmt,
in neue Zuversicht, damit ich dich lobe
und dir danke für die mir geschenkte Lebenszeit.
Amen.

Zuspruch
Gott lädt dich ein an seinen Tisch,
ER stillt deinen Hunger und deinen Durst
nach einem erfüllten Leben.
Er kommt dir nah in Brot und Wein,
er vergibt dir deine Schuld
und führt dich hinaus ins Weite.

Pfr. Dr. Karl-Heinz Schell ist Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Peking und Vorstandsmitglied der Deutschen Ostasienmission.

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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