Meditation: Hebräer 13,14

13.01.2013, 1. Sonntag nach Epiphanias

 

Die biblische Jahreslosung für 2013

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.  Hebräer 13,14

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

eher selten geschieht es, dass uns ein Text aus dem Hebräerbrief vorliegt. Ich möchte deshalb gerne etwas ausholen und Sie einladen, mit mir einen kurzen Weg durch Geschichte und Theologie dieses vorletzten Buches des Neuen Testaments zu gehen.

Der „Brief an die Hebräer“ ist kein Brief im eigentlichen Sinn, so wie z.B. die Briefe das Paulus an die Gemeinden in Rom oder in Korinth, sondern eher ein Lehrschreiben an Adressaten, die nicht mit Namen genannt werden. Wahrscheinlich waren es einmal mehrere Briefe, die zu einer Art Sammelwerk zusammengefasst wurden. Der Verfasser war offenbar ein hoch gebildeter griechischer Christ jüdischer Abstammung, der sich auch in der Septuaginta (das ist die von 250 v.Chr. bis 100 n.Chr. entstandene Übersetzung des Hebräischen Bibel in die griechische Alltagssprache) sehr gut auskannte; das Griechisch des Hebräerbriefes, der zwischen 65 und 90 n. Chr. verfasst wurde, ist das beste von allen Schriften des Neuen Testaments. Aus seinem Ende (Kap. 13), das sich stilistisch vom Rest des Briefes unterscheidet, kann man schließen, dass er in oder nach Rom geschrieben wurde.

Eine theologische Besonderheit des Hebräerbriefes besteht darin, dass er als einziges Buch des Neuen Testaments Christus als Hohepriester bezeichnet. Wie ein alttestamentlicher Hohepriester hat Christus ein Opfer zur Versöhnung der Menschen mit Gott gebracht, allerdings mit dem Unterschied, dass er selbst dieses Opfer war und mit seiner Selbsthingabe (Kreuzigung) als letztgültige Versöhnung die alttestamentliche Opferpraxis ein für allemal beendet hat (vgl. Kap. 9).

Unsere Jahreslosung befindet sich im Schlusskapitel des Hebräerbriefes und hat in der Lutherbibel die Überschrift „Letzte Ermahnungen“. Darin geht es um konkrete ethische Anweisungen für einen Alltag, der aus dem christlichen Glauben heraus gestaltet wird. Der Verfasser weist darauf hin, dass Jesus – im Unterschied zu den Opferhandlungen im innerhalb der Stadt Jerusalem gelegenen Tempel – außerhalb der Stadtmauern geopfert wurde. Entsprechend sei der Platz der Christen genau dort, in ungesichertem Gelände, mitten in den Gefahren der Welt, an seiner Seite. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Dorthin solle man sich aufmachen: und dann so leben wie Christus lebte: „Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“ (Kap. 13, 16)

Fast könnte man meinen, dieser Satz sei für alle Expats und besonders für uns Pekinger geschrieben worden sei. Auch wir sind keine hier Bleibenden; viele von uns treibt der Beruf ständig aus der Stadt heraus an andere Orte, und nach ein paar Jahren brechen die meisten von uns, modernen Nomaden gleich, ihre Zelte ab und ziehen weiter.

Mit meinen Viertklässlern in der Deutschen Botschaftsschule habe ich vor ein paar Tagen eine Bildkarte zur Jahreslosung betrachtet, die am Sonntag auch die Gottesdienstbesucher in Peking geschenkt bekommen. Dabei sprachen wir auch über „nicht bleibende Städte“ auf Grund von Krieg oder Modernisierung. Nicht zu vergessen ist, dass Millionen von Chinesen in den großen Städten in den vergangenen 30 Jahren am eigenen Leib bzw. am eigenen Haus erfahren haben, dass die Stadt, wie sie sie kannten, keinen Bestand hatte - und immer noch nicht hat. In dem 2006 erschienenen Fotoband „Peking - Théâtre du peuple“ dokumentiert der französische Verfasser Ambroise Tézenas das Entstehen des modernen Peking. Er schreibt u.a., dass „in weniger als zehn Jahren das Äquivalent zur Innenstadt von Paris dem Erdboden gleichgemacht und neu errichtet“ wurde. Wer das Schriftzeichen „chai“ (拆, 1. Ton = Abriss) an seiner Hauswand fand, hatte nur wenige Wochen, um sich eine neue Bleibe zu suchen. Die Rechte von Hausbesitzern sind inzwischen stärker als noch vor 10 Jahren, aber z.B. jahrelang währende Enteignungsverfahren, wie es sie in Deutschland auf Grund staatlich geschützter Individualrechte gibt, gibt es in China auch heute noch nicht; d.h. es wird i.d.R. eben relativ zügig abgerissen. Allerdings: Die Zeiten ändern sich, langsam, aber sie ändern sich, besonders wenn es um den Bestand historischer Gebäude geht.

Am Ende unseres Weges durch Geschichte und Theologie des Hebräerbriefs tut sich also die Tür in unsere Gegenwart auf.
Ein paar mögliche Fragen gibt es, die sich jeder selbst stellen und beantworten mag:
Wie sieht meine persönliche Suche nach der „zukünftigen Stadt“ aus?
Was ist mein Weg an die Seite Christi in diesem neuen Jahr?
Und wenn ich dort angekommen bin, wie werde ich dann leben?

Mit herzlichen Segensgrüßen für Ihren persönlichen Weg und für unseren gemeinsamen Weg als Gemeinde Jesu Christi in 2013,
Ihr     Pfarrer Karl-Heinz Schell

Gebet zu Epiphanias

Herr, mein Gott,
in Jesus Christus erscheint deine Liebe zu mir.
Sie gilt allen Menschen.
Ich bitte dich,
gieß deine Liebe auch in mein Herz,
dass ich durch sie verwandelt werde,
dass ich mich selbst annehmen kann
und dann auch meine Mitmenschen.
Mach mich bereit zur Vergebung
und zur Versöhnung,
die Grenzen überwindet.
Erlöse mich von Selbstgerechtigkeit und
Besserwisserei,
durch die ich andere verachte,
gering schätze oder aus den Augen verliere.
Amen.


Benediction for Travelers

(Book of Common Worship, Presbyterian Church in the USA, 1946, 
adapted for Expat congregations by the Beijing German Pastor, 2013)

It is truly God
who reigns in the skies and on the earth.
Because he loves you,
he will guide and protect all your journeys.
May he be your strong defense against all perils,
and your faithful friend in far regions.
May he keep your health and heart,
prosper the ends of your adventures,
and make you leave and return both safe and happy.
May he so direct your pilgrim steps through this world,
that you may finally arrive in the better country,
your heavenly and everlasting home,
with Jesus Christ our Lord.
Amen.

 

 

 

 

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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