Meditation: Psalm 145,15 Erntedankfest

Beijing/Tianjin – Changchun – Qingdao
09.10.2011 Erntedankfest – 16. Sonntag nach Trinitatis – Erntedankfest
in der Kirche des Theologischen Seminars Peking

Der biblische Wochenspruch zum Erntedankfest:
Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Psalm 145, 15

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Schwestern und Brüder,
bis gestern war ich in Japan unterwegs. Ich habe mir Zeit genommen, mit den Professoren Ogawa und Watabe in Tokyo und Kofu, mit Mitgliedern der Evangelischen Japanischen Shinanomachi-Gemeinde in Tokyo-Shinjuku und mit Pfarrerin Hübler-Umemoto von der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache Tokyo-Yokohama über die Nachwirkungen der Dreifach-Katastrophe vom 11. März zu sprechen und zu erfahren, wie die Hilfsmaßnahmen fortschreiten. In Japan redet man, in Anlehnung an den 11. September 2001 „Nine/Eleven“, vom „Three/Eleven“ (3/11). Viele von Ihnen haben sich seit März in der Katastrophenhilfe in Japan engagiert. Gerne möchte ich Ihnen zur Situation dort einen update geben. 

Sehr auffällig – im Unterschied zur internationalen Presse – ist, dass Presse und Medien in Japan jeden Tag berichten, Features senden, Dokumentationen erarbeiten und neue Messergebnisse bekannt geben. Am 30. September veröffentlichte die große japanischsprachige Asahi Zeitung eine Graphik zur Ausbreitung der Radioaktivität (Schwerpunkt: Cäsium); diese Graphik wurde am 1. Oktober von der englischsprachigen Japan Times übernommen. http://www.japantimes.co.jp/radiation-levels.html http://www.japantimes.co.jp/maximum-radiation-levels.html. Japan wird mit den unmittelbaren Folgen der Kernschmelzen noch Jahrzehnte leben müssen. Professor Ogawa schätzt, dass die Nuklearkatastrophe in Fukushima 40 bis 60 mal so schwerwiegend war wie der Abwurf der Atombombe über Hiroshima.

Wie ist das mit dem Essen in Japan? In Tokyo? – Kein Problem. Natürlich fragt man sich, wenn man in Japan lebt, ob das, was man zu sich nimmt, frei von radioaktiver Strahlung ist. Nur: Auf Dauer macht einen das seelisch krank, denn man kann nicht ständig im freeze-Zustand wie der Hase vor der Schlange sitzen.

Ein Satz wie unser Bibelvers für Erntedank: Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit, erhält auf dem Hintergrund verseuchter Erde ein ganz anderes Gewicht, und man kann sich gewisser zynischer Gedanken nicht erwehren, wie z. B: „Gott würde uns ja gerne unsere Speise zur rechten Zeit geben, aber – die Menschen verderben den zur Erzeugung der Speise nötigen Boden, das Wasser und die Luft.“

Nicht nur die Bibel, sondern auch die griechischen Klassiker versuchen uns zu lehren, dass der Mensch da in die Irre geht, wo er sich und seine Möglichkeiten überschätzt. Da eine solche gottlose Selbstüberschätzung (Hybris), verbunden mit kritikloser Profitgier, weltweit anhält, wird Fukushima nicht das letzte Reaktorunglück auf diesem Globus gewesen sein, da bin ich mir ganz sicher.

Aber es gibt Hoffnung: Der in Deutschland beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie ist ein Schritt in die richtige Richtung. In Japan können die zur Überprüfung abgeschalteten unversehrten Reaktoren erst dann wieder ans Netz, wenn neben der Aufsichtsbehörde auch die Standortgemeinde zustimmt. Die Spendengelder, die Sie, liebe Leserinnen und Leser an die Kreuzkirche in Tokyo geschickt haben, werden mit sehr viel Sorgfalt und Überlegung weitergegeben. Verfolgen können Sie das im blog der Kreuzkirchen-website. http://www.kreuzkirche-tokyo.jp/
Ermutigen wir uns am Erntedankfest gegenseitig, in diesen ruhelosen Zeiten quer zu denken und quer zu handeln. Und schauen wir dabei verstärkt auf den, der der Geber aller Gaben ist.

Auf ein Wiedersehen am Sonntag freut sich Ihr Pfarrer Karl-Heinz Schell

Gebet
(Annemarie Nies, aus: TeDeum)

Bittet, dann wird euch gegeben
Nicht den einen,
den großen
Augenblick
der Entstehung der Welt,
der Milchstraßennebel,
der vergangenen Zukunft
und des immer stattfindenden
jüngsten Tages -
nur im Lärmen der Stadt
ein Vogellied,
die Spur von Rosenduft
im Straßenstaub,
heimgehen dann am Abend –
nur diesen
kleinen Augenblick,
den aber ganz,
und dass ich nicht
meine Liebe verlerne
in der schrecklichen
Abfolge der Zeit,
erbitte ich mir.
Amen.

Segen
(von Anton Rotzetter, aus TeDeum)

Menschliche Dreifaltigkeit
Erinnerung – Verstand – Wille
Göttliche Dreifaltigkeit
Vater- Sohn – Geist
Vater segne unsre Erinnerung
damit sie uns heilt
Sohn segne unsern Verstand
damit er uns lehrt
Geist segne unsern Willen
damit er die Liebe wählt
Amen.

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