Meditation: Hebräer 3, 15

Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache (EGDS) Peking, China
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Der Wochenspruch für die Woche vom 2. Sonntag vor der Passionszeit
(Sexagesimä = 60 Tage vor Ostern) lautet:

Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.  Hebräer 3, 15

Liebe Leserin, lieber Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

so ohne jeden Zusammenhang gibt der Wochenspruch Rätsel auf:
… heute - warum heute?
… seine Stimme hören - von wem ist da die Rede?
… verstocken - wer benutzt denn dieses Wort heutzutage noch?
… eure Herzen - wer ist da angesprochen? Auch ich?

Der neutestamentliche „Brief an die Hebräer“ ist nicht ein Brief im strengen Sinn, sondern ein Lehrschreiben an nicht genannte Adressaten; auch der Verfasser wird nicht mit Namen genannt.
Er hat Christen vor Augen, die auf die Wiederkunft Jesu zu ihren Lebzeiten gewartet haben, aber dies ist nicht geschehen. Nun sind sie müde und hinterfragen ihren Glauben.

Der Verfasser kennt und versteht diese Situation. Er vergleicht sein „Heute“ mit dem „Damals“ der Wüstenwanderung des Volkes Israel.

Jahre und Jahre des Unterwegsseins und der Heimatlosigkeit hatten Spuren hinterlassen und das Geduldreservoir vieler Wüstenwanderer aufgezehrt. Einen Heim-Kamelritt pro Jahr für die Wüsten-Expats gab es nicht… 40 Jahre lang nicht. Manche hielten daher die Zeit für gekommen, ihren Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs aufzugeben und sich anderen Göttern – u.a. auch im do-it-yourself Verfahren angefertigt (das Goldene Kalb) – zuzuwenden. (Übrigens: Das 2. Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ meint nicht, dass es verboten wäre, sich eine Vorstellung von Gott zu machen oder in Bildern von Gott zu reden, sondern es verbietet die Anfertigung von Götzenbildern.) Ein großer Teil des Volkes „verstockte“ seine Herzen, machte sie zu für den alten Glauben. Das ging leider gründlich schief, sogar mit Todesfolge. Mose gelang es mit einer Mahnrede, gespeist aus heiligem Zorn, die versiegten spirituellen Heimatquellen der Menschen wieder zum Fließen zu bringen. Am Schluss (2. Mose 34, 6) steht das Bekenntnis zu dem richtenden, aber auch barmherzigen Gott: „Herr Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue,…“.

Manches in dieser Geschichte (2. Mose 32 + 33) ist wild, archaisch und für uns heute nur schwer zu verstehen, obwohl wir aber vielleicht doch wissen, wie wild man werden kann, wenn man die Geduld verloren hat, oder wie es sich anfühlt, wenn man sein Herz zumacht, und wenn man dann Dinge tut, die u.U. keine guten Folgen haben.

Ich halte es grundsätzlich für richtig, dann zu handeln, wenn die Geduld zu Ende ist. Nur: Dieses Handeln sollte, im Vertrauen auf Gottes Führung, gut überlegt sein. Es sollte dazu dienen, das Herz, die eigenen Möglichkeiten nicht einzuengen, sondern weit zu machen. Das kann bedeuten, dass man sich betr. einer Sache neu orientiert, aber es kann auch bedeuten, dass man Gott um eine neue Portion Geduld bittet. Eine humorvolle Version z.B. wäre „Herr, gib mir Geduld, aber sofort.“

Dem Verfasser des Hebräerbriefes geht es um das Hören auf die Stimme Christi im Heute, im Jetzt. Das Jetzt ist die einzige Zeit, die uns zur Verfügung steht. Die Vergangenheit liegt hinter uns, und über die Zukunft verfügen wir nicht, trotz minutiöser Pläne. Insbesondere das Leben in China lehrt uns, dass sich noch kurz vor einem Termin etwas Wesentliches ändern kann.

Wie kann man das schaffen, im alltäglichen Stimmengewirr die Stimme Jesu zu hören? – Im bewussten Atmen, im Zur-Ruhe-Kommen, und mit dem Gebet: „Herr, komm du jetzt zu mir, und lass mich nur noch deine Stimme hören.“ Oder mit dem Gebet: „Ich bin dein – hilf mir!“ Das kann überall sein: zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Schule, bei einer Freizeitbeschäftigung. Es kann nur ein Moment sein, oder 5 oder 10 Minuten, oder noch länger. Der Friede Christi, zu dem wir auf diese Weise Zugang gewinnen, ist etwas Wunderbares. Er öffnet das Herz und macht es weit. Versiegte Quellen beginnen wieder zu sprudeln.

Mit herzlichen Segensgrüßen,  Ihr      Pfarrer Karl-Heinz Schell

Morgengebet

Paul Gerhardt (1607-1676)

Wach auf, mein Herz und singe
dem Schöpfer aller Dinge,
dem Geber aller Güter,
dem frommen Menschenhüter.

Sprich ja zu meinen Taten,
hilf selbst das Beste raten;
den Anfang, Mitt‘ und Ende,
ach Herr, zum Besten wende.
Amen.

Segen

Gott, segne mich, dass ich dich in der Schöpfung erkenne.
Segne mich, dass ich deine Spuren in der Geschichte sehe.
Segne mich, dass ich dir in Jesus Christus begegne.
Segne mich, dass ich dir folge und mich zu dir bekenne.
Amen.





Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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