Meditation: Johannes 10, 11.27.28

Evangelische Gemeinde Deutscher Sprache (EGDS) Peking, China
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4. Mai 2014
Biblischer Wochenspruch für den 2. Sonntag nach Ostern (Misericordias Domini – Die Barmherzigkeit des Herrn):

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.   Johannes 10, 11.27.28


Liebe Leserinnen, liebe Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

der morgige Sonntag hat im Kirchenjahr traditionell das Thema Jesus – der gute Hirte.
Für viele, die im christlichen Glauben aufgewachsen und erzogen worden sind, ist das ein beliebtes Bild: Geborgenheit, Fürsorge, Leitung – diese positiven Eigenschaften und Werte sind darin (ähnlich wie in Psalm 23) enthalten. Jesus geht mir nach, wenn ich verloren gegangen bin, wenn ich mich verloren habe. Er sucht mich auf, führt mich zurück zum Leben.

Es heißt von Jesus interessanterweise nicht, dass er der Leithammel sei. Eine Schafherde hat einen Leithammel; diese Tatsache bleibt beim Hirte-Schafe-Bild offenbar unbestritten; für die Menschen damals war das einfach zu normal, als dass man es hätte erwähnen müssen. Jesus ist nicht der Leithammel in einer Schafherde, sondern er ist ihr Hirte.

Das ist außerordentlich tröstlich, denn so haben auch Leithammel - also all die, die in einer christlichen Gemeinde oder in anderen Formen organisierter menschlicher Gemeinschaft Leitungsfunktionen wahrnehmen - einen Hirten. Nicht nur Schafe verlaufen sich: auch Leithammeln geschieht das. Und dann führen sie nicht mehr richtig, führen falsch, oder verführen sogar. Dann werden Führer zu Falschführern oder Verführern; dann laufen ganze Schafherden in die Irre. Unsere deutsche Geschichte belegt das nur zu deutlich, einschließlich der schlimmen Folgen: Verbrechen an der Menschheit, millionenfacher Tod, und Folgen über mehrere Generationen hinweg: wirtschaftlich, politisch, psychologisch.

Und wie ist das mit China? Die Geschichtsschreiber unseres Gastlandes mögen selbst entscheiden, ob sie die Hirten-Metapher auf die Geschichte ihres Landes anwenden wollen.
Eine Schafherde (Gemeinde, Gemeinschaft, Gruppe, Firma, Nation… ) tut wohl daran, wenn auch ihr Leithammel dem guten Hirten folgt.

Man sollte in der Selbstaussage Jesu „Ich bin der gute Hirte“ das vierte Wort betonen: „Ich bin der gute Hirte.“ Angesichts der unzähligen Möglichkeiten, sich im Leben zu verlaufen und Fehler zu machen, tut es sehr gut zu erfahren, dass wir als Einzelne und als Gemeinde mit Jesus sehr gut verbunden sind: Wir kennen seine Stimme, er kennt uns, und wir folgen ihm. Auf der Ebene chinesischer Freundschaft sind wir nicht nur pengyou, oder hao pengyou, sondern lao hao pengyou Jesu– wirklich gute Freunde von alters her. Auf der Ebene familiärer Beziehungen sind wir Jesu Brüder und Schwestern, weil uns die Gotteskindschaft verbindet.

Diese tiefe Verbindung mit Jesus ist es, die mir die Angst nimmt, ich könnte irgendwann verloren gehen, wenn mich – während ich auf der Suche nach Leben und Lebendigkeit bin, oder auch vollkommen unvermittelt - einmal wieder eine größere Welle in unvermutete unbekannte Tiefen mitgenommen hat und ich zunächst einmal erschrecke.

Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, eh er stirbt.
Angelus Silesius (Johann Scheffler, 1624 – 1677)

Wer lebt, und damit meine ich: wer so richtig lebt, wer alles in die Waagschale wirft, der verliert auch schon mal (alles), der stürzt auch schon mal ab; dem verbrennen – wie dem Ikarus aus der griechischen Sage - die Flügel. Es gibt viele Varianten zu sterben. Sterben gehört zum Leben. Und wer im Lauf seines Lebens schon einmal gestorben ist, der weiß, welch eine Macht und Freude in diesem letzten Teil des Wochenspruches steckt: „… und ich gebe ihnen das ewige Leben.“

Es ist noch Osterzeit, deshalb:
Der Herr ist auferstanden!
Ihr     Pfarrer Karl-Heinz Schell

Der Weg nach innen

(weitere Worte von Angelus Silesius;
http://de.wikipedia.org/wiki/Angelus_Silesius )

In jedem lebt ein Bild des, der er werden soll;
solang er dies nicht ist, ist nicht sein Frieden voll.

Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß;
Ein Ding und nicht ein Ding, ein Stüpfchen und ein Kreis.

Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht,
so fällt der Zufall weg. Das Wesen, das besteht.

Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.

Segen – Erinnerung an die Zukunft

(Charis Doeogen OSB, aus TeDeum, Mai 2014)

Am Ufer stehen
die Augen trinken unendliches Blau
die Sonne geht auf
alles ist Licht
am Abend verglüht sie am Horizont
verzaubert
steh ich am Ufer

Das Herz hält die Bilder fest
und erinnert mich…

Im Bilderbuch meines Glaubens
eine kolorierte Skizze:

Morgenfrühe
nach erfolgloser Arbeit
auf unruhigem Meer
müde Heimkehr –
bis das Ufer in Sicht kommt
an dem ich erwartet werde
mit Brot und Fisch
die ER für mich bereitet hat –
die Sonne geht auf
Fragen sind nicht mehr nötig

Die Sprache der Bilder sagt mehr





Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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