Meditation: Psalm 25,15

11.03.2012   3. Sonntag in der Passionszeit (Sonntag Oculi)
Lateinisch: Oculi mei semper ad Dominum – Meine Augen schauen stets auf den Herrn. Psalm 25, 15

Der Wochenspruch für den 3. Sonntag in der Passionszeit (Oculi) lautet:

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. Lukas 9, 62

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

wie ist das eigentlich mit unserer Lebensenergie?
Wo kommt sie her?
Warum scheinen die einen mehr davon zu haben als die anderen?
Warum habe ich selbst an dem einen Tag mehr davon und an einem anderen weniger?
Was hat sich in mir verhakt, wenn ich es nicht mehr schaffe, im Hier und Jetzt zu leben?
Gibt es so etwas wie eine innere seelische Knotenbildung, die mich daran hindert, zukunftsorientiert und hoffnungsvoll zu sein?
Wenn ich mein volles Potential nicht erreiche, was sind die Ursachen dafür?

Um zumindest eine Antwort auf diese Fragen zu geben, verwendet Jesus ein Bild aus der Landwirtschaft.
Man kann – am Rande des derzeit in Peking stattfindenden Volkskongresses – in der Presse lesen, dass auch weiterhin immer mehr Chinesen vom Land in die Städte ziehen, so dass auf dem Land die Arbeitskräfte Mangelware werden. Die Regierung will gegensteuern, denn das Riesenvolk will auch weiter ernährt werden. In China ist die Zahl der Bauern allerdings immer noch sehr hoch.  Zum Vergleich: In Deutschland arbeitet nur noch 1% der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Vor 100 Jahren ernährte ein deutscher Bauer 4 Personen, heute sind es, auf Grund des hohen Mechanisierungsgrades, ca. 150 Personen.

Bilder aus der Landwirtschaft waren zu Jesu Zeiten den Zuhörern sofort verständlich, denn der Acker war Alltag.

Heute ist das anders. Mal so gefragt: Wer von Ihnen hat schon einmal gepflügt? Vielleicht sogar mit einem Handpflug? Einer zieht vorne, und ein anderer lenkt hinten, damit die Furche schön gerade wird. – Ich hatte das Glück, auf einer Landpfarrstelle diese Erfahrung machen zu können, als ich einen kleinen Gemüseacker gleich neben dem Pfarrhaus anlegte und bearbeitete. Die Furche gerade zu halten ist für den, der vorne zieht, gar nicht so einfach. Und tatsächlich ist es so, dass es genau dann schief wird, wenn man zurückschaut.

In seinem Bild entwirft Jesus eine Lebenshaltung, in der es auf Geradlinigkeit und Zielgerichtetheit ankommt.
„Hinter dem Pflug ist geackert", sagt der kluge Bauer und schaut eben nicht mehr zurück, sondern lässt die vergangene Wegstrecke so, wie sie geworden ist. Er verbschiedet sich sozusagen von ihr, um seine ganze Aufmerksamkeit dem vor ihm liegenden unbearbeiteten Ackerstück widmen zu können.

„Wenn ich das nur immer schaffen könnte!", denke ich an dieser Stelle. Je länger ich lebe, umso mehr gibt es nämlich Möglichkeiten, mich in meiner Vergangenheit zu verhaken und kostbare Lebensenergie, die ich für das Jetzt bräuchte, dort zu verschwenden. Gedanken wie „Hätte ich doch damals nur..." oder „Früher, das war besser und schöner..." sind Ausdruck einer solchen möglichen Verhakung, des unguten Zurückschauens am Pflug des Lebens.

Die Bibel unterscheidet natürlich und hält die Vergangenheit durchaus in Ehren: Als Ort, an dem Gott seine Gnade, Barmherzigkeit und seine Vergebung offenbart. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." betet König David in Psalm 103. Also: Schau ruhig mal zurück und übe dich in Dankbarkeit, am besten, wenn du gerade den Pflug aus der Hand legst und Pause machst. Pause machen: ganz wichtig!

Gott hat immer die Macht, auf krummen Zeilen gerade zu schreiben bzw. - um im Bild aus der Landwirtschaft zu bleiben: Er lässt sehr oft und sehr gerne in krummen Furchen gute Frucht wachsen. „Glück gehabt!", sagt dann der eine. „Gott sei Dank!", sagt der andere und spürt, wie ihm neue Lebensenergie geschenkt wird.

Mit herzlichen Segensgrüßen, Ihr Karl-Heinz Schell


Gebet

Du – über uns,
Du – einer von uns,
Du – auch in uns;
Dass alle dich sehen – auch in mir,
dass  ich den Weg bereite für dich,
dass ich danke für alles, was mir widerfuhr.
Dass ich dabei nicht vergesse der anderen Not.
Erhalte mich in deiner Liebe.
So kann sich alles in meinem Wesen
zu deiner Ehre wenden.
So muss ich nie verzweifeln.
denn ich bin in deiner Hand,
und alle Kraft, Trost und Barmherzigkeit
sind in dir.
Amen.


Segen

Gott gebe dir die Kraft seines Geistes,
dass du den Mut nicht verlierst,
wenn dir das Leben hart zusetzt.
Er schenke dir die Kraft seines Erbarmens,
dass du nicht gleichgültig wirst,
wenn andere leiden.
So segne dich Gott.
Amen.

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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