Meditation: Psalm 90,12

25.11.2012, Ewigkeitssonntag, Letzter Sonntag des Kirchenjahres

 

Der Wochenspruch


Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Psalm 90,12

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

im November versinken deutsche Landschaften im Nebel, und das Leben zieht sich mehr und mehr nach Innen zurück. Mit der zunehmenden Kälte geht der Saft aus dem Holz der Bäume, und diese werfen ihre Blätter ab. „Schön zum Sterben", las ich einmal auf einer Fotopostkarte, auf dem eine Efeuranke in leuchtendem Herbstrot zu sehen war.

Auch als Gemeindemitglied in Changchun, Shenyang, Peking und Qingdao (in dieser geographisch-klimatischen Reihenfolge) kann man den Herbst erleben, meist leider nur sehr kurz. Ein ähnlich beeindruckendes Bild wie auf der Postkarte aus Deutschland bot sich mir kürzlich live in der Nähe der Großen Mauer, wo ich mit lieben Verwandten aus der Heimat eine Wanderung machte: roter Efeu auf hellbraunem Felshintergrund, vergoldet durch die späte Nachmittagssonne. Dieser Anblick lud ein zum:

Anhalten (bedenken),
aufnehmen (diese schönen Blätter werden sterben müssen, so wie auch ich einmal),
Lebenseinstellung ändern (klug werden).

„Unsre Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.", so heißt unser Spruch zum Ewigkeitssonntag in der katholischen Einheitsübersetzung der Bibel. Diese Worte haben eine eigene Poesie. Während man in den Worten Luthers die raue Wirklichkeit des Ackers mit Pflanzen und Ernten, Werden und Vergehen spüren kann, öffnet die Einheitsübersetzung einen fast ästhetischen Blick auf die Endlichkeit unseres Lebens. Hier Erde und Erdung, dort Geist und Herzensweisheit. Wo finden Sie sich gerade wieder?

Am kommenden Sonntag haben alle, die möchten, Gelegenheit für etwas, das hier in China eher selten ist: Den eigenen Gefühlen in einem geschützten öffentlichen Raum Ausdruck verleihen, als Teil einer lebendigen Gemeinschaft, die den Einzelnen mitträgt, weil sie selbst eine Getragene ist.

So können wir an diejenigen Menschen denken, von denen wir uns im zurückliegenden Jahr durch Trennung oder Tod verabschieden mussten. In diesem Getragen- und Gehaltensein können wir Gott sagen, dass wir ihnen nachtrauern, weil wir sie immer noch lieben; wir können Gott danken für ihren einstigen Platz in unserem Leben. Und: Wir können Gott um Versöhnung bitten für Erlebnisse und unbeantwortete Fragen, die immer noch schmerzen.

Wenn wir dann Abendmahl feiern, wird dies, als Mahl der Versöhnung, am Ewigkeitssonntag noch einmal eine besondere Qualität haben.

Mit herzlichen Grüßen, Ihr Pfarrer Karl-Heinz Schell

 

Prayer

I come to you, God.
You have come to me in Jesus
who walks with me the road
of our world's suffering.
I come to you
with my faith and with my doubts.
I come to you
with my hopes and with my fears.
I come as I am,
because it is you who invites me to come,
and you have promised
to never turn me away.
Amen.

 

Segen

(nach der Liturgie der Iona Kommunität, Schottland)

Möge Gott,
von Ewigkeit zu Ewigkeit,
dich behüten,
im Osten und im Westen, wo immer du gehst.
Und der Segen Gottes sei auf dir,
der Segen der Dreieinigkeit,
jetzt und immer wieder.
Amen.

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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