Meditation: 1. Korinther 3, 11

06.11.2011 (Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres; Reformationsfest)

Der biblische Wochenspruch (= Tagesspruch des Reformationstages) lautet:

Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 1. Korinther 3, 11

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Schwestern und Brüder,

meine Religionsschüler in zwei 4. Klassen an der Deutschen Schule in Peking habe ich gefragt, was sie mit dem Datum "31.10." verbinden. Nur eine Schülerin sagte "Reformationstag", viele andere nannten "Halloween". In diesem Jahr fiel der Reformationstag nicht auf einen Sonntag, sondern auf einen Montag; wir wollen deshalb am kommenden Sonntag einen Gottesdienst mit Abendmahl zum Reformationstag feiern.

Vor 496 Jahren brachte Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg an, in denen er die Rechtmäßigkeit des damaligen Ablasshandels in Frage stellte. Bereits am 4. September 1517 hatte Luther eine theologische Abhandlung mit 97 Thesen für seine Dozentenkollegen verfasst. Luthers Wunsch war die Reformierung der Kirche von innen heraus.

Um nun den Wissensstand meiner Schüler zu verbessern, entschloss ich mich, mit ihnen den im Jahre 2004 produzierten Film „Luther" anzuschauen. Etwa vier bis fünf Schulstunden brauchen wir dafür, denn die gleiche Zeit, die wir Film schauen, verwende ich auf Erläuterungen zur Kirche und zum Leben im Mittelalter sowie zur Diskussion und zur Beantwortung von Fragen.

Gestern sahen wir u.a. denjenigen Abschnitt im Film, in dem Martin Luther am 17. April 1521 vor dem Kaiser auf dem Reichstag zu Worms steht. Er soll seine Schriften widerrufen, er erhält einen Tag Bedenkzeit. In der Nacht ringt er mit Gott und dem Teufel, und dann am nächsten Tag hat er eine glasklare dreigegliederte Antwort parat, theologisch hieb- und stichfest. Er kann nicht widerrufen, weil seine Werke auf dem Studium der Heiligen Schrift gründen. Joseph Fiennes spielt die Rolle Martin Luthers hervorragend, und ich fand es bewegend, wie es nicht nur im Wormser Reichstagssaal immer stiller wurde, sondern auch in meiner Klasse. Die Spannung und Anspannung dieser Bekenntnissituation ging auf meine Schülerschaft über, und als Luther – Wort für Wort – die berühmten Worte sagt „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir", applaudieren und jubeln meine Schüler im Jahr 2011 vor der Leinwand gleichzeitig mit einem Großteil der Reichstagssteilnehmer des Jahres 1521 auf der Leinwand. So etwas hatte ich noch nicht erlebt; ich hatte von meinen Schülern nicht erwartet, dass Sie so engagiert mitgehen würden.

In meinem Unterricht lege ich Wert darauf, auch im Kontext der hier in Peking so fruchtbringend gelebten Ökumene zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche, meinen Schülern deutlich zu machen, dass Luther als Christ der katholischen Weltkirche alles versuchte, um ein korrupt gewordenes Großunternehmen wieder zu seinen biblischen Quellen zu führen. Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus; solus Christus (lat., Christus allein) - unser Wochenspruch steht in der Herzensmitte von Luthers Theologie und Leben.

Die Bewahrung des Evangeliums und der Einheit der Kirche, das waren seine Anliegen; eine Spaltung wollte er vermeiden. Es war letztlich kirchliche Machtpolitik und Korruption, die dieses Bestreben vereitelten.

Darüber hinaus ist Luther wahrscheinlich eines der besten Vorbilder aus unserem Kulturkreis, wenn es um Themen geht wie Glaube, Liebe Gottes, Nächstenliebe, Gewissen, Streitbarkeit, Identität, Wahrhaftigkeit, Standfestigkeit. Meine Schüler signalisieren mir, dass sie offenbar nach solchen Vorbildern suchen, heute, fast 500 Jahre nach dem Reichstag zu Worms.

Luther selbst wäre allerdings nicht zufrieden, wenn wir bei ihm stehen bleiben würden. Er würde – nach seinem eigenen Prinzip „was Christum treibet" - sagen: „Es geht nicht um mich. Schaut auf den, auf den auch ich nur hinweise, der aber mein und euer Lebensgrund ist: Jesus Christus."

Mit herzlichen Grüßen, Ihr Karl-Heinz Schell



Gebet

Jesus Christus, Bruder und Herr,
du gehst mit mir meinen Weg.
Sollte ich dich verloren haben,
geh mir nach und suche mich.
Führ mich den Weg, den ich suche,
aber selbst nicht finden kann.
Nimm auf dich all die Lasten,
die ich selbst nicht tragen kann.
Lass mich Ruhe finden bei dir.
Amen.

 

Segen

Gott der allmächtige und barmherzige Vater segne dich.
Er mache dich offen für seine Wirklichkeit.
Er mache dich offen für die Nöte deines Nächsten.
Er mache dich offen für sein Wirken in deinem Leben:
Frieden und Heilung.
Amen. 

 

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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