Meditation: Jeremia 17,14

14.10.2012, 19. Sonntag nach Trinitatis

Der Wochenspruch:

Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.    Jeremia 17, 14

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

der oben stehende biblische Wochenspruch hakt sich tief bei mir ein, denn er ruft in mir die Bilder der vergangenen Tage hervor: 19 Deutsche und 2 Chinesen verunglückten am chinesischen Nationalfeiertag (1. Oktober) bei einem Auffahrunfall in einem Bus auf der Autobahn Beijing-Tianjin, ein Chinese und 5 Deutsche starben. Der chinesische und die 14 deutschen Überlebenden wurden zunächst in Krankenhäusern in Tianjin behandelt, die schwerer Verletzten anschließend in Hong Kong und Peking. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden sich noch ein Chinese und 4 Deutsche in Pekinger Krankenhäusern in Behandlung.

Unser Botschafter Dr. Michael Schaefer reagierte in jeglicher Hinsicht schnell und weitblickend. Er nutzte alle diplomatischen Wege, begab sich persönlich zum Unglücksort und besuchte zusammen mit seiner Frau die Verletzten. Die Botschaft stellte mit zahlreichen Mitarbeitenden - darunter auch die beiden deutschen Pfarrer mit Assistierenden - Hilfsteams zusammen, die eine dauerhafte Begleitung der Patienten gewährleisteten. Diese helfende Gemeinschaft hat in den vergangenen Wochen getan, was ihr möglich war – mit viel Herz, Verstand und Hand. Einige von uns durften sogar erleben, welche Kraft Glaube haben kann, und dass Gebete um Überleben, Stärkung und Trost erhört werden. Ich weiß, dass, besonders in einem Fall, Christen in China, Deutschland und Japan für die Verletzten beteten und noch beten. Besonders dankbar sind wir auch den Ärzten, Schwestern und Therapeuten in den Krankenhäusern; sie haben Leben gerettet und tun alles, um den Heilungsprozess voranzutreiben.

Das Leben der ständig wachsenden deutschen Gemeinde in Chinas Norden geht schon wieder weiter: Inzwischen haben wir in Peking am Mittwoch den Tag der Deutschen Einheit mit ca. 3.000 Teilnehmenden gefeiert; am Donnerstag gab es eine Festveranstaltung zum 40-jährigen Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und China, und heute wird in Shenyang ein neues Deutsches Generalkonsulat eingeweiht.

Das Leben geht weiter; es liegt an uns, ob wir durch tragische Ereignisse wie das Busunglück bei Tianjin menschlicher, tiefer werden.

Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. Heilung ist der tiefste Wunsch eines Verletzten, eines Kranken. Wenn die so selbstverständlich gewordene Gesundheit von einem Moment zum anderen abhandenkommt, will man nichts dringender wieder zurück haben. Prioritäten verschieben sich massiv. Der Mensch, Leib, Seele und Geist wollen leben, und in Grenzsituationen zwischen Leben und Tod stellen sich unerwartete und manchmal auch revolutionierende Erkenntnisse und Lebenseinsichten ein.

Wenn wir schreckliche Ereignisse durchleben müssen, ist der „Durcheinanderwerfer" am Zug.

„Durcheinanderwerfer" ist die wörtliche Übersetzung des griechischen Wortes Diabolos, dt. Teufel. In meinem eigenen Gottesbild folge ich u.a. gerne dem Gottesbild im Buch des Hiob. Da ist der Diabolos nämlich jemand, der bei Gott um Erlaubnis für sein zerstörerisches Spiel bitten muss. Gott erteilt ihm diese, aus pädagogischen Gründen. Das heißt: Wenn ein Schicksalsschlag unser bisheriges Leben vollkommen durcheinanderwirft, sind wir gefordert, Hand anzulegen und unser Chaos kreativ „in Ordnung" zu bringen, mit all denen, die uns dabei helfen wollen – statt in ihm zu versinken. Nur so - ansonsten wäre das zynisch - kann man von „Krankheit als Weg" sprechen.

Ein letzter Gedanke: Leicht hört sich die Aussage an: „Ich möchte gesund werden." Wenn unser  Wunsch nach Heilung einen Adressaten hat, spüren wir Geborgenheit und etwas, das noch umfassender ist als Heilung: Heil. Das Wort der Bibel dafür ist: Shalom, umfassender Frieden.  „Heile du mich Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen."

In Verbundenheit mit den Verstorbenen des Busunglücks und ihren Angehörigen und mit denen, die es „geschafft" haben, und mit herzlichem Dank an alle, die geholfen haben und noch helfen, auch durch ihr Gebet, grüßt Sie Ihr Pfarrer Karl-Heinz Schell

 

Gebet

Guter Gott,
wir feiern Erntedank und erinnern uns an alles,
was uns geschenkt wurde,
ohne dass wir etwas dafür tun mussten:
Nahrung für Leib und Seele.
Wir denken an das Brot, das andere für uns gebacken haben,
an gute Worte, die uns aufgerichtet haben,
an liebe Blicke und Gesten, die uns erfreut haben,
an manche Augenblicke des Glücks.
Wir danken dir für die Fülle,
die du in unser Leben gelegt hast,
für alles, was uns reich macht.
Amen.

 

Segen

Gott, liebender Vater,
lehre mich, an allen Orten zu dir zu rufen.
Gib mir Freude daran,  zu allen Zeiten zu dir zu beten.
Weck in mir den Mut, in allen Nöten vertrauensvoll zu dir zu kommen.
Segne mich, indem du mein Gebet voll Güte annimmst.
Amen.

 

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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