Meditation: Lukas 12, 35

20.11.2011 (Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Evangelisch: Ewigkeitssonntag, Katholisch: Sonntag Christkönig)

 

Der biblische Wochenspruch lautet:

Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.      Lukas 12, 35

Liebe Leserinnen und liebe Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

die Lichter brennen lassen, das Licht anlassen, das ist wohl angeraten bei kürzer werdenden Tagen und solch düster klingenden Namen wie Volkstrauertag und Buß- und Bettag, Zusammen mit dem Ewigkeitssonntag bildet dieses Dreigespann den liturgischen Abschluss des Kirchenjahres. Als der Ewigkeitssonntag offiziell noch Totensonntag hieß, klang die Wortfolge noch eine Stufe dunkler: Trauer, Buße, Tod. Meine Schüler würde ich nun Verben, Tu-Worte, bilden lassen: trauern, büßen, sterben (oder: tot sein? ... Fragen: Ist „tot sein“ auch ein Tu-Wort? Kann man dann überhaupt noch etwas tun, wenn man tot ist?).

Menschen, die in der zurückliegenden Zeit einen lieben Partner oder Freund/Freundin verloren haben, stecken mitten drin in dieser Schwere. Und vielleicht ist es noch nicht einmal der biologische Tod, der allem Wünschen und Hoffen ein Ende gesetzt hat. Oft genügt auch eine Trennung, ein nie vermuteter Abschied, um des Todes gewahr zu werden, mitten im Leben.

Unsere Vorfahren haben gewusst, dass es wichtig ist, Scheitern, Sterben und Tod wahrzunehmen, es bzw. sie mitten im Alltag beim Namen zu nennen, und eben nicht zu verdrängen, wie wir modernen Menschen es gerne tun und unserer Seele damit schaden.

Kennen Sie jene Sorte Traum bzw. Albtraum, in dem Sie vor jemandem davon laufen, und je schneller Sie laufen, umso schneller läuft auch der Verfolger? Traumanalytiker haben für in dieser Weise Albträumende einen verwunderlichen Tipp: Im Traum aufhören zu laufen, stehen bleiben, sich umdrehen, auf den Verfolger warten, ihm ins Gesicht schauen und ihn fragen: Wer bist du? – Fast immer löst sich der Verfolger dann in Luft auf, oder er geht einfach, oder er hat dem mutigen Träumenden noch etwas Wichtiges zu sagen.

Ich glaube, ähnlich verhält es sich mit der Düsternis von Volkstrauertag, Buß- und Bettag und Totensonntag. Wenn die liturgischen Kommissionen der lutherischen und unierten Landeskirchen vor einigen Jahrzehnten mit der Bezeichnung „Ewigkeitssonntag“ Wert darauf legten, den endzeitlichen Charakter des letzten Sonntags im Kirchenjahr wiederzugewinnen, dann beabsichtigten sie damit einen Perspektivwechsel: Der Blick wird gelenkt zwar in das Dunkel hinein, aber dann durch das Dunkel hindurch ins Licht; in das Grab hinein, aber dann aus dem Grab heraus zu neuem Leben, zur Auferstehung, zur Wiederkunft, - zur Wiederkunft Christi.

Am Ewigkeitssonntag, da dürfen wir trauern. Wir werden dafür im Gottesdienst am Sonntag Zeit einrichten; kostbare, unbezahlbare Zeit wird das sein - in dieser rastlosen Stadt, deren unbarmherziges Räderwerk für Sterben und Tod keinen Platz hat.

Am Ewigkeitssonntag, da sollen wir auch dankbar sein: Für die Augenblicke und Stunden, Tage oder Jahre, die wir mit einem lieben Menschen zu seinen Lebzeiten hatten. Endlich einmal sagen können: „Danke, Gott, dass wir ein Stück Lebensweg gemeinsam gehen konnten.“ Kostbar auch dies: das Stück erlebter gemeinsamer Weg, und das Danke sagen.

Am Ewigkeitssonntag, da kann ich anfangen, auf neue Weise zu sehen: weg von mir selbst und meiner kleinen, wichtigen, aber doch so endlichen Welt, hin zur ewigen Welt, die wir in der Gemeinschaft der Gläubigen schon jetzt spüren und erleben können; bruchstückhaft, aber manchmal selbst in dieser Bruchstückhaftigkeit überwältigend und großartig.

Es ist die Welt, die wir das Reich Gottes nennen, die Königsherrschaft Jesu Christi, das Neue Jerusalem. Dort, so heißt es in der Vision des Offenbarungsschreibers Johannes (Kap. 21), wird Gott abwischen alle Tränen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron sitzt, spricht: Siehe, ich mache alles neu!

Gott schenke Ihnen jeden Tag Kraft, Trost, und Hoffnung.

Mit herzlichen Segensgrüßen, Ihr Karl-Heinz Schell

 

Hinführung zur Christusbegegnung

Wenn einer weiß,
wie schwer es ist, Abschied zu nehmen
von allem, was lieb gewesen ist…
wenn einer es sieht mit unendlich geduldigen Augen,
wie wir schuldig werden und Chancen vergeben…
wenn einer uns ahnen lässt,
dass es einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt
schon hier und jetzt,
dann er:
Jesus von Nazareth,
geboren im Stall, gestorben am Kreuz. Er lässt uns ahnen den neuen Himmel und die neue Erde.
In einem liebevollen Wort,
in einer tröstenden Umarmung,
in Brot und Wein lässt er uns schmecken, hören, fühlen,
welche Erde uns trägt
und welcher Himmel sich über uns wölbt.

 

Segen

Gott segne dich mit Augen, die fremde Not wahrnehmen.
Er segne Dich mit Händen, die gerne helfen.
Er segne dich mit einem Herzen, das Freude am Guten hat.
Amen.

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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