Meditation: Hebräer 3, 15

12.02.2012 2. Sonntag vor der Passionszeit (Sexagesimä)

Der Wochenspruch für den zweiten Sonntag vor der Passionszeit (Sexagesimä) lautet:

Heute, wenn ihr seine Stimme höret, so verstockt eure Herzen nicht. Hebräer 3, 15


Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Brüder und Schwestern,

es gibt sie tatsächlich, die so genannten kleinen Wunder, auch in Peking. Selbst bei Minusgraden und schlechter Luft kann man plötzlich, ohne dass man es erwartet, beschenkt oder sogar verzaubert werden.

An einem Samstagnachmittag, nach getaner Arbeit, konnte ich im zu Ende gehenden Chinesischen Neujahr endlich meinem Nachbarschaftstempel, dem Erdtempel (Ditan 地坛) einen Besuch abstatten. Wann immer - leider ist das selten - ich den Weg zum Erdtempelpark schaffe, ist das ein Indiz dafür, dass kleine Zäsuren der Ruhe und Entspannung nötig und möglich sind. Der Erdtempel, nördlich der Pekinger Altstadt (2. Ring) gelegen, ist das kosmische Gegenstück zum Himmelstempel (Tiantan 天坛) südlich der Altstadt, so wie auch der Mondtempel (Yuetan 月坛) westlich der Altstadt seine Ergänzung im Sonnentempel (Ritan 日坛) östlich der Altstadt hat.

Nach einem halbstündigen Fußweg kam ich an und fand den Tempelpark vor wie noch nie: Er war nahezu menschenleer. Die Tore zur Gebets- und Opferfläche waren geöffnet, aber es gab keine Besucher. Insgesamt 4 oder 5 Leute waren es, die mir in der folgenden halben Stunde dann doch begegneten, aber so wenige Leute sind in China ja genau so gut wie niemand. Ein stiller, einsamer Erdtempel, ein Ort der Ruhe. Das erste kleine Wunder.

Ich nahm anschließend ein Taxi Richtung Süden zum Hauptbahnhof, wo ich für einen späteren Termin Bahnkarten kaufen musste. Von dort ging ich ohne bestimmtes Ziel zu Fuß Richtung Norden und überquerte die Jianguomen Straße. (Die in jeder Richtung sechsspurige Jianguomen Straße findet ein paar hundert Meter weiter westlich ihre Fortsetzung in der Chang'an Straße, die wiederum zum Tian'an men Platz führt.)

Vor mir lag das Jianguo Garden Hotel, das ich noch nicht kannte. Ich betrat die Empfangshalle und traf auf einen freundlichen Kellner – und auf ein Kuchenbuffet, das spontan meine Aufmerksamkeit fand. „We have a promotion", sagte der Kellner, „the buffet is only 101 Renminbi including coffee or tea." „That sounds wonderful", erwiderte ich und suchte mir – als einziger Gast - einen schönen Platz mit freiem Blick. Das kalte Grau draußen störte mich nicht; ich hatte etwas gefunden, das mir gut tat, ungeplant, ohne mein Zutun. Das zweite kleine Wunder.

Nach einer Weile wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, sehr sanft allerdings. Während meiner durch Kaffee und Kuchen unterstützten Gedankenreise hatte ein paar Meter rechts neben mir eine junge chinesische Musikerin mit ihrer Guzheng 古筝, der traditionellen chinesischen Zither, Platz genommen und zu spielen begonnen. Diese Musik war so schön, dass - wie sagt man doch so treffend? - meine Seele Flügel bekam. Ich fühlte mich wie verzaubert. Das dritte kleine Wunder.

Mitten in meinem Pekinger Alltag habe ich - in der alten Sprache des Glaubens gesprochen - etwas Gnadenreiches erlebt. Etwas, das ich brauchte, ohne dass ich genau wusste, was es war, kam zu mir, wurde mir geschenkt.

Ich denke, dass der Hebräerbrief das meint, wenn er sagt: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, so verstockt eure Herzen nicht."

Es bedeutet: Halte dich bereit! Gott ist da, Gott kommt zu dir, um zu heilen und zu trösten, zu ermahnen und zu ermutigen. Es ist seine Stimme, die du hörst: in einem Wort, in einer Begegnung, an einem stillen Ort, in den sanften Weisen einer chinesischen Zither...

Ich wünsche Ihnen in Peking und anderswo auf der Welt Zeiten, Orte und ein offenes Herz – für das Gottesgeschenk kleiner Wunder mitten in Ihrem Alltag.
Ihr Karl-Heinz Schell



Ein Gute-Nacht-Gebet
(von der Christusbruderschaft Selbitz, aus: TeDeum)

Herr Jesus Christus,
'müde bin ich von der Unruhe des Tages,
doch bei dir kann ich ausruhen und alle Lasten bergen.
Ich danke dir für alle Zeichen deiner Güte,
mit denen du mich heute beschenkt hast,
für Freuden und Mühen,
in denen ich deine Nähe erfahren durfte.
Du bist nun auch bei mir in dieser Nacht,
darum kann ich sicher ruhen.
Lass meine Seele deinen Frieden atmen
und bedecke mich und alle Menschen mit deinem Schutz.
Ich preise dich für deine Güte,
mein Herr und mein Gott.
Amen.

 

Segen

Gott segne dich mit einem liebenden Herz,
das für ihn offen ist.
Er segne dich mit einem klaren Willen,
der ihm folgen möchte.
Er segne dich mit kräftigen Händen,
die das tun, was er dir aufträgt.
Amen.

Wochensprüche

HEUTE, 8. Februar 2015, findet der Abschiedsgottesdienst von K.-H. Schell in Peking statt.
WIR DANKEN IHM FÜR DIE GEISTLICHE NAHRUNG, DIE ER JAHRELANG VERMITTELT HAT.

Die Wochensprüche werden von Pfr. Dr. Karl Heinz Schell in Beijing für seine dortige deutsche Gemeinde geschrieben.

 

Ev. Gottesdienste finden in der Dt. Botschaft statt.

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